Die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe gilt als eines der Aushängeschilder im Osterholzer Kreiskrankenhaus. Wenn dort der Chefarzt nach kaum vier Jahren das Haus wieder verlässt, dann ist das ein Vorgang, der Beschäftigte und Trägervertreter der kreiseigenen Klinik nervös machen kann. Umso erleichterter scheinen diese, mit dem Nachfolger nach zweimonatiger Vakanz nun eine ausgewiesene Koryphäe präsentieren zu können. Die Namen zur Nachricht: Chefarzt Wladimir Pauker ist am 1. März vom Agaplesion-Klinikum in Rotenburg (Wümme) in selber Funktion ans Kreiskrankenhaus gewechselt. Der 58-jährige Doktor der Medizin tritt die Nachfolge des promovierten Gynäkologen Gunnar Bohlen (43) an, der sich Ende 2024 auf ästhetische Medizin verlegt und mit einer Privatpraxis in Bremen-Blumenthal niedergelassen hat.
Landrat Bernd Lütjen und Klinikchefin Doris Sonström verteilten zur Begrüßung einige Vorschusslorbeeren an den gebürtigen Aserbaidschaner, der 1989 an der Medizinischen Universität Moskau das Staatsexamen machte und der 1997 nach der Verleihung des russischen Doktortitels nach Deutschland zog. Pauker besitzt mit der sogenannten Gleichwertigkeitsprüfung seit 2006 die Approbation, als Arzt in Deutschland praktizieren zu dürfen. Ab 2013 war er zunächst als Chefarzt der Gynäkologie im Klinikum Bremen-Nord tätig und ging von dort 2019 als Abteilungsleiter nach Rotenburg.
"Hier kann noch etwas wachsen"
Nun also Osterholz, mit jährlich 400 bis 500 Entbindungen kaum halb so groß wie der vorige Wirkungskreis. "In Bremen-Nord waren es noch mehr; etwa 2300 Geburten pro Jahr", erinnert sich Pauker, für den es eine bewusste Entscheidung war, an ein kleineres Haus zu wechseln. "Große Einrichtungen haben feste Strukturen; hier kann noch etwas wachsen." Darin liege für ihn der Reiz, sagt er. "Die Wege sind kurz, das macht beweglich." Hinzu komme die nagelneue Intensivstation, die vor einem halben Jahr in Betrieb ging. Die sei moderner als alle bisherigen Stationen seiner Laufbahn, lobt Wladimir Pauker.
Die Gesundheitsdezernentin Heike Schumacher und der Werksausschussvorsitzende Wilfried Pallasch hörten den Worten des Nordbremers aufmerksam zu. Der neue Mann bringt einige Zusatzqualifikationen mit, die das Klinik-Portfolio zum Wohle der Patientinnen und des Hauses vielfältig erweitern können. Seit 2010 ist Pauker auf gynäkologische Krebserkrankungen spezialisiert und seit 2013 führt er außerdem die Schwerpunktbezeichnung für spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin, also die gesundheitliche Versorgung von Schwangeren und Fötus kurz vor und nach der Geburt. Darüber hinaus versteht sich der neue Chefarzt auf endoskopische und minimalinvasive Eingriffe im Bereich der Gynäkologie; er besitzt dafür die höchstmögliche Zertifizierung (Mic III). Und schließlich gilt Pauker mit der sogenannten Agub-II-Zertifizierung auch als spezialisierter Facharzt auf dem urologischen Feld der Gynäkologie.
Spezialist erweitert das Spektrum
Ein solches Spektrum an Erfahrung und Qualifikation, um auch komplexere Eingriffe vornehmen zu können, habe das Kreiskrankenhaus bisher nicht bieten können, betont Klinikleiterin Sonström. Die gynäkologisch-geburtshilfliche Abteilung verfügt nach ihren Worten über zwölf Planbetten und versorgt im Jahr etwa 800 Patientinnen stationär. Zu den jährlich 400 bis 500 Babys, die in Osterholz in familiärer Atmosphäre das Licht der Welt erblicken, kommen pro Jahr etwa 350 stationäre Operationen sowie weitere 350 ambulante Eingriffe. Kenner der Szene beklagen seit einiger Zeit eine große Diskrepanz bei der Krankenhausfinanzierung: So wichtig Geburten für Ruf und Image eines Hauses sind – wirtschaftlich machen sie sich im Klinikbetrieb meist weniger bezahlt.
Kreispolitiker Pallasch unterstreicht, Wladimir Pauker habe schon in Bremen-Nord von sich reden gemacht; nun stärke er einen bedeutenden Bereich der Osterholzer Klinik, deren weitere Säulen die Innere Abteilung und die Chirurgie sind. Landrat Lütjen kommentiert: "Das ist wichtig für uns in der jetzigen Phase, wo viele kleinere Häuser Schwierigkeiten haben und genau durchleuchtet werden." Politik und Verwaltung stünden allerdings voller Überzeugung hinter dem Eigenbetrieb, der zudem über "ein tolles Team" verfüge. Mit der neuen Intensivstation sei die Weiterentwicklung der Klinik auch keineswegs beendet: "Wir haben noch einiges vor", betonte der Landrat bei der Amtseinführung, an der Hebammen, Pfleger und Ärzte aus den Abteilungen sowie auch ehemalige Weggefährten Paukers teilnahmen.
Zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen zählt der neue Chefarzt das Kochen und den heimischen Garten. Wladimir Paukers Ehefrau Larissa Pravoslavnova war jetzt ebenfalls zur Feierstunde gekommen; die beiden haben vier Kinder – darunter Drillinge –, die sie gewissermaßen gemeinsam zur Welt gebracht haben.