Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Teures Leben Mittagstisch der Kirchengemeinde Lesum hilft auch beim Sparen

Sie schätzen die Geselligkeit und manch einem Gast schonen die Speisenangebote der Nordbremer Kirchengemeinden auch den Geldbeutel. Die Not, sagen die Organisatoren, ist spürbar größer geworden.
21.06.2025, 12:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Ulrike Schumacher

Gefühlt wird alles immer teurer – und zwar schneller als noch vor Jahren. Wegen der Corona-Pandemie konnte nicht so zügig produziert werden wie bisher, sodass Produkte mehr kosteten als sonst. Dann kam der Ukraine-Krieg, der zusätzlich für Lieferengpässe sorgte und die Preise noch mal nach oben trieb. Und nun drohen Zölle die Inflation zu befeuern. In der Serie "Teures Leben" wollen wir aufzeigen, wie sich der Alltag für Nordbremer verändert hat, wozu Helfer raten und wie Anlaufstellen und Firmen gegensteuern. In der zweiten Folge geht es um die Speiseangebote der Nordbremer Kirchengemeinden.

Ein würzig-warmer Duft zieht durch das Gemeindehaus der Lesumer Kirche St. Martini. Er strömt aus der Küche in der unteren Etage nach oben in den Gemeindesaal, wo auf mehreren Tischen gelbe und grüne Decken liegen, darauf jeweils eine Vase mit Rosen, daneben eine brennende Kerze und eine Karaffe mit Wasser. An diesem Freitag steht – wie alle zwei Wochen – wieder ein Mittagessen auf dem Plan der Kirchengemeinde. Dafür haben drei Frauen und zwei Männer seit halb elf in der Küche gewirbelt, um etwas Leckeres auf den Tisch zu bringen, wobei das Küchenteam auch gern mal international unterwegs ist. Paella gab es schon, ein niederländisches Nationalgericht oder auch typisches Essen der Cook Islands. Und heute? Gehen Norddeutschland und Italien eine kulinarische Verbindung ein.

Felix Bunzel und Reinhold Koch deuten auf die beiden Backöfen. "Wir haben uns für Grünkohl-Lasagne entschieden", erzählen sie. Vom klassischen Grünkohlessen vor Wochen war noch ein großer Rest eingefroren. Den haben sie zusammen mit Kochwurststücken und Lasagneblättern in Auflaufformen geschichtet und auch an eine vegetarische Variante gedacht. Diakonin Elfi Heinrichs hat ein bisschen gebibbert angesichts der frühlingshaften Tage. Warmer Sonnenschein macht keinen Kohldampf. Aber glücklicherweise hatte dieser Tag ziemlich kühl begonnen. Grünkohl passt also bestens. Und schmeckt allen köstlich.

Viele Stammgäste

Für über 20 Leute hat Monika Brückner am Vormittag eingedeckt. Wie viele Mittagsgäste kommen, wissen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vorher nie. Manchmal sind es 30 Männer und Frauen, manchmal 20, berichten Coby Wittke und Marlies Arand. Aber viele würden sich schon als Stammgäste bezeichnen. Entsprechend groß ist das Hallo, als sich nach der kurzen Andacht in der Kirche der Gemeindesaal füllt. "Wir haben hier eine schöne Gemeinschaft", sagt Gertrud Brüning, mit ihren Tischnachbarn munter im Gespräch. Seit sie allein lebe, nutze sie dieses gemeinsame Mittagessen gern. "Das hilft mir für den Neuanfang." Edeltraud Ulrich, ebenfalls Lesumerin, hebt hervor, dass sie sich in der christlichen Gemeinschaft sehr wohlfühlen.

Die Geselligkeit, bestätigt Pastorin Ulrike Bänsch vom evangelischen Gemeindeverbund Aumund-Vegesack, ist ein wichtiger Grund, den Mittagstisch und das Seniorenfrühstück zu nutzen, das in Aumund angeboten wird. Ehrenamtliche sorgen dafür. Sie organisieren außerdem regelmäßig ein Mittagessen für Obdachlose. Die verschiedenen Speisenangebote sind eine ökumenische Gemeinschaftsaktion der Nordbremer Kirchengemeinden. Sie kommen auch denjenigen entgegen, die mit ihrem Geld sehr rechnen müssen. Sowohl Ulrike Bänsch als auch Elfi Heinrichs berichten, dass die Nachfrage zugenommen hat. "Wir sehen, dass jetzt auch Menschen nach Bremen-Nord kommen, die sonst die Speisenangebote in der Innenstadt nutzen", sagt Elfi Heinrichs. "Wir haben schon das Gefühl, dass die Not größer wird", meint Ulrike Bänsch. Senioren würden klagen, "dass jeder Einkauf teurer geworden ist".

Lesen Sie auch

Zu denen, die von Mittagstisch zu Mittagstisch tingeln, gehört auch Angj. Mehr möchte die 68-Jährige, die das Mittagessen im Lesumer Gemeindesaal genießt, von ihrem Namen nicht preisgeben. "Wer mich kennt, weiß, dass ich das bin", sagt sie und knuddelt ihre kleine Hundedame Lady. Die Chihuahua-Hündin ist immer dabei, wenn die Nordbremerin unterwegs ist. Was nahezu täglich vorkommt. Angj ist bestens darüber informiert, an welchen Orten sie von Montag bis Sonntag für umsonst oder wenig Geld Frühstück oder Mittagessen bekommen kann. Es bliebe ihr auch nichts anderes übrig, fügt sie hinzu. "Die Miete für meine Wohnung ist höher als die Rente, die ich bekomme." 610 Euro und 20 Cent Warmmiete müsse sie monatlich überweisen. Für den Stromverbrauch würden zusätzlich noch 50 Euro anfallen. Das Stadtticket für Bus und Bahn koste 35 Euro und 20 Cent. So sieht die Liste ihrer festen Ausgaben aus. Auf der Einnahmenseite stehen zwei Posten: ihre Rente, die bei 578 Euro liege sowie die rund 300 Euro, die sie vom Sozialamt dazubekomme. Wenn Angj für Medikamente zuzahlen muss, kann es eng werden. Oder wenn es ihr nicht möglich ist, von Mittagstisch zu Mittagstisch zu tingeln. Wie kürzlich. "Ich war gerade drei Wochen krank, und jetzt bin ich pleite."

In ganz Bremen unterwegs

Wenn Angj unterwegs sein kann, ist sie montags in der Liebfrauenkirche, wo im Winter neben Frühstück und Mittagessen auch Gottesdienst und Kulturprogramm geboten wird. Außerdem Kaffee und Kuchen. Zur wärmeren Jahreszeit ab April gebe es drei halbe belegte Brötchen und Kaffee und Tee. Weitere Stationen seien der Platz vor dem Cinemax-Kino, wo es auch Kleiderspenden gebe, das Billard-Café in der Kreuzgemeinde am Hauptbahnhof, der Mittagstisch in Blumenthal oder in Vegesack, "wo alle drei Wochen auch der Verein Straßenhunde Futter verteilt", der Treff an der Ecke Altenwall/Tiefer, wo es fast täglich ein warmes Abendessen gibt oder die Ansgarii-Gemeinde in Schwachhausen.

Lesen Sie auch

Die Seniorin könnte noch mehr Anlaufstellen nennen. Die Suppenengel zum Beispiel und die Oase im Schnoor, wo man donnerstags und freitags zum Mitnehmen eine Tüte mit Brötchen und Obst und auch Warmgetränke erhält. "So etwas", erzählt sie, "würde ich auch gern für Bremen-Nord aufbauen." Weil in Marßel, St. Magnus, Schönebeck und Burgdamm "viele alte Leute wohnen, die gar nicht in die Stadt kommen können." All diese Angebote nutze sie, sagt Angj, "weil ich es brauche und weil ich es auch schön finde". Dadurch, dass sie regelmäßig an verschiedenen Mittagstischen sitzt, habe sie schon Freundschaften geknüpft. "Auch hier in Lesum", sagt sie, während sie nach der Lasagne noch Dessert und Kaffee genießt, "sind viele Leute, die ich gern mag".

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)