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Gemeinde Schwanewede Diskussion um Ortsräte

In Schwanewede will die CDU-Ratsfraktion die Ortsräte abschaffen und durch Ortsvorsteher ersetzen. Was die andereren Fraktionen davon halten.
26.09.2023, 19:00 Uhr
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Diskussion um Ortsräte
Von Gabriela Keller
Inhaltsverzeichnis

In Schwanewede stehen die Ortsräte auf dem Prüfstand. Zwölf Ortschaften gibt es in der Großgemeinde. Sechs davon haben Ortsräte, die anderen Ortsvorsteher. So ist es bei der Gebietsreform 1974 festgelegt worden. Gut 50 Jahre später will die CDU-Fraktion im Gemeinderat mit einem Antrag die Ortsräte abschaffen. Warum und was die anderen Fraktionen sowie Ortsbürgermeister davon halten – ein Überblick.

Welche Ortschaften haben Ortsräte, welche nicht?

Bei der Entscheidung im Rahmen der Gebietsreform war die Einwohnerzahl der Ortschaften ausschlaggebend. Die Ortschaften Beckedorf, Leuchtenburg, Löhnhorst und Meyenburg haben Ortsräte mit jeweils sieben Mitgliedern, in Neuenkirchen hat der Ortsrat neun Mitglieder und in Schwanewede 15 Mitglieder. Die Mitgliederzahl ist in der Hauptsatzung der Gemeinde festgelegt. Jeder Ortsrat wählt aus seinen Reihen einen Ortsbürgermeister oder eine Ortsbürgermeisterin und einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. In den Ortschaften Aschwarden, Brundorf, Eggestedt, Harriersand, Hinnebeck und Rade gibt es jeweils einen Ortsvorsteher. Sie werden vom Gemeinderat gewählt. Vorschlagsberechtigt ist jeweils die Fraktion, die in der jeweiligen Ortschaft bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen erhalten hat.

Was will die CDU und warum?

Der Antrag sieht vor, die Ortsräte zur nächsten Legislaturperiode abzuschaffen. Stattdessen soll es in allen Ortschaften einen Ortsvorsteher geben, für Ortschaften bis 1499 Einwohnern außerdem einen Stellvertreter und ab 1500 Einwohnern zwei Stellvertreter. Die derzeitige Unterscheidung zwischen Ortschaften mit gewählten Ortsräten und Ortschaften mit auf Vorschlag bestimmten Ortsvorstehern führe zu einer "Ungleichbehandlung" politisch wie auch verwaltungsseitig, argumentiert die CDU. Durch den Wegfall der Ortsräte würden zudem Verwaltungsabläufe gestrafft und Ressourcen gespart werden, heißt es im Antrag. "Die Entbürokratisierung der Verwaltung ist für uns der Hauptpunkt", sagt Fraktionschef Ronald Grzeschik. Die CDU erhofft sich auch eine Beschleunigung politischer Entscheidungsprozesse. "Verfahren etwa für Bebauungspläne müssen derzeit immer erst im Ortsrat beraten werden, bevor sie in die Fachausschüsse gehen. Das kostet viel Zeit", meint Grzeschik. Dass die Bürgerbeteiligung leiden könnte, wenn die Ortsräte wegfallen, befürchtet die CDU-Fraktion nicht. Themen der Ortschaften würden weiterhin in den Fachausschüssen öffentlich beraten. Auf diese Weise würden die Bürger weiterhin an allen Verfahren beteiligt, könnten Eingaben machen und Bedenken äußern.

Warum stellt die CDU ihren Antrag jetzt?

Die Christdemokraten reagieren auf einen Antrag, den die Wählergemeinschaft (WG) in der vergangenen Wahlperiode vorgelegt hatte. Die WG will genau das Gegenteil, nämlich Ortsräte für alle Ortschaften. In seiner Sitzung im Juni 2021 hatte der Gemeinderat beschlossen, den Antrag der Wählergemeinschaft zurückzustellen, um ihn in der jetzigen Wahlperiode erneut zu beraten.

Was halten die anderen Fraktionen vom CDU-Vorschlag?

Der Antrag, so hat der Rat jüngst beschlossen, soll erst mal in den Fraktionen diskutiert werden. Die SPD sei offen für die Diskussion, sagt Fraktionschef Dominik Schmengler, der auch Ortsbürgermeister von Meyenburg ist. "Wir halten nicht unbedingt 100-prozentig an der bestehenden Ortsräte-Reglung fest. Die Ortsräte einfach abzuschaffen und durch Ortsvorsteher zu ersetzen, dabei würden wir als Fraktion aber nicht mitgehen." Im Fall einer Änderung müsse es andere ortsnahe Beteiligungsformate für die Bürger geben. Die würden sich mit ihren Anliegen lieber an die Politiker ihres Vertrauens vor Ort wenden als an einen Fachausschuss hat Schmengler festgestellt. Ihm gehe es auch um die Meinungsvielfalt. "Die Diskussionen im Ortsrat sind immer auch ein Korrektiv, das ist sehr wertvoll. Ich möchte nicht, dass dies auf eine Person reduziert wird." In der Diskussion üer den CDU-Antrag müsse es deshalb auch darum gehen, wie die Ortschaften mit Ortvorstehern gestärkt werden können. Bei der SPD hat man zudem noch Informationsbedarf. "Wir wollen Zahlen haben: Was bringt es der Gemeinde finanziell? Auch die Ortsräte müssen gehört werden."

"Wir gehen offen in die Gespräche" heißt es bei den Grünen. "Es gibt vieles, was für die Ortsräte spricht wie die Bürgerbeteiligung, aber auch einiges, was gegen sie spricht", sagt Fraktionschefin Dörte Gedat. Ortsräte bedeuteten mehr Verwaltungsaufwand, auch längere Entscheidungsprozesse, weil Ortsräte nicht so oft tagen. Den Grünen sei es wichtig, dass die Bürger in den Ortschaften weiterhin gehört werden und sich einbringen können. "Wir wollen keine Beteiligungsmöglichkeiten wegkürzen, sondern sie ausbauen." In welcher Form, das sei zu diskutieren. Eine Möglichkeit könnten laut Gedat Bürgerversammlungen zu größeren Vorhaben sein.

Das Argument der ortsnahen Bürgerbeteiligung führt auch die Wählergemeinschaft ins Feld – allerdings für ihren eigenen Antrag, Ortsräte in allen Ortschaften einzuführen. "Wir wollen die Ortsräte nicht abschaffen", bekräftigt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Brigitte Aschemann. Die Argumentation der CDU überzeugt sie nicht. "Es muss nicht unbedingt von Vorteil sein, dass etwas schneller geht." Die meisten Fachausschüsse würden von Bürgern kaum besucht. "Da gibt es Schwellenangst. Zu den Ortsräten aber, da gehen die Bürger hin."

Was sagen Ortsbürgermeister?

In Leuchtenburg ist sich der Ortsrat laut Ortsbürgermeister Karl-Gerd Brand einig: "Wir wollen auf einen Ortsrat nicht verzichten." Die Bürgernähe sei entscheidend. Aber auch die Meinungsvielfalt in der Ortschaft, die in einem größeren Gremium wie dem Ortsrat besser abgebildet werde könne, als durch einen Ortsvorsteher. "Es ist zudem ein Unterschied, ob ich alleine einen Antrag bei der Gemeinde vorbringe, oder ein Ortsrat mit mehreren Personen dahintersteht", sagt Brand, selbst CDU-Mitglied und seit 47 Jahren Bürgermeister in Leuchtenburg.

Bürgerbeteiligung und Meinungspluralität – das sind Argumente, die auch der Beckedorfer Ortsbürgermeister Rudolf Tosonowski (CDU) für die Ortsräte ins Feld führt. "Unsere Ortsratssitzungen sind meist sehr gut besucht." Hier, und nicht in den Fachausschüssen in Schwanewede, würden die Bürger ihre Sorgen und Nöte vorbringen. Im Ortsrat werde diskutiert und dann mehrheitlich entschieden. Seine Befürchtung: "Ein Ortsvorsteher könnte eher nach Gutsherrenart regieren."

Zur Sache

Ortsräte im Landkreis Osterholz

Schwanewede ist laut Gemeindeverwaltung die einzige Kommune im Landkreis Osterholz, in der es noch Ortsräte gibt. In der Stadt Osterholz-Scharmbeck, den Gemeinden Ritterhude, Lilienthal und Grasberg gibt es seit der Gebietsreform 1974 keine Ortsräte mehr. In der Kreisstadt gibt es dafür Ortsvorsteher oder Ortsvorsteherinnen, in den genannten Gemeinden nicht. In der Gemeinde Worpswede wurden die Ortsräte zum 1. Januar 2011 abgeschafft, es gibt in allen Ortschaften Ortsvorsteher. In der Samtgemeinde Hambergen bestehen aufgrund der Struktur der Samtgemeinde keine Ortsräte.

Die sechs Ortsräte in Schwanewede kosten die Gemeinde jährlich rund 120.000 Euro. Dazu gehören Aufwandsentschädigungen für die Ortsratsmitglieder, Verwaltungs- und Raumkosten sowie ein Personalanteil von einer halben Stelle. Die jährlichen Kosten für die sechs Ortsvorsteher und deren Stellvertreter belaufen sich nach Angaben der Gemeinde auf 12.600 Euro.

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