Herr Gresens, der erste Eintrag, in dem Ihr Name in unserem digitalen Zeitungsarchiv auftaucht, datiert vom 28. September 2004. Es ist der Bericht zu einem B-Junioren-Spiel des Blumenthaler SV gegen den SV Werder Bremen, das sie damals mit den Grün-Weißen 13:1 gewonnen haben – Torschützen waren unter anderem: Dennis Diekmeier, Philipp Bargfrede und ein gewisser Nils Gresens. Haben sie da noch Erinnerungen dran?
Nils Gresens: An dieses konkrete Spiel nicht. Aber natürlich an die Zeit bei Werder. Mit Philipp Bargfrede hatte ich relativ wenig zu tun, aber mit Dennis Diekmeier war ich wirklich sehr gut befreundet. Wir waren bei Trainingslagern immer zusammen im Zimmer und haben uns vor dem Training immer am Bremer Hauptbahnhof getroffen, um vorn dort gemeinsam zum Weserstadion zu fahren.
Wenn es zwei Jungs aus dem selbem Jahrgang später in die Bundesliga schaffen, fragt man sich da nicht manchmal, ob man es auch hätte schaffen können?
Nein, Philipp Bargfrede wurde beispielsweise schon sehr früh eine Altersstufe nach oben gezogen. Und Dennis hatte im Vergleich zu mir etwas, was ich nie in der Form besessen habe: Schnelligkeit. Und später hatte er in Horst Hrubesch bei der Jugend-Nationalmannschaft einen sehr prominenten Förderer.
Im Zusammenhang mit dem SV Blau-Weiß Bornreihe wird Ihr Name erstmals am 15. Mai 2008 in der Zeitung erwähnt. Damals wurden Sie als Neuzugang bei den „Moorteufeln“ präsentiert. Können Sie sich eigentlich noch an Ihre erste Fahrt ins Teufelsmoor erinnern?
Das kann ich tatsächlich noch ganz gut. Ich bin ja in Bremen-Findorff aufgewachsen und mein Vater hat die großen Zeiten des ESV Blau-Weiß Bremen mitgemacht. Über diese Schiene war auch der Name Blau-Weiß Bornreihe bei uns ein Begriff.
Dennoch war es ja keineswegs normal, dass ein 18-jähriger Junge aus der Stadt den weiten Weg in den Landkreis Osterholz findet.
Für mich ging es aber nie darum, irgendwo in der Regionalliga unterzukommen. Mit Ende der Jugendzeit lag mein Fokus auf einer vernünftigen Ausbildung, parallel dazu wollte ich so hoch spielen, wie möglich. Aber eine Profilaufbahn war für mich überhaupt kein Thema mehr. Stattdessen hatte ich damals bei allen Topteams der Bremen-Liga mittrainiert, aber das hat mich alles nicht so richtig überzeugt. Deshalb habe ich mich dann im Bremer Umland umgesehen, da kamen damals der Rotenburger SV, TB Uphusen und eben Bornreihe in die engere Auswahl. Nach meinem ersten Probetraining in Bornreihe war die Entscheidung dann aber eigentlich bereits getroffen.
Was hat den Ausschlag gegeben?
Zum einen natürlich, dass mit Henry Sung und Sören Czyborra zwei Jungs aus gemeinsamen Werder-Zeiten auch nach Bornreihe gegangen waren und viel Positives berichteten. Mit Jonathan Klimmek gab es zudem noch eine weitere Überschneidung. Ich habe mich aber auch vom ersten Tag an einfach extrem wohlgefühlt in Bornreihe.
Und als Stadtkind wirklich niemals gehadert mit diesem langen und beschwerlichen Anfahrtsweg?
Nein, niemals. Das habe ich wirklich nie als Belastung empfunden, ganz im Gegenteil. Am Anfang bin ich sogar noch den Umweg über Lilienthal gefahren, um dann von dort aus gemeinsam mit Jonathan Klimmek zum Training zu fahren.
Haben Sie noch Erinnerungen an Ihr erstes Punktspiel für Bornreihe?
Nein, aber an mein allererstes Vorbereitungsspiel kann ich mich noch erinnern. Das war irgendwo Richtung Bokel raus und ich habe im linken Mittelfeld gespielt.
Gab es in dieser Anfangsphase jemanden, der sie besonders geprägt hat? Mit André Lütjen, Bernd Böschen und Torsten Plewa hatten ja gerade einige Ur-Bornreiher aufgehört.
Das stimmt, aber wir hatten mit Florian Leschnick, Marcel Baake, Marcel Konoppa oder Tino Brünjes noch genügend erfahrene alteingesessene Spieler im Kader. Mich hat in dieser Zeit besonders ein Erlebnis geprägt.
Und zwar?
Bei einer Spielform habe ich mal Torhüter Florian Leschnik getunnelt. Kurz danach gab es praktisch dieselbe Situation noch einmal. Ich kam aber nicht mal dazu, den Ball zu spielen, da hatte Leschi mich schon mit beiden Beinen voran rasiert. Ich lag dann da am Boden und alles, was die älteren Spieler riefen, war: „Steh auf, das war überhaupt nichts.“ Ich bin dann aufgestanden und hab ganz bewusst meine Klappe gehalten und einfach weitergespielt. Rückblickend glaube ich, war das ein Moment, wo viele gedacht haben: Wow, der kann und traut sich was, der steckt aber auch ein.
Wann haben Sie gemerkt, dass dieser Verein irgendwie anders ist?
Das Besondere hat sich erst später herauskristallisiert. Ich hatte ja als junger Spieler auch überhaupt keine Vergleichswerte, wusste nicht, wie es woanders war. Das habe ich dann später immer wieder mitgekriegt, wenn Neuzugänge erzählt haben, was woanders alles schiefläuft. Ich persönlich habe es in 16 Jahren Bornreihe nicht ein einziges Mal erlebt, dass Absprachen, ganz gleich welcher Art, nicht eingehalten wurden.
Aber kamen denn nicht reihenweise Anfragen und Angebote von anderen Vereinen reingeflattert?
Natürlich hab auch ich immer mal wieder Gespräche geführt, einfach auch, um mal gewisse Dinge auszuloten. Die Bremer Vereine wollten immer wieder mit dem kurzen Weg in die Regionalliga ködern, aber am Ende hat es ja eigentlich nie einer geschafft. Deshalb habe ich auch fast alles immer sehr schnell abgesagt und ein weiteres Jahr in Bornreihe verlängert. Ich hatte da immer eine offene Kommunikation mit allen Verantwortlichen in Bornreihe.
Also gab es nie den Moment, in dem ein Vereinswechsel kurz bevorstand?
Nein, ich habe mich immer sehr früh zu Bornreihe bekannt. Allerdings gab es die Vereinbarung, dass ich bei einem außergewöhnlichen Angebot noch mal mit diesem Verein hätte sprechen können.
Aber diese Anfrage kam offenbar nicht, und so sind Sie nach der Generation Lütjen/Böschen mehr und mehr zum nächsten Bornreiher Gesicht geworden. Ist Ihnen das eigentlich irgendwann bewusst gewesen, dass Sie das Jahrzehnt von 2010 bis 2020 mehr geprägt haben, als jeder andere Spieler der Blau-Weißen?
Eine entscheidende Veränderung kam 2011 mit Matthias Ruländer. Er brachte vom VSK viele junge Spieler mit, Philip Bähr, Torben Poppe oder Christian Leopold und hat ganz strikt einige der alten Bornreiher Spieler rasiert. In diesem Zuge hat er mich auch zum Kapitän ernannt. Das kam nicht nur für mich damals sehr überraschend. Da habe ich zum ersten Mal ganz deutlich gespürt, dass ich eine andere Verantwortung habe. Zum Glück haben mich die alten Leitwölfe wie Tino Brünjes oder Julian Geils dann aber komplett unterstützt. Mir war es dann extrem wichtig, dieses Amt vor allem über meine Leistung zu rechtfertigen. Aber natürlich war es auch Motivation und Antrieb, den Verein ein Stück weit zu prägen.
Das haben Sie dann ja auch nachhaltig getan. Was waren rückblickend denn die größten Erfolge?
Natürlich sind da die beiden Oberliga-Aufstiege zu nennen. So etwas einmal als Kapitän und einmal als Trainer erleben zu dürfen, war schon außergewöhnlich. Aber es gab da natürlich auch viele kleine Dinge, die einen persönlich geprägt haben.
Haben Sie ein Beispiel?
In der zweiten Saison unter Matthias Ruländer lief es für mich besonders gut. In einem Heimspiel gegen Celle lagen wir zur Pause mit 0:3 hinten, am Ende haben wir 4:3 gewonnen, ich habe das 3:3 erzielt und dann in der letzten Minute sogar noch den Elfmeter zum 4:3 verwandelt. Es war eine unfassbare Stimmung auf dem Platz bei Postels. So etwas vergisst man einfach nicht. Aber auch die Derbys gegen den VSK Osterholz-Scharmbeck waren natürlich immer sehr speziell.
Und auf welche Erlebnisse hätten Sie gerne verzichtet?
Natürlich die beiden Oberliga-Abstiege. Vor allem die erste Saison 2016/2017 war wirklich nicht schön. Da wurden einige falsche personelle Entscheidungen getroffen, die trübe Stimmung zog sich wie ein roter Faden durch die ganze Saison. Tiefpunkt war dann ein 1:9 in Northeim, wo wir mit Spielern der zweiten und dritten Mannschaft hinfahren musste, weil einige aus dem eigentlichen Oberliga-Kader schlichtweg nicht mehr mitfahren wollten. Zu allem Überfluss ist mir dort dann auch noch ein Eigentor unterlaufen.