Frage: Frau Jantz-Herrmann, die Bundeswehr will das Fahrtraining in Schwanewede teilweise fortführen. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie davon erfuhren?
Christina Jantz-Herrmann: Mein erster Gedanke war "Das darf doch wohl nicht wahr sein."
Trifft es zu, dass der Vertreter der Bundeswehr Sie im Gespräch gebeten hat, die Informationen zu den Plänen der Logistikschule erst mal geheim zu halten, auch gegenüber den Ratsfraktionen?
Oberst Betz hat aufgrund der guten Zusammenarbeit, die wir in den letzten Jahren gepflegt haben, das Gespräch gesucht und ist davon ausgegangen, dass wir das Gespräch vertraulich behandeln werden. Für die Gemeinde ist das Thema aber von enormer Bedeutung, es hat Einfluss auf die bisherigen Planungen zum Konversionsgelände. Das Thema bewegt uns nicht nur im Rathaus und politisch. Auch die Schwanewederinnen und Schwaneweder wollen wissen, wie es mit dem ehemaligen Kasernengelände weitergeht. Ein solcher Antrag, der dazu führen kann, dass die Konversionsplanungen komplett zum Erliegen kommen, ist da eine sehr bemerkenswerte Information. Für mich war es deshalb sofort selbstverständlich, dass ich die Kommunalpolitik und auch die Öffentlichkeit informieren muss. Das habe ich auch angesprochen.
Sie haben an das Verteidigungsministerium geschrieben. Haben Sie wirklich Hoffnung, dass der Antrag der Bundeswehr ad acta gelegt wird ?
Die Hoffnung, dass das Verteidigungsministerium Wort hält, dass der Übungsplatz aufgegeben wird und dem Antrag der Bundeswehr nicht stattgibt, habe ich schon. Ich kann aber nicht abschätzen, inwiefern gesetzliche Veränderungen in der Fahrlehrerausbildung einen Anspruch, das Gelände weiter nutzen zu müssen, bedingen. Wenn es für die Fahrlehrerausbildung tatsächlich weiterer Flächen über die in Garlstedt eingerichteten Strecken hinaus bedarf, würde ich mir wünschen, dass die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium ernsthaft alternative Liegenschaften prüfen. Und man nicht von vornherein sagt: Bergen oder Munster könnten wir nehmen, aber das ist für uns ein bisschen umständlich und weit weg.
Was, wenn das Ministerium den Antrag bewilligt und die Bundeswehr weiter in Schwanewede übt?
Dann wären vieles zu prüfen. Etwa der Verkehr: Mit welchen und wie vielen Fahrzeugen wird die Bundeswehr zum Truppenübungsplatz fahren, welche Streckenführung ist geplant? Vorstellbar ist, dass die Fahrzeuge weiterhin über die Straße An der Kaserne fahren. Oberst Betz kündigte aber auch an, dass sich die Logistikschule vorstellen könnte, durch den Ortskern über Heidkamp und Molkereiweg zu fahren. Das ist ein dicht besiedeltes Gebiet. Wenn die Bundeswehr mit mehreren Lkw-Kolonnen diese Straßen passiert, ist das nicht unerheblich. Zu prüfen wäre, ob die Straßen für die verkehrlichen Belastungen überhaupt ausgelegt sind. Ob der Straßenabschnitt bei der "Baracke Wilhelmine" und am Skaterplatz (an der Straße An der Kaserne, Anm.d.Red.) noch viel mehr Lkw-Verkehr verkraftet, weiß ich nicht. Dort gibt es zudem keine Fuß- und Radwege. Ich finde es schwierig, wenn Kinder und Jugendliche mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Skaterplatz sich die Straße mit den Kolonnen der Bundeswehr teilen müssen. Weiterhin wäre zu prüfen: In welcher Intensität werden Übungen durchgeführt, wie ist die Lärmentwicklung und was heißt das für die angrenzenden Gebiete – die bestehenden, aber auch für eine Nachnutzung des Kasernengeländes? Lässt sich unsere aktuelle Planung dann noch aufrechthalten? Ich glaube das nicht. Mit den Emissionswerten würde sich eine Wohnbebauung vis-à-vis des Übungsgeländes nicht vereinbaren lassen. Sollten wir unsere Planung ad acta legen müssen, wäre zu klären, welche Auswirkung das auf das Sanierungsgebiet und die Städtebaufördermittel hat und ob wir etwaige Schadensersatzansprüche geltend machen können.
Inwiefern wäre das Sanierungsgebiet durch die Pläne der Bundeswehr betroffen?
Einmal dadurch, dass wir gegenüber dem Truppenübungsplatz Wohnbebauung realisieren möchten. Zum Sanierungsgebiet gehören auch der Bereich der ehemaligen Standortverwaltung plus der ehemaligen Panzerwaschanlage. So wie ich Oberst Betz verstanden habe, bezieht die Bundeswehr in ihre Pläne auch die Waschanlage ein. Die ist meines Wissens schon an die Bima (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Anm.d.Red.) übergeben worden. Hier wäre zu prüfen, ob die Bundeswehr die Anlage von der Bima zurückerwerben müsste.
Wie würde es sich auf die Städtebauförderung auswirken, wenn die Bundeswehr einen Teil des Sanierungsgebietes für ihre Zwecke nutzen will?
Das müssten wir auch prüfen. Deshalb habe ich den Brief an das Verteidigungsministerium auch der Landesregierung zur Kenntnis gegeben, weil sich diese ganzen Fragestellungen aufdrängen. Die Landesregierung hat ein Interesse daran, dass die Städtebaufördermittel, die sie bewilligt hat, auch abgerufen werden.
Würde die Gemeinde das Kasernengelände noch kaufen wollen, wenn die Bundeswehr in der Nachbarschaft ihr Fahrtraining macht?
Das ist eine Frage, die wir derzeit nicht beantworten können. Das müssen wir gemeinsam mit der Politik erörtern und überlegen, was man stattdessen mit dem Gelände macht.

Die Bundeswehr will den Standortübungsplatz in Schwanewede für die Fahrschulausbildung weiter nutzen. Die Gemeinde sieht ihre Konversionspläne für die ehemalige Lützow-Kaserne gefährdet.
Könnte die Investorenlösung wieder aufleben?
Das Kasernengelände ist jetzt Sanierungsgebiet, für das wir Städtebaufördermittel bekommen. Solange wir die Förderung in Anspruch nehmen und eine Entwicklungsgesellschaft gründen wollen, können wir das nicht mit Privaten sondern nur mit einer Körperschaft öffentlichen Rechts tun, die in keinem Fall gewinnorientiert sein darf. Aus dem Grund sind wir auch in Gesprächen mit der NLG (Niedersächsische Landgesellschaft, Anm.d.Red.), die sich als konstruktiv darstellen. Die NLG hat sich schon offen dafür gezeigt, dass wir als Gemeinde aufgrund der Städtebauförderung Anteile von 51 Prozent in einer künftigen Gesellschaft halten müssen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Umso bedauerlicher ist jetzt der Antrag der Bundeswehr, auch weil wir gerade in diesem Jahr vieles auf den Weg gebracht haben und die Kommunalpolitik viele wichtige Entscheidungen getroffen hat. So hat die Politik beschlossen, dass wir Kaufverhandlungen mit der Bima aufnehmen sollen. Der Zeitplan sah vor, dass wir die im Frühjahr 2022 abschließen und dann die Gesellschaftsgründung vorantreiben wollten. Der Antrag der Bundeswehr bremst uns jetzt aus.
Wie viel Zeit verliert die Gemeinde, wenn die Nachnutzungspläne für die Kaserne geändert werden müssten?
Ich war davon ausgegangen, dass wir im Verwaltungsausschuss am Montag dieser Woche oder am 17. Januar eine Entscheidung der Politik zum Nutzungskonzept gehabt hätten. Wir hätten das direkt an die Bima für die Verhandlungen weitergegeben. Das verzögert sich jetzt bis zu einer Entscheidung des Verteidigungsministeriums.
Können Sie aufgrund der bisherigen Erfahrung einschätzen, wie viel Zeit eine Neuplanung für die Kaserne kosten würde?
Das hängt davon ab, was auf dem Truppenübungsplatz tatsächlich geschehen wird. Da jetzt eine Aussage zu treffen, ob es überhaupt neue Planungen gibt, welche Planungen es gibt und wie lange die dauern, ist noch zu früh.
Wie ist der aktuelle Stand der Gespräche mit der NLG?
Die Gemeindeverwaltung und die Politik haben sich mit der NLG ausgetauscht. Man hat sich abgestimmt, im Gespräch zu bleiben.
Worüber ist gesprochen worden, sind auch schon Entscheidungen gefallen?
Nein. Entscheidungen müssen in einer öffentlichen Ausschuss-Sitzung und durch den Rat bestätigt werden. Das Stadium haben wir mitnichten erreicht. Es hat jetzt ein erstes Gespräch direkt zwischen der NLG und der Kommunalpolitik gegeben.
Um welche Themen geht es da?
Man spricht über die Herausforderungen auf dem Kasernengelände, wie die Vorstellungen der Gemeinde aussehen, wie weit der Planungsprozess ist. Die NLG stellt vor, was sie an Leistungen anbieten kann.
Was wäre denn der Part der NLG?
Das sind Fragestellungen, die noch in weiteren Gesprächen zu klären sind.
Haben Sie die NLG schon über die Pläne der Bundeswehr informiert?
Ja, am Dienstag, als wir das Schreiben an die Verteidigungsministerin rausgeschickt haben. Wir haben auch die Bima und andere, die uns im Prozess begleiten, informiert.
Was wollen Sie noch unternehmen, um die Pläne der Bundeswehr zu stoppen?
Ich glaube einen rechtlichen Hebel haben wir nicht. Sollte sich herauskristallisieren, dass der Übungsbetrieb fortgeführt wird, würden wir über Schadensersatzansprüche nachdenken.
Das Interview führte Gabriela Keller