Seit 275 Ausgaben ist der Scharmbecker Herbstmarkt der Markenbotschafter für Osterholz-Scharmbeck. Immerhin trägt die Stadt einen Bullen im Wappen. Seit 1748 bewegt die Kombination aus Vieh- und Jahrmarkt die Menschen in der Region, aber in diesem Jahr müssen sich die Besucher auf eine bedeutende Veränderung einstellen: Erstmals findet auf der Marktweide kein Viehmarkt mehr statt. Dafür soll einen Bauernmarkt die Besucher begeistern.
Die Gründe für den Niedergang des Viehmarktes, der den Herbstmarkt einst begründet hat, sind vielfältig. Sein Ende kommt nicht überraschend. Der gewerbliche Handel mit Tieren hat sich längst verlagert. Zuletzt waren nur noch wenige Tierhalter – trotz Antrittsprämie – bereit, mit Wollschweinen, Alpakas, Ziegen, Eseln und einer Vielzahl von Geflügelarten auf der Marktweide für Farbtupfer zu sorgen.
Nicht mehr zeitgemäß?
Die Eigentümer scheuen mittlerweile den Aufwand, der mit dem Zurschaustellen der Tiere verbunden ist. Nicht zuletzt ist es eine Kostenfrage, ganze Tierbestände aus Gründen des Infektionsschutzes impfen zu lassen. Natürlich spielt auch der Tierschutz-Gedanke eine Rolle. Einige Menschen halten eine solche Veranstaltung für nicht mehr zeitgemäß. Die Akzeptanz in der Gesellschaft ist verloren gegangen.

Wolfgang Teichmeier (links) ist seit knapp 20 Jahren der Festwirt beim Scharmbecker Herbstmarkt. Hans-Georg Scheffler (rechts) war fast 27 Jahre Marktmeister der Veranstaltung.
Die tierische Note und damit die Wurzel der Veranstaltung ist langsam verkümmert. Ein Meilenstein war das Ende des sogenannten Ferkelmarktes im Jahr 1980. Enge Begleiter wie Hans-Georg Scheffler, der von 1978 bis 2005 als städtischer Marktmeister die Veranstaltung organisierte, erinnern sich an die letzte Auktion auf dem Marktplatz. Damals war dem Auktionator ein Schweinchen ausgebüxt. Scharen an Zuschauern seien dem Ferkel hinterhergelaufen, erinnert sich Scheffler an die amüsante Szene. Erst in der Kirchenstraße habe man das Tier schnappen können.
Hans-Georg Scheffler und andere Mitglieder der ehemaligen Marktgemeinschaft, einem Organisationsteam aus Stadtbediensteten und Einzelhändeln, denken mit Wehmut an alte Zeiten. Neben Scheffler gehörten unter anderem die Mode-Expertin Edeltraud Heins, der ehemalige Leiter des Ordnungsamtes, Hans-Hermann Hattendorf, und Fischhändler Wolfgang Teichmeier zum Planungsstab. Sie erinnern sich an einen „einzigartigen Zusammenhalt in der Stadt“. Dieser Zusammenhalt habe das Fest nicht über Jahrzehnte getragen, sondern den "Laden" auch zusammengehalten. Die Beteiligten vermissen den Gemeinschaftsgeist von damals. Längst gehe kein Ruck mehr durch die Reihen, wenn das Volksfest nahe, sagen sie. „Alles hat eben seine Zeit.“
Anfänge im Jahr 1748
Am 17. Oktober 1748 fand der erste Scharmbecker Herbstmarkt statt. Um den anfänglichen Vieh- und Pferdemarkt herum entstand bald ein Krammarkt, auf dem sich die Landbevölkerung mit dem Nötigen und dem Schönem eindecken konnte. Auch für das Vergnügen und für den bescheidenen Genuss war schnell gesorgt.

Historische Postkarten-Ansicht des Viehmarkts.
Die Dimension der mehrtägigen Veranstaltung war beeindruckend. In manchen Jahren wurden bis zu 4000 Stück Horn- und Kleinvieh im Stadtzentrum angeboten. Gackern, Krähen, Grunzen, Muhen und Wiehern hallten tagelang durch die Innenstadt. Fotos zeigen Massen an Tieren und Menschen auf dem Marktplatz. Um 1900 zählte Osterholz-Scharmbeck zu den bedeutenden Handelsplätzen in Norddeutschland. Zeitweise hatte sich der Markt in der Stadt ausgedehnt. Bis in die Koppel- und Hundestraße soll Viehreihe um Viehreihe gestanden haben. So jedenfalls beschreibt es Johann Segelken im Osterholz-Scharmbecker Heimatbuch.

Die Sparkasse Osterholz hatte zum 250. Scharmbecker Herbstmarkt eine Sondermünze mit dem Premierendatum des Festes 1748 ausgegeben.
Um den angereisten Händlern eine Bleibe anzubieten, rückten die Osterholz-Scharmbecker zusammen. Zahlreiche Wohnhäuser wurden zu Herbergen. Die Marktanwohner erhielten gegen Gebühr vom Amt Osterholz eine Konzession zum Ausschank alkoholischer Getränke. Die Inhaber improvisierten, indem sie einen Tresen auf der Diele aufgestellten. Bier, Hochprozentiges und Tabakwaren wurden eingekauft. Wer selbst nicht schlachten konnte, kaufte Fleisch beim Schlachter für die Übernachtungsgäste ein. Den zahlungswilligen Gästen sollte es gut gehen.
Knechte schlafen draußen
Die Knechte blieben nachts beim Vieh. Sie schliefen auf Heulagern unter freiem Himmel. Nur Stalllaternen sollen die Szenerie beleuchtet haben. Als 1862 die Bahnstrecke zwischen Bremen und Geestendorf eröffnet wurde, erfuhr der Osterholzer Markt einen Schub. In Waggons konnten die Tiere einfacher und schneller nach Osterholz-Scharmbeck transportieren werden. Der Andrang war so groß, dass sich die Massen an der Verladestraße und am Bahnübergang zeitweise stauten. Auf dem weiteren Weg zum Marktplatz kamen den angereisten Händlern und ihren Herden junge Osterholz-Scharmbecker entgegen, um sich als Viehtreiber einen Marktgroschen zu verdienen.

Jürgen Bohling (von links), Wolfgang Teichmeier, Melanie Blank, Stefan Tietjen und Torsten Rohde freuen sich auf den Jubiläumsmarkt.
Der Herbstmarkt war Jahrhunderte mehr als ein Viehmarkt. Es war ein Treffpunkt für die Menschen im Moor und für viele der gesellige Höhepunkt des Jahres. Nun möchte die Stadt das Angebot neu ordnen. Ein Bauernmarkt soll entstehen, sagt Stefan Tietjen, Leiter des Fachbereichs Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus. „Es verändert sich etwas, trotzdem bleiben wir den Wurzeln treu“, ist Tietjen überzeugt. Mit „den Vorgaben aus dem veterinärtechnischen Bereich“ sei das traditionelle Konzept nicht mehr zu verwirklichen. Mit der Vermarktung regionaler Produkte soll Osterholz-Scharmbeck als Standort gesichert werden. Dass das Konzept funktionieren könne, belege die hohe Nachfrage nach Standplätzen, betont Tietjen.
Ein Bummel als Auszeit
Fest steht, dass ein Besuch auf dem Herbstmarkt auch im Jubiläumsjahr etwas Besonderes sein soll. Das jedenfalls wünscht sich Festwirt Wolfgang Teichmeier. Er übernimmt seit knapp 20 Jahren die Position des Festwirts und sorgt für die Unterhaltung im Festzelt. Den Scharmbecker Herbstmarkt kennt er schon aus Kindheitstagen. Bereits seine Eltern und Großeltern waren Einzelhändler und hatten einen Stand auf dem Markt, erzählt er.

Wolfgang Teichmeier ist seit 18 Jahren Festwirt für den Scharmbecker Herbstmarkt. Er kennt das Volksfest seit Kindertagen.
Als er jung war, kreuzten noch Autos wie der Opel Kapitän die Straßen, und die Marktbeschicker standen mit weißen Kitteln hinter den Tresen, um Bier auszuschenken. Alles sei so viel einfacher als heute gewesen. Die schlichten Holzbuden waren nur mit Planen überspannt und doch habe ein Zauber in der Veranstaltung gelegen, erinnert sich Teichmeier. „Wir hatten zusammen so viel Spaß.“
Obwohl sich Volksfeste wandeln würden, sei eine Sache geblieben. „Die Leute wollen eine Auszeit vom Alltag.“ Im Fokus jedes Festes stünden Abwechslung, Ablenkung und das Erleben. Für ihn steht fest: "Auf einem echten Markt muss es nach gebrannten Mandeln duften und nach Rostbratwurst riechen." Auf seinem "idealen Jahrmarkt" dampft es an jeder Ecke. Teichmeier bringt sein optimales Herbstmarkt-Erlebnis auf eine einfache Formel: „Wenn es richtig gut war, dann ist hinterher Ketchup auf der Jacke, Senf im Haar und Bier im Nacken.“