Der Landkreis Osterholz sucht nach geeigneten Flächen für den Windenergie-Ausbau. Nach einer Vorgabe des Landes Niedersachsen müssen nach derzeitigem Stand mindestens 1,26 Prozent der Kreisfläche für weitere Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden. Bis Ende 2026 muss der Kreis Suchräume für künftige Vorranggebiete festlegen. Ein erstes Konzept sieht 14 Suchflächen vor, fünf davon liegen in der Gemeinde Schwanewede. Im dortigen Ausschuss für Planung und Gemeindeentwicklung gab es am Donnerstag bei der Vorstellung des Entwurfes durch Vertreter der Kreisverwaltung viele Fragen.
Wie groß das Interesse auch in der Bevölkerung an dem Thema ist, zeigte der Besucherdrang zur öffentlichen Sitzung: Fast 60 Bürgerinnen und Bürger waren ins Rathaus gekommen. Das Verfahren stehe noch ganz am Anfang, betonte Dominik Vinbruck, Kreisdezernent für Ordnung, Bauen und Umwelt. Eine formelle Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange sei für 2024 vorgesehen. "Die Suchflächen sind noch keine Vorranggebiete", erklärte Friederike Piechotta, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamtes beim Kreis. Die Vorranggebiete würden erst im Rahmen des neu aufzustellenden Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) für den Landkreis festgelegt.
Die in einem automatisierten Verfahren anhand vorhandener Daten ermittelten 14 Suchräume umfassen insgesamt 31,71 Quadratkilometer. Das entspricht 4,9 Prozent der Kreisfläche. Das ist mehr, als das Land vorgibt. Der Kreis plant laut Piechotta bewusst mit mehr – für den Fall, dass die eine oder andere Fläche im weiteren Verfahren noch wegfallen könnte. Sei es, weil sie sich bei der noch geplanten näheren Betrachtung und Bewertung als ungeeignet erweist oder aber aufgrund eventueller Gerichtsurteile. In der Kreisverwaltung rechnen sie mit Gegenwind. Die Planung werde "an verschiedenen Stellen richtig wehtun, das ist uns bewusst", sagte Piechotta.
Abstand zur Wohnbebauung
Bei der Ermittlung geeigneter Flächen hat der Kreis Gebiete aus "tatsächlichen oder rechtlichen", planerischen oder artenschutzrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Ein wichtiges Kriterium war mangelnder Abstand künftiger Windkraftanlagen zur Wohnbebauung. Der Berechnung zugrunde lag eine 250 Meter hohe Referenzanlage mit einem Rotordurchmesser von 165 Metern und einem Rotoradius von 82,5 Metern. Nach dem vorliegenden Konzept müssen künftige Windkraftanlagen mindestens 417,5 Meter Abstand zu Wohngebäuden halten (zweifache Höhe der Referenzanlage abzüglich des Rotorradius'). Der Rotorradius wird abgezogen, weil der Landkreis Osterholz für sein Regionales Raumordnungsprogramm plant, dass die Rotoren der Windkraftanlagen komplett innerhalb der Vorranggebiete liegen.
Von den 31,71 Quadratkilometern Kreisfläche für die Windenergie entfallen laut Piechotta 12,67 Quadratkilometer – etwa 40 Prozent – auf die Gemeinde Schwanewede. Es geht um fünf Suchräume: die Schwaneweder Marsch zwischen Aschwarden, Meyenburg und Hinnebeck; Schmidts Kiefern zwischen Meyenburg, Eggestedt und Brundorf; im Gebiet Löhnhorst/Stendorf; einen Bereich südwestlich der ehemaligen Lützow-Kaserne in Schwanewede; den Düngel zwischen Meyenburg und Garlstedt.
Im Ausschuss gab es zahlreiche Fragen, auch Bedenken wurden laut. Nach welchen Kriterien die Referenzanlage ausgewählt worden sei, wollte Anita Vassmer (SPD) wissen. Der Kreis müsse "marktgängige Anlagen" berücksichtigen, erklärte Dominik Vinbruck. Schon jetzt seien 240 Meter hohe Anlagen auf dem Markt, künftig sei mit noch höheren Anlagen zu rechnen. Durch die gewählte Referenzanlage ergäben sich zudem hohe Mindestabstände zu Wohnanlagen. Ob das bei Hinnebeck geplante Umspannwerk für den Ersatzneubau der Elbe-Weser-Stromleitung in der Planung berücksichtigt wird, fragte Rieke Schwanewede (CDU). "Wir werden das Umspannwerk zu dem Stand, wie es bekannt ist, in die Planung einbeziehen", antwortete Vinbruck. Bernhard Wendelken (Wählergemeinschaft) erfuhr von Friederike Piechotta auf Nachfrage, dass Windkraftanlagen nach neuer Gesetzeslage auch in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden dürfen. Mit einer Ausnahme, fügte Dominik Vinbruck hinzu: In Landschaftsschutzgebieten, die EU-Vogelschutzgebiete sichern, seien sie verboten.
Bedenken gegen Suchflächen
Von der Bürgerinitiative, die gegen den Windpark Viehsteige bei Meyenburg/Aschwarden protestierte, meldete sich Hans Schulze-Eickenbusch zu Wort. Er vermisste im Konzept Aussagen zum Umgang mit vorhandenen Windkraftanlagen und mit Überschwemmungsgebieten. Dazu sagte Vinbruck: Auf das Teilflächenziel von 1,26 Prozent der Kreisfläche dürften nur Vorranggebiete ohne Höhenbegrenzung angerechnet werden. "Wir gehen davon aus, dass die anrechnungsfähigen Bestandsanlagen auch in den künftigen Vorranggebieten liegen werden." Eine von Martin Kai Köpke (CDU) geforderte Karte mit den Schwaneweder Bestandsanlagen will der Landkreis erstellen. Überschwemmungsgebiete stehen laut Vinbruck einer Windkraftplanung nicht entgegen.
"Erschrocken über die große Fläche in der Schwaneweder Marsch", zeigte sich Dörte Gedat. "So darf es in diesem Bereich nicht kommen." Die Grüne sorgt sich auch um die geschützten Wallhecken bei Löhnhorst. "Wir werden uns das vor Ort noch mal angucken", versprach Vinbruck. Auf Anregung von Arnold Neugebohrn (Gruppe FDP/unabhängig links) will der Kreis zudem prüfen, ob sich Potenzialflächen entlang der Autobahn 27 erweitern lassen, um dafür nicht-vorbelastete Flächen an anderer Stelle zu schonen. Für die SPD sagte Dominik Schmengler: "Wir werden die Anlagen nicht verhindern können. Wir sollten schauen, welche Möglichkeiten es gibt, dass wir als Gemeinde davon einen Nutzen haben."
Die Diskussion über das Windenergiekonzept wird jetzt in den Fraktionen fortgesetzt.