Die Bank plus die unmittelbare Umgebung dieser langgezogenen Sitzgelegenheit – das ist während eines Handballspiels das Revier des Trainers. Im Normalfall ist in diesem überschaubaren Gebiet auch Sascha Kunze unterwegs. Zuletzt tauchte der Coach des Jugend-Bundesligisten HSG Verden-Aller dort allerdings nicht auf. Wegen eines Trainingsunfalls verpasste Kunze das Heimspiel gegen die TSG Altenhagen-Heepen. Er war nicht in der Halle, als die junge Mannschaft den wohl größten Erfolg der Vereinsgeschichte eingefahren hat: Mit dem 30:28 gegen die Bielefelder fuhren die Verdener den ersten Sieg in der Jugendhandball-Bundesliga ein. In der Aller-Weser-Halle war Sascha Kunze zwar nicht, aber dennoch verfolgte er die Begegnung. Nur halt aus einer anderen Perspektive.
Während seine Mannschaft die ersten Punkte im Oberhaus erkämpfte, war der Coach zu Hause. Der Trainingsunfall wenige Tage vor dem Kellerduell gegen die TSG hatte Sascha Kunze dazu gezwungen. Ihm wurden wegen einer Kopfverletzung ein paar Tage Ruhe verordnet. Es war für Kunze wohl auch besser, dass er sich nicht in der Aller-Weser-Halle aufgehalten hat. Schließlich war die Spannung in der Halle förmlich greifbar. "Mir wurde dann auch zweimal das Tablet weggenommen, weil ich mich so aufgeregt habe", sagt Kunze schmunzelnd.
Mit dem Wörtchen Tablet verrät der Coach des Jugend-Bundesligisten, wie er zwar nicht mittendrin im Geschehen war, aber eben auf eine gewisse Art und Weise doch dabei. "Ich habe mir das Spiel im Livestream angeschaut. Die Eltern haben extra eine Kamera aufgestellt, damit ich die Partie über Twitch (eine Internetplattform für Livestreaming, Anm. d. Red.) verfolgen kann", erzählt der Oytener. "Das war – in Anführungsstrichen – sogar ganz angenehm." Natürlich war er mit der Situation, das Duell nur am Bildschirm verfolgen zu können, insgesamt unzufrieden. "Aber irgendwie hat es mir dann doch Spaß gemacht."
Begeistert vom 29. Tor
Denn Kunze hatte immerhin die Gelegenheit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf das Handballspiel. "In der Halle ist man ja hin und wieder doch mit den Schiedsrichter, dem Team auf der Bank oder Zeitnehmern beschäftigt", sagt der HSG-Trainer. "Am Stream konnte ich das Spiel viel besser wahrnehmen. Es hat mich vor allem gefreut, dass die Jungs so viele Dinge umgesetzt haben, die wir im Training erarbeitet hatten." Kunze war glücklich, dass seine junge Mannschaft insgesamt einen guten Handball gespielt hat, "und dass die Jungs auch einfache Tore per Tempogegenstoß erzielt haben."
Einer dieser Treffer ist ihm dabei besonders im Gedächtnis geblieben – und zwar das 29:28, das kurz vor Schluss Nick Jäger für die HSG Verden-Aller erzielte. Den langen Pass auf den Torschützen hatte Keeper Niklas Kriegel gespielt. Ihren Trainer brachten die beiden mit der gelungenen Aktion zu Hause zum Jubeln. "Es gehört jede Menge Mut dazu, dass Niklas in dieser wichtigen Phase so einen Pass spielt, der noch zwischen zwei Gegenspieler hindurch fliegt. Das zeigt aber auch, dass sich die Jungs untereinander vertrauen", freut sich Kunze auch mit einigen Tagen Abstand über diese Szene, die sein Team auf die Siegerstraße brachte.
Durch den Erfolg sei nicht nur ihm ein großer Stein vom Herzen gefallen. "Und das nicht, weil wir den großen Druck haben. Die Bundesliga ist und bleibt für uns ein großes Abenteuer. Aber wir wissen, dass es in dieser Liga Gegner gibt, die wir besiegen können", sagt Kunze. Dass der Coach mit seiner Einschätzung richtig liegt, hat die HSG Verden-Aller nun bewiesen. Geht es nach Kunze, bleibt es in dieser Saison nicht bei diesem einen Erfolgserlebnis: "Jetzt haben wir uns am Büfett bis zum Fleisch vorgekämpft und wollen gerne noch etwas auf den Teller nachlegen."
Dieser Spruch lässt klar erkennen: Die Freude über den ersten Sieg in der Bundesliga ist bei den Verdenern weiterhin präsent. Beim Trainer ist darüber hinaus noch eine weitere Freude akut, und zwar darüber, dass er sich beim nächsten Spiel – die HSG Verden-Aller fährt am Sonnabend zum Derby gegen den HC Bremen – wieder in seinem Revier aufhalten darf. Denn so interessant die Perspektive, aus der Sascha Kunze den ersten Sieg seiner Sieben verfolgt hat, auch war, "hoffe ich doch, dass es eine Ausnahme bleibt."