Dem vor gut einem Jahr gestarteten Pilotversuch des Halbstundentaktes der Buslinie 680 zwischen Osterholz-Scharmbeck, Ritterhude und Bremen-Burg droht das Aus. Das geht aus dem Haushaltsentwurf für den Bereich Stadtplanung und Bauen hervor, den Frank Wiesner, Leiter der Abteilung Tiefbau in der Stadtverwaltung, dem Bau- und Umweltausschuss präsentierte.
Laut Entwurf seien im Doppelhaushalt 2023/2024 insgesamt 234.000 Euro Zuschussbedarf für die Einrichtung des neuen Taktes für den zweijährigen Zeitraum zwischen Dezember 2023 und Dezember 2025 bereitgestellt worden. Die Taktverdichtung wird von der Kreisstadt und der Gemeinde Ritterhude finanziert. Aufgrund der prekären Haushaltslage spreche sich die Verwaltung nun dafür aus, die Maßnahme "Halbstundentakt der Linie 680" in Höhe von 126.900 Euro ab dem Jahr 2026 nicht zu verlängern und den Vertrag zum 30. Juni 2025 zu kündigen. "Bei der Maßnahme handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die sich die Stadt finanziell aktuell nicht leisten kann", heißt es in der Sitzungsdrucksache.
Dabei sprechen die Fahrgastzahlen eigentlich gegen ein Ende des 30-Minuten-Taktes. Wie Wiesner erklärte, sei durch Zählungen in diesem Sommer und Herbst ein Anstieg von 3000 bis 8000 zusätzlichen Fahrgästen pro Monat verzeichnet worden. "Das ist eine Verbesserung." Wenngleich er einschränkte, dass die Zahlen auf Hochrechnungen beruhten, da nur ein Viertel der Busse auf der Linie 680 mit Zählgeräten ausgestattet gewesen seien. Dennoch sei die Haushaltsvorgabe eindeutig gewesen, es soll im neuen Doppelhaushalt 2025/2026 gespart werden.
Mit Blick auf die Finanzierung des Taktes sagte Wiesner: "Das ist ein Punkt, wo man trefflich streiten kann, wer das denn zahlt." Der Landkreis argumentiere, es handele sich um eine freiwillige Leistung, die über das von ihm bereitgestellte stündliche Grundangebot hinausgehe. Deshalb seien die Kommunen in der Pflicht. Seitens der Stadt, so Wiesner, sehe man das anders: Der Landkreis beziehungsweise der Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen seien beim ÖPNV die Aufgabenträger.
Rückendeckung erhielt Wiesner in diesem Punkt von Stadtbaurat Manuel Reichel: "Der öffentliche Personenverkehr ist eine ureigene Geschichte des Landkreises." Deshalb wolle man den Kreis in diesem Punkt wieder mehr in die Pflicht nehmen. Mit Blick auf die Fahrgastzahlen müsse der Oktober mit 8000 Fahrgästen herausgerechnet werden, sagt er gegenüber der Redaktion im Nachgang zur Sitzung. Dann ergebe sich ein Anstieg von etwa 3000 bis 5000 Fahrgästen. Verteilt auf die einzelnen Fahrten während der Betriebszeiten des Halbstundentaktes, seien das heruntergerechnet lediglich zwölf Fahrgäste mehr pro Bus, die dann eventuell nur eine oder zwei Stationen lang mitführen. "Der Bus ist dann doch ziemlich leer auf der Strecke", so Reichel. Er gibt auch zu, dass viel mehr Geld in den ÖPNV fließen müsse. Bei der jetzigen Lage seien die Menschen in den Ortschaften wie Freißenbüttel oder Heilshorn nicht gut angebunden. "Für die rentiert sich dann auch kein Deutschlandticket."
Die Stadtverwaltung habe sich dazu entschieden, beim Halbstundentakt den Rotstift anzusetzen, erklärt Reichel weiter. Andere Maßnahmen, wie die Instandsetzung und Reparatur von Straßen, seien als wichtiger angesehen worden. "Hier hätte man sonst das Budget reduzieren müssen", so Reichel. "Das war eine schwere Abwägung", gibt er zu. Die somit freigewordenen 126.000 Euro sollen nach dem Willen der Verwaltung nun in die Ausbesserung der Straßen fließen, erklärt der Stadtbaurat.
Ritterhudes Bürgermeister Jürgen Kuck (SPD) ist von den Plänen der Verwaltungskollegen in der Kreisstadt "nicht so richtig amused". Der Bus halte regelmäßig quasi vor seinem Bürofenster. "Da sehe ich, dass der gut frequentiert wird, gerade von jungen Menschen." Falls Osterholz-Scharmbeck wirklich aus der Finanzierung des Halbstundentaktes aussteige, macht Kuck klar: "Das kann die Gemeinde Ritterhude nicht alleine kompensieren. Wir zahlen dafür 80.000 Euro im Jahr, das ist auch für uns ein Kraftakt." Wenn man CO2 einsparen wolle, müsse man auch Taten folgen lassen. Die Gemeinden bekämen vieles von außen "ins Buch geschrieben", seien aber selbst keine Füllhörner. "Es wird erwartet, dass wir uns wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen."
Unmut bei Fraktionen
Bei den Fraktionen im Bauausschuss sorgten die Pläne der Verwaltung jetzt für einigen Unmut. "Ich halte es für absolut verantwortungslos, wenn wir jetzt aussteigen. Dann ist das gesamte Projekt gestorben", sagte Brigitte Neuner-Krämer (Grüne). Die halbstündige Taktung bedeute eine "erhebliche Verbesserung" und trage zur Attraktivität des ÖPNV-Angebots bei. Erst nach etwa drei Jahren sei eine Entwicklung der Fahrgastzahlen belastbar abzulesen, argumentierte sie. Das stehe kurz bevor. Zudem gäben die Zahlen eine Streichung der Mittel nicht her. Der dichtere Takt sei ein Beitrag zur Verkehrswende.
Frederik Burdorf von der SPD musste zugeben: "Bei der Vorlage mussten wir lange kauen." Die Rückmeldungen, die er und seine Fraktionskollegen erhalten hätten, seien durchweg positiv gewesen. Einen so starken Anstieg der Fahrgastzahlen habe er nicht erwartet. Deshalb sagte er bei allem Verständnis für die SPD: "Ich finde es verkehrt, das Fähnchen im Wind zu sein. Es wäre auch unsolidarisch, wenn Ritterhude weitermachen will." Man sollte lieber 2027 mit belastbaren Zahlen den Landkreis in die Pflicht nehmen. Deshalb beantragte die SPD, den Tagesordnungspunkt zunächst als "vorberaten" zu behandeln, was auch einstimmig angenommen wurde.
Marie Jordan (CDU) erklärte, dass ihre Fraktion schon vor zwei Jahren gegen den Halbstundentakt gestimmt habe. "Nicht weil wir das nicht wollen, sondern weil wir uns das nicht leisten können." Bei der aktuellen Haushaltslage müsse man gucken, was die Stadt wirklich leisten muss. "Wir sind gut beraten, vorsichtig zu planen. Nicht alle Leistungen, die wünschenswert sind, können auch finanziert werden", argumentierte Jordan. Sicher hätten die Menschen in der Kreisstadt dafür Verständnis. Und wenn der Landkreis, der auch ein Defizit in seinen Finanzen verbuchen muss, mehr machen solle, dann werde das laut Jordan zu einer steigenden Kreisumlage für die Stadt führen.
In der Sitzung gab es in diesem Punkt zunächst keine Lösung. Durch den Antrag der SPD werde das Thema im Verwaltungsausschuss noch einmal beraten, erklärt Manuel Reichel. Er geht davon aus, dass das nötige Geld, dann "on top" komme. "Da müssen wir dann schauen, dass das Geld woanders herkommt", sagt der Stadtbaudezernent.