Bülstedt. In Bülstedt könnte der erste Agri-Solarpark in der Samtgemeinde Tarmstedt und womöglich des Landkreises Rotenburg entstehen. Agri-Fotovoltaikanlagen sind so konstruiert, dass unter den Solarpaneelen weiter landwirtschaftliche Erzeugnisse wachsen und geerntet werden können. Im Bülstedter Fall geht es um Heidelbeeren, die der Hof Cordes in großem Stil anbaut. Die Idee ist, auf einer Fläche von 6,5 Hektar Solarmodule in einer Höhe aufzuständern, die es ermöglicht, dass sich darunter Erntefahrzeuge bewegen können.
"Wir würden das gerne machen", so Tanja Cordes auf Anfrage. Denn dadurch könnte die Fläche doppelt genutzt werden, indem Heidelbeeren und Strom gleichermaßen geerntet würden. Weil es für derartige Anlagen hierzulande kaum Vorbilder gebe, äußert sich die Bülstedter Landwirtin zunächst sehr zurückhaltend: "Bisher ist das nur eine Option, noch ist nichts entschieden." Sie kenne keinen anderen Heidelbeerzüchter, der unter einer derartigen Anlage wirtschafte.
Bewegliche Module
Auch Moritz Riekert, der zuständige Mann beim Hamburger Projektentwickler WiNRG, räumt ein, dass die Errichtung von Agri-PV-Anlagen für seinen Arbeitgeber Neuland ist: "Das Prinzip ist in Deutschland nicht so verbreitet wie beispielsweise in Frankreich." Das liege daran, dass hier die Sonne nicht so ergiebig scheine wie im Nachbarland. Man werde sich nun mit weiteren Fachleuten zusammensetzen und prüfen, ob sich eine solche Anlage in Bülstedt umsetzen lasse. Angedacht seien bewegliche Module.
Fest installierte Fotovoltaikplatten sollen auf weiteren 55 Hektar Land in der Gemeinde Bülstedt montiert werden. Das hat jetzt der Gemeinderat ebenso beschlossen wir die 6,5 Hektar Agri-PV. Die Flächen gehören neun Eigentümern, von denen sechs aktive Landwirte sind. Damit darauf tatsächlich PV-Anlagen errichtet werden dürfen, muss die Samtgemeinde ihren Flächennutzungsplan entsprechend ändern. Der Antrag der Gemeinde Bülstedt ist bereits im Tarmstedter Rathaus eingegangen und könnte am Dienstag, 28. Mai, vom Samtgemeinderat beschlossen werden. Parallel dazu müsste Bülstedt mit einem Bebauungsplan für die großflächigen Solaranlagen seine eigenen Hausaufgaben erledigen, und der Landkreis müsste den Bau schließlich genehmigen.
Projektleiter Riekert geht davon aus, dass die Bülstedter PV-Großanlagen in zwei Jahren erstmals Strom ins Netz einspeisen wird. Der jährliche Stromertrag liege bei rund 74 Millionen Kilowattstunden, was bilanziell für die Versorgung von 18.500 Haushalten reichen würde. Damit reicht das Bülstedter Sonnenkraftwerk an die Dimension des neuen Wilstedter Windparks heran, dessen sechs Rotoren rund 100 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren können.
Etwas weiter sind die Planungen für einen großen Solarpark in Buchholz. Dort geht es um eine Fläche von rund 37 Hektar, die mit PV-Modulen belegt werden soll. Die könnte laut Riekert in eineinhalb Jahren ans Netz gehen und mit ihren jährlich erzeugten 44 Millionen Kilowattstunden Öko-Strom rund 11.000 Haushalte versorgen. Erst kürzlich ins Spiel gekommen sind zwei Teilflächen in Wilstedt, die zusammen 28,4 Hektar umfassen. Darauf wäre Platz für Fotovoltaik-Module mit einer Gesamtleistung von 34 Megawatt, die im Jahr 34 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom erzeugen sollen – bilanziell ausreichend für 8500 Vier-Personen-Haushalte.
Die Projekte in Bülstedt, Buchholz und Wilstedt werden vom Projektierer WiNRG vorangetrieben. Der muss auch dafür sorgen, dass die Sonnenkraftwerke an das 110.000-Volt-Hochspannungsnetz von Avacon angeschlossen werden, um deren Strom einzuspeisen. Allein das Umspannwerk, das WiNRG bauen muss, kostet vier Millionen Euro. Dazu kommt das in der Erde verlegte, etwa zehn Kilometer lange Stromkabel von Wilstedt nach Quelkhorn, für das rund eine Million Euro veranschlagt sind. Um die Biodiversität der PV-Flächen zu erhöhen, will WiNRG mit dem örtlichen Blühfelder-Verein zusammenarbeiten, der für gute Lebensbedingungen für Insekten sorgen will.