Hambergen. Verwaltung und Ratsmitglieder hätten sich besser über die Waldorf-Pädagogik informieren sollen, bevor der Trägervertrag unterschrieben worden sei, erklärte eine Zuhörerin. "Sie haben sich ein faules Ei ins Nest gelegt. Wenn man ihn mal installiert hat, wird man ihn nicht wieder los", bemerkte die Bürgerin. "Ein Waldorf-Kindergarten ist etwas Besonderes." Dieser späte Ratschlag fasst die Situation aus Sicht der meisten Ratsmitglieder der Samtgemeinde Hambergen passend zusammen. 2019 hatte die Samtgemeinde mit der Hofgemeinschaft Verlüßmoor besagten Vertrag geschlossen. Die Hofgemeinschaft übernahm die Trägerschaft des Kindergartens "Waldorfinitiative Morgenstern" in der ehemaligen Grundschule in Hambergen-Ströhe - als befristete Zwischenlösung bis Herbst 2021, wie die Verwaltung betont. Einmalig wurde der Auftrag bis zum Herbst 2022 verlängert. Weiter aber soll es nun nicht gehen. "Das haben wir auch immer klar und offen so gesagt", betonte Samtgemeindebürgermeister Reinhard Kock diese Woche im Rat.
Die Hofgemeinschaft hat eine andere Wahrnehmung; sie will weitermachen. Zwar habe sie von der Befristung gewusst, räumte Einrichtungsleiterin Liane Lütjen ein. Sie seien aber immer davon ausgegangen, dass eine Weiterführung des Kindergartens möglich sei. "Sonst hätten wir doch nie unterschrieben", sagte sie. Nun kämpfen Eltern und Verantwortliche gegen die Schließung.
Gehört wurde ihr Hilferuf von Eva Rentzow (Linke). Die Abgeordnete formulierte einen Antrag, der im Kern auf weitere Gespräche über eine Verlängerung hinausläuft. Katja Barz (UKA) unterstützte das Vorhaben. Ihre Argumente konnten einen großen Teil der Ratskollegen aber nicht überzeugen: Der Antrag wurde mit vier Ja-Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Neben Eva Rentzow und Katja Barz stimmten Arne Schnackenberg (CDU) und Günter Renken (SPD) für weitere Verhandlungen.
Klage eingereicht
Damit ist das Kapitel "Kindergarten Waldorfinitiative Morgenstern" politisch wohl abgeschlossen. Allerdings: Die Hofgemeinschaft hat laut Verwaltung Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Landkreis Osterholz, als eigentlich Verantwortlichen für die Kindertagesbetreuung, eingereicht. Der Ausgang ist noch offen.
Zur Sitzung in der Mensa der Kooperativen Gesamtschule waren einige Eltern und Interessierte gekommen. Die Ratsmitglieder hatten zuvor beschlossen, ihnen bei Bedarf das Wort zu erteilen. Äußerlich verlief die Diskussion überwiegend geregelt und ruhig. Inhaltlich ging es allerdings sehr emotional und auch ideologisch zu. Mehrfach musste die Ratsvorsitzende Barbara Hillmann (SPD) eingreifen, wenn es unter die Gürtellinie ging. Viele Ratsmitglieder bekamen den Eindruck, ihnen werde vorgeworfen, eine hochwertige Waldorf-Pädagogik zu boykotieren und stattdessen die Kinder in "anderen Einrichtungen verwahren" zu wollen. Ihre Ausführungen wurden als "unverschämt" betitelt, wobei das noch eine harmlose Formulierung war. Ein Zuschauer wünschte sich, dass einige Ratsmitglieder künftig keine Entscheidungen mehr treffen dürfen, was wohl als Hinweis auf die nahende Kommunalwahl gemeint war.
13 freie Plätze
Die Verwaltung und SPD-Fraktionschef Udo Mester hatten zuvor einige Fakten dargelegt. Sie nahmen zudem die Kitas der Samtgemeinde in Schutz: Alle hätten ein pädagogisches Konzept und leisteten gute Arbeit. Der Weiterbetrieb der Kita "Waldorfinitiative Morgenstern" würde die Samtgemeinde jährlich rund 150.000 Euro zusätzlich kosten, informierte Kämmerer Marco Ehrichs. Nach den jetzigen Plänen muss sie 2,2 Millionen Euro für die Kitas aufbringen. Um die 2019 bestehende Bedarfslücke schließen zu können, wurden zwei Kitas in Steden und in Wallhöfen neu gebaut.
Zum 1. Juni gibt es laut Verwaltung nun 13 freie Plätze in Regelgruppen und drei Plätze in Krippen für Kinder unter drei Jahre. Die Kinder der Kita Morgenstern sind dort eingerechnet, wie Kornelia Göttsche aus der Verwaltung berichtete. Zudem gebe es in Wallhöfen bereits Räume für eine dritte Gruppe, die genutzt werden könnten. Wegen der Kapazitäten wird die Kita "Waldorfinitiative Morgenstern" also nicht gebraucht.
Eva Rentzow, Katja Barz und Eltern appellierten aber erfolglos, die Kita wegen des pädagogischen Konzepts zu erhalten - zur Verbesserung der Vielfalt in der Samtgemeinde. "Der Bedarf ist da. Die Eltern möchten den Waldorfkindergarten. Wir sollten eine Lösung suchen", sagte Rentzow. Und Katja Barz fand: "Ich habe noch kein Argument hier gehört, das gegen eine Weiterführung spricht, außer den Kosten."
Die Kita ist im Gebäude der ehemaligen Grundschule Ströhe untergebracht, das der Gemeinde Hambergen gehört. Laut Reinhard Kock will sie es wieder haben. Udo Mester erinnerte zudem daran, die Betriebserlaubnis bestehe nur für eine begrenzte Zeit. Der Landkreis würde kaum eine unbefristete Erlaubnis geben, wenn das Gebäude nicht weiter angepasst werde.
Kritik an Vorgehensweise
Für weiteren Zündstoff sorgten die Ausführungen vorn Eva Rentzow und Katja Barz, die sich ausgeschlossen fühlten. In der Samtgemeinde sei über die Schließung nie beraten worden. Sie wolle mitberaten und nicht erst im letzten Moment von Vorgängen erfahren, wenn es eigentlich schon zu spät sei. Das wiederum wollte Reinhard Kock so nicht stehen lassen. Der Vertrag mit der Hofgemeinschaft Verlüßmoor sei befristet, er habe deshalb keinen Bedarf gesehen, ihn zum Thema einer Sitzung zu machen. Es könne auch nicht sein, dass die Ratsmitglieder erst im allerletzten Moment davon erfahren hätten. "Sie waren im Verfahren involviert gewesen. Alles wurde mit ihrer Stimme abgestimmt", erinnerte er.
"Wir mussten damals eine Lösung finden. Wir sind dankbar, dass die Eheleute Lütjen das trotz der Befristung gemacht haben", sagte Reinhard Kock. 2019 gab es vor allem in Vollersode einen Engpass. Ein Neubau in Wallhöfen war die Lösung. Während der Bauzeit musste allerdings ein Zeitraum überbrückt werden. Die Hofgemeinschaft Verlüßmoor wollte eine Kita mit Waldorf-Pädagogik realisieren. Eine Trägerschaft der neuen Kita in Wallhöfen hatte sie laut Verwaltung aber abgelehnt. Stattdessen übernahm sie die Interimslösung in Ströhe und hatte auf eine Verlängerung gehofft.