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Teures Leben Schwaneweder Tafel hilft Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen

Die Preise von Lebensmitteln steigen. Wie Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen, bei der Schwaneweder Tafel Unterstützung finden.
04.07.2025, 17:00 Uhr
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Schwaneweder Tafel hilft Menschen, die mit jedem Cent rechnen müssen
Von Gabriela Keller

Gefühlt wird alles immer teurer – und zwar schneller als noch vor Jahren. Wegen der Corona-Pandemie konnte nicht so zügig produziert werden wie bisher, sodass Produkte mehr kosteten als sonst. Dann kam der Ukraine-Krieg, der zusätzlich für Lieferengpässe sorgte und die Preise noch mal nach oben trieb. Und nun drohen Zölle die Inflation zu befeuern. In der Serie „Teures Leben“ wollen wir aufzeigen, wie sich der Alltag für die Menschen verändert hat, wozu Helfer raten und wie Anlaufstellen und Firmen gegensteuern. In der vierten Folge geht es um die Hilfe der Schwaneweder Tafel.

"Kann ich noch etwas davon haben?", fragt die ältere Frau und zeigt auf das Toastbrot hinter dem Tresen. Und weil sie für drei Personen einkauft, nimmt sie auch gleich drei Packungen mit. Drei Paletten Butterkuchen, zwei Rosinenbrote, ein Weiß- und ein Graubrot wandern auch noch in eine große Plastiktüte. Vier weitere Tüten und ein Einkaufsroller sind schon randvoll gefüllt mit Obst, Gemüse und weiteren Lebensmitteln.

Es ist Einkaufstag bei der Tafel in Schwanewede. Zweimal in der Woche, dienstags und freitags, öffnet die Ausgabestelle an der Ostlandstraße 34 für jeweils zwei Stunden von 14.30 bis 16.30 Uhr die Tür für Menschen mit wenig Geld, die sich ohne die Hilfe der Tafel so manches auf dem Speiseplan verkneifen müssten.

400 Menschen werden unterstützt

An diesem Dienstag hält sich der Andrang in Grenzen. Kurz nach der Öffnung wandert eine Handvoll Kunden von Tresen zu Tresen, einige weitere warten draußen. "Am Monatsanfang kommen immer weniger", weiß Günther Obermeyer aus Erfahrung. An den jeweiligen Öffnungstagen der Tafel zählen sie dann meist um die 40 Kunden, an diesem Nachmittag werden es 32 sein. Am Monatsende, wenn das Geld zur Neige gehe, sei der Zulauf größer: "Dann kommen pro Öffnungstag meist 50 bis 60."

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Die Ausgabestelle in Schwanewede, die zur Osterholzer Tafel gehört, unterstützt aktuell 160 Haushalte. Dahinter stehen laut Herbert Brandt 400 Köpfe: 220 Erwachsene und 180 Kinder. Es seien auch schon mal um die 500 Bedürftige gewesen, erzählt der Leuchtenburger, der zusammen mit Obermeyer bei der Ausgabestelle mit ihren rund 50 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern die Fäden in der Hand hat. Vor allem die Flüchtlingswelle zu Beginn des Ukraine-Krieges habe seinerzeit die Zahlen steigen lassen. Inzwischen habe sich die Zahl bei rund 400 Bedürftigen eingependelt, "je zur Hälfte Flüchtlinge und Deutsche". Einen höheren Zulauf durch die steigenden Lebenshaltungskosten registrieren sie bei der Schwaneweder Tafel nach eigenen Angaben nicht. "Wer in Not ist, für den ist es immer eng", meint Obermeyer.

Lebensmittel für eine Woche

Wer die Tafel aufsucht, ist nachweislich in Not. Wer von Sozialleistungen lebt oder wer trotz Arbeit so wenig verdient, dass er auf Unterstützung angewiesen ist, kann sich dort für einen kleinen Obolus für eine Woche mit Lebensmitteln versorgen. Erwachsene zahlen pro Person und Besuch zwei Euro, Kinder einen Euro, der Höchstsatz sind sieben Euro. Die Berechtigung muss nachgewiesen werden, dann gibt's den Tafelausweis.

Alina Petyk aus der Ukraine hat einen. Die 32-Jährige ist vor dem Krieg in ihrem Land geflüchtet. Seit etwas mehr als zwei Jahren lebt sie in Schwanewede, seit eineinhalb Jahren steuert sie jeden Dienstag die Tafel an, um für sich und ihre Tochter Vladyslava einzukaufen. Die Zehnjährige begleitet an diesem Nachmittag ihre Mutter. Sie beziehe monatlich 500 Euro Bürgergeld und 250 Euro Kindergeld, erzählt Alina Petyk. Das Geld reiche aber oft nicht, sagt die gelernte Buchhalterin. "Die Tafel hilft uns da sehr." Vor allem Obst und Gemüse hole sie in der Ausgabestelle. Weißkohl, Pilze, Kartoffeln, Bananen und Honigmelone füllen an diesem Dienstag die Einkaufstaschen von Mutter und Tochter. Eier, Käse und Milch hingegen müsse sie im Supermarkt kaufen. "Die gibt es hier bei der Tafel eher selten."

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"Molkereiprodukte sind besonders gefragt, aber die bekommen wir kaum noch", bestätigt Günther Obermeyer. Früher habe die Tafel viel von der Metro in Bremen bekommen, doch die sei lange geschlossen. Außerdem reduzieren die Märkte durch eine ausgefeiltere Logistik ihre Überschüsse, fügt Herbert Brandt hinzu. Die Schwaneweder behelfen sich, indem sie Lebensmittel auch von auswärtigen Tafeln in Bremen, Bremerhaven, Wildeshausen und Delmenhorst holen. "Ohne den Austausch sähe es schlecht aus", sagt Obermeyer.

Frisches Obst und Gemüse

Alina Petyk und ihre Tochter sind inzwischen bei Hilda Müller angekommen, die das Ausgabe-Team leitet. Hinter ihr reihen sich Regale mit Nudeln, Backmischungen, Chips, Essig, Tee, Schokolade, Gurkengläsern und anderen haltbaren Lebensmitteln. Müller greift querbeet hinein, eine Packung Sonnencreme gibt's für Mutter und Tochter auch noch dazu. "Die kann man heute gut gebrauchen", meint sie mit Blick auf den strahlenden Sonnenschein und die Hitze draußen.

Begehrt sind an diesem Tag auch die Melonen. "Zehn Stück hatten wir heute, die sind alle weg", stellt Nicole Neumann fest, die seit drei Jahren bei der Tafel mithilft. "Kinder freuen sich immer über Erdbeeren und Himbeeren." Mit drei weiteren Helferinnen legt sie Obst und Gemüse für die Kunden vor dem Tresen bereit. So schnell wie sie Äpfel, Weintrauben, Orangen, Bananen, Paprika, Kohl, Wurzeln und Kartoffeln in Schalen und Körbe füllen, so schnell werden die auf der anderen Tresenseite in Plastiktüten und Einkaufswägelchen verstaut. Die ausgeteilte Menge richtet sich dabei nach der Anzahl der Personen in einem Haushalt.

Und die kündigt Bernd Richard, der die Kunden einer nach dem anderen einlässt, den Helferinnen an. "Eine Person", ruft er in den Raum. Irena Stukalo ist an der Reihe. Seit drei Jahren wohne sie in Schwanewede, erzählt die Ukrainerin. In ihrer Heimat habe sie als Englischlehrerin gearbeitet, jetzt suche sie in Deutschland Arbeit. "Doch das ist schwierig", sagt die 53-Jährige. Von den Sozialleistungen, die sie beziehe, blieben ihr nach Abzug von Ausgaben für Strom, Mobiltelefon, Internet und Deutschland-Ticket 340 Euro monatlich zum Leben. Die Tafel nutze sie sei einem Jahr. "Das Gemüse und Obst ist hier schön frisch und das Brot ist super. Im Supermarkt kauft ich nicht so oft ein. Nur das, was es bei der Tafel nicht gibt, wie Fleisch oder Fisch", sagt sie, bevor sie mit zwei vollen Taschen und einem Einkaufstrolley von dannen zieht.

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