Vor wenigen Tagen war die Enttäuschung noch das vorherrschende Gefühl bei den A-Jugend-Handballern der HSG Verden-Aller. Schließlich mussten sie sich im Auftaktspiel der zweiten Qualifikationsrunde zur Jugend-Bundesliga dem HC Elbflorenz Dresden denkbar knapp geschlagen geben. Nach einer dramatischen Schlussphase gewannen die Sachsen in der Aller-Weser-Halle mit 32:31. Doch die Enttäuschung ist bei der HSG verflogen, sie ist großem Jubel gewichen. Denn nun steht fest: Während der Saison 2021/2022 wird in der größten Sporthalle des Landkreises Verden Bundesliga-Handball geboten. Durch einen 21:19 (11:15)-Sieg im zweiten Qualifikationsspiel beim TSV Anderten hat die HSG Verden-Aller das Ticket für die Eliteliga des deutschen Nachwuchshandballs gebucht. Die HSG-Jungs treten somit in die Fußstapfen des TV Oyten, der von 2017 bis 2019 als erster kreisverdener Klub in der Bundesliga gespielt hat.
Keine Frage: Für die HSG Verden-Aller ist der Aufstieg ins Oberhaus der größte Triumph der Vereinsgeschichte – und ebenso für den Mann, der das Team in die Bundesliga geführt hat: Trainer Sascha Kunze. Auch am Morgen nach dem Sieg in Anderten fiel es ihm noch schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. "Wir spielen bald in der Bundesliga. Das ist für mich noch gar nicht zu 100 Prozent greifbar", kommentierte der Coach am Donnerstagvormittag den Erfolg. "Es ist unfassbar, unglaublich und fantastisch. Zumal unser Kader zum größten Teil aus dem jüngeren Jahrgang besteht."

Auch für Trainer Sascha Kunze ist die Qualifikation für das Oberhaus der größte Erfolg seiner Laufbahn.
Dass den jungen Verdenern die Bundesliga-Qualifikation noch glückt, damit haben nach der Niederlage gegen Elbflorenz wohl nur noch die wenigsten Beobachter gerechnet. "Da wir in der ersten Qualifikationsrunde gegen Anderten verloren haben (Verden unterlag mit 16:28, Anm. d. Red.), haben uns wohl nur noch die wenigsten etwas zugetraut", meinte Sascha Kunze. Die Mannschaft und das Trainerteam hätten den Glauben an sich selbst aber keineswegs verloren. "Im ersten Spiel gegen Anderten hat bei uns nicht viel funktioniert. Nach dem guten Auftritt gegen Dresden wussten wir aber, dass wir noch eine Chance haben, wenn wir bis zum Ende kämpfen", wollte sich der HSG-Coach so schnell nicht entmutigen lassen.
Und das auch nicht, als am Mittwochabend in Anderten der Halbzeitpfiff ertönte. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Gastgeber mit 15:11 in Führung. In der ersten Halbzeit war der TSV besser. Verden musste zudem einen frühen Rückschlag verkraften. Bereits nach zehn Minuten musste Lasse Metzing verletzt raus und in ein Krankenhaus. "In der Deckung hat er einen Kopftreffer abbekommen. Das war eine unglückliche Aktion", schilderte Kunze.
Viel Rechnerei nach dem Abpfiff
Nach dem Seitenwechsel markierte Anderten den ersten Treffer. Durch das 11:16 ging aber noch einmal ein Ruck durch das Verdener Team. "Wir haben uns gesagt, dass dies der letzte Gegentreffer für lange Zeit sein sollte", erzählte Kunze. "Uns war klar, wenn wir zum Ausgleich kommen, packen wir Anderten." Und so kam es dann auch: Verden stellte eine starke Deckung mit einem guten Niklas Kriegel dahinter im Tor. Vorne wurden die Angriffe in Ruhe zu Ende gespielt. Die Folge: Die HSG holte auf, in der 49. Minute traf Louis Beyer zum Ausgleich (18:18). Rund zwei Minuten vor dem Schlusspfiff führten die Gäste mit einem Treffer – 20:19.
13 Sekunden vor Schluss traf Conrad Meierhans zum Endstand. Es war ein Treffer von immenser Bedeutung. Denn durch den Sieg mit zwei Toren Vorsprung ist die HSG Verden-Aller nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze in der Dreier-Runde der zweiten Qualifikationsphase zu verdrängen – vollkommen gleich, wie das abschließende Duell am Sonnabend zwischen Dresden und Anderten endet. "Wir haben gejubelt und viel herumgerechnet, wie die Konstellation nun ist. Ein Offizieller des HVN (Handball-Verband Niedersachsen, Anm. d. Red.) hat uns dann aber gesagt, dass wir durch sind", beschrieb Sascha Kunze die aufregenden Momente nach dem Abpfiff.
Den Saisonstart hat der Deutsche Handballbund (DHB) laut Sascha Kunze für das Wochenende 11./12. September terminiert. Die HSG Verden-Aller wird dann in einer Spielklasse antreten, die in einem besonderen und ausgeklügelten Modus ausgespielt wird. Pandemiebedingt treten in der Spielzeit 21/22 nicht 40 Teams in der Jugend-Bundesliga an, sondern 48 Mannschaften. Diese werden in der Vorrunde auf acht Sechsergruppen aufgeteilt. Aller Voraussicht nach werden die Verdener der Staffel 2 zugeteilt. Dort würden sie in einer Einfachrunde auf den THW Kiel, HC Bremen, HSG Handball Lemgo, HSV Hamburg und einen weiteren Qualifikanten treffen, der noch ermittelt werden muss. Der DHB hat per Losverfahren bestimmt, dass die HSG Verden-Aller in der Vorrunde zweimal zu Hause und dreimal in der Fremde antreten muss.
Ein ausgeklügelter Modus
Wesentlich mehr Heimauftritte wird die HSG Verden-Aller in der Hauptrunde haben, in der vom DHB Hin- und Rückspiele angesetzt werden. In die Hauptrunde A ziehen die beiden jeweils Gruppenbesten der acht Vorrundenstaffeln ein, in die Hauptrunde B alle anderen Teams. Während letztere Hauptrunde in vier Achtergruppen aufgeteilt wird, soll es in Runde A deren zwei geben. Zudem sind diese 16 Teams schon für das anschließende Sechzehntelfinale um die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Aus der Hauptrunde B lösen die Klubs, die in ihrer Gruppe die Plätze eins bis vier belegen, ebenfalls das Ticket für die K.o.-Runde. Für die Mannschaften auf den Rängen fünf bis acht wird die Saison nach der Hauptrunde zu Ende sein.
Bevor die HSG Verden-Aller in ihrem ersten Bundesligaspiel aufläuft, müssen die Klubverantwortlichen jedoch viel Planungsarbeit erledigen – und auch auf die Mannschaft warten anstrengende Wochen. "Jetzt bekommen die Jungs aber erst einmal drei Wochen Pause. Danach werden wir uns wieder treffen und auf die Saison vorbereiten", blickte Kunze nach vorne. Zunächst gilt aber: den Erfolg genießen und sich sammeln, damit das Erlebte nach und nach auch in Worte gefasst werden kann.