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Als Modellversuch gestartet Jugendamt Osterholz: Familienbegleiter helfen bei Krisenprävention

Das Jugendamt Osterholz setzt seit 2014 auf Familienbegleiter zur Krisenprävention. Sie sollen rasche Hilfe bieten, bevor Probleme in Erziehung und Entwicklung überhandnehmen. Der Ansatz bewährt sich offenbar.
07.01.2025, 05:00 Uhr
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Jugendamt Osterholz: Familienbegleiter helfen bei Krisenprävention
Von Bernhard Komesker

Die Familienbegleiter, die im Jahr 2014 als schnelle Eingreiftruppe beim Osterholzer Jugendamt etabliert wurden, haben sich aus Sicht der Behörde und vieler Eltern voll und ganz bewährt und bezahlt gemacht. Sie werden niedrigschwellig auf Antrag von Erziehungsberechtigten einige Monate lang tätig, bevor familiäre Schwierigkeiten eskalieren und zu einem Problemknäuel anwachsen können. Inzwischen sind die Familienbegleiter in vielen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit im Kreisgebiet bekannt.

Nicht selten sind es Lehrkräfte, die es den Eltern betroffener Kinder nahelegen, sich bei Auffälligkeiten oder Konflikten einmal unverbindlich an das Team von Sachgebietsleiterin Yvonne Höpfner zu wenden. "Schulschwänzen, Zeugnissorgen oder auch plötzliche Arbeitslosigkeit der Eltern sind häufige Themen." Aus anfangs fünf Vollzeitkräften waren wegen des großen Erfolgs bereits 2016 insgesamt zehn Stellen geworden. Seit dem Start des Angebots erreichte das ambulante Angebot nach Angaben der Teamleiterin inzwischen rund 2500 Kinder und Jugendliche aus etwa 1000 Familien.

"Schnell rein, schnell raus"

Die Einzelfallhilfen sind auf sechs bis zwölf Monate angelegt; sie haben den seit Jahren zu beobachtenden Anstieg der Fallzahlen in der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) merklich abbremsen können. Für die SPFH sieht der Gesetzgeber umfassende Hilfeplanverfahren vor, die in der Regel auch mehr Zeit brauchen. "Bei Kindeswohlgefährdung oder akuter Drogensucht der Eltern sind wir die falsche Adresse", betont Höpfner. Dafür gibt es einen eigenen Krisendienst im Jugendamt.

Aber unterhalb einer 24/7-Erreichbarkeit schließen die Familienbegleiter aus dem Kreishaus immer wieder Angebotslücken. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge etwa hatten sie in Schwanewede rasch Deutschunterricht und Busfahrtrainings organisiert, bis die freien Träger vor Ort weitere Betreuungsaufgaben übernehmen konnten. "Schnell rein, schnell raus", laute die Devise der Begleitung, so Höpfner. Diese Beweglichkeit sei das große Plus der Arbeit, wobei man sich als Ergänzung im Anbieternetz der Familienhilfe sehe.

Maßgeschneiderte Hilfe zur Selbsthilfe

Familienbegleitung kann, wie das Beispiel der Geflüchteten zeigt, auch auf die Schaffung von Gruppenangeboten hinauslaufen. Diese sind dann ebenfalls auf höchstens ein Jahr befristet. So gab es zuletzt eine erlebnispädagogische Gruppe junger Klienten mit auffälligem Sozialverhalten. "Kein teilnehmendes Kind hat danach noch eine Anschlusshilfe benötigt", berichtet Yvonne Höpfner. Inzwischen bahne sich Vergleichbares für ein neues Projekt rund um Ernährung und problematisches Essverhalten ab; das Gruppenangebot werde bei Bewegung und Selbstbehauptung ansetzen. Grundlage der Begleitung seien stets die freiwillige Mitwirkung und die Veränderungsbereitschaft; dann könne die Hilfe zur Selbsthilfe umso leichter greifen. Eine Beendigung durch die Begleiteten sei auch jederzeit möglich.

Nach Einschätzung der Landkreis-Mitarbeiterin färbt die Familienbegleitung positiv auf das Image der gesamten Behörde ab. "Die Angst wird genommen und die Unterstützung leichter angenommen." Das hätten auch die Abschlussgespräche bestätigt, denn jede Familie wird sechs Monate nach dem Ende einer Begleitung nochmals aufgesucht und befragt. Durch die Evaluation wisse man, dass die meisten Klienten fortan dauerhaft – oder zumindest über mehrere Jahre – ohne das Jugendamt auskommen. Bei anderen habe sich gezeigt, dass eine intensivere Unterstützung nötig bleibe. So oder so, erklärten die Eltern in ihren Rückmeldungen, hätten sie sich wohl frühzeitiger gemeldet, wenn sie von der Existenz des Angebots gewusst hätten. Höpfner: "Allmählich spricht es sich herum." Dabei war der Start 2014 durchaus von Skepsis begleitet und zunächst nur als Modellversuch gedacht.

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Manche Betroffenen äußern tiefe Dankbarkeit, so wie die mittlerweile 17-Jährige, der die Begleiter vor zwei Jahren beim Umzug von der Mutter zum Vater geholfen hatten. Seinerzeit litt sie unter Essstörungen und depressiven Schüben, nun werde sie bald in eine eigene Wohnung umziehen und auf eigenen Beinen stehen können. Die Eltern eines 15-jährigen Schülers mit einer ADHS-Diagnose hätten sich wiederum nach mehr als einem Jahr noch mal telefonisch gemeldet und eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Mithilfe der Familienbegleiter war deutlich geworden, dass in Wahrheit ein unerkanntes Autismusproblem hinter den Verhaltensauffälligkeiten steckte. In einigen Monaten werde der Sohn nun eine geschützte Ausbildung in einem Internat beginnen. Die Eltern ließen das Amt wissen: "Ohne euch wären wir nicht so weit gekommen."

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