Wer das Spielwarengeschäft Witte in der Verdener Innenstadt betritt, findet sich in einem wahr gewordenen Kindertraum wieder: Neben Plüschtieren und Puppen füllen auch Gesellschaftsspiele und Puzzles den farbenfrohen Laden. Besonders zur Weihnachtszeit locken liebevolle Dekorationen und mögliche Geschenkideen Eltern und Kinder an die Große Straße 115. In diesem Jahr feierte das Traditionshaus langjähriges Bestehen: Vor 130 Jahren gründete Hermann Witte das Geschäft. An dem ehemaligen Standort, wo sich heute das Restaurant Portofino befindet, verkaufte er aber vor allem Haushaltswaren. Bis heute blieb der Laden in Familienhand und wird seit 2012 in vierter Generation von seiner Urenkeltochter Carmen Witte geführt.
Ursprünglich arbeitete die heute 62-Jährige im medizinischen Bereich. Damit das Geschäft in der Familie bleiben konnte, ließ sie sich darüber hinaus zur Handelsfachwirtin ausbilden. Ihrem Job als Krankengymnastin geht Carmen Witte dennoch zweimal pro Woche nach. "Das sind zwei völlig andere Paar Schuhe und eine gute Kombination", sagt sie. "Hier im Laden ist niemand krank, und es sind unterschiedliche Generationen." Morgens wisse man nicht, was passiere und jeder Tag sei vielfältig.
Im Laden wird die Geschäftsführerin weiterhin von ihrer 85-jährigen Mutter Freya Witte unterstützt, die für mehrere Bereiche zuständig ist. Mit ihr eröffnete der Enkel des Gründers, Horst Witte, im Jahr 1957 das Kinderparadies, während sein Bruder Bodo im Stammhaus weiterhin Glas, Porzellan und Haushaltswaren anbot. "Als Kind war ich bereits oft im Laden und habe die Spielsachen vorgeführt, denn ich konnte schon immer gut verkaufen", erinnert sich Carmen Witte. Die Geschäftsübernahme sei dann ein fließender Übergang gewesen. "Ich mache es gerne, weil die Ware schön ist und ich selber Spaß am Spielzeug habe."
Neun Mütter als Mitarbeiterinnen
Insgesamt neun Frauen, die als Voraussetzung selbst Mütter sein müssen, arbeiten neben ihr in dem Spielwarengeschäft. "Wir sind ein Familienunternehmen, das von den Mitarbeiterinnen mitgetragen wird, und wir kennen viele Kunden auch auf persönlicher Ebene", sagt Witte. Teilweise sind ihre Kolleginnen seit über 50 Jahren in dem Laden tätig. "Die Kunden, die sie hier früher als Kinder begrüßt haben, kommen jetzt auch mit ihren eigenen Kindern ins Geschäft", freut sich die 62-Jährige. Carmen Wittes eigene Söhne werden den Laden ihr zufolge nicht weiterführen. "Wenn sich jemand findet, der den Laden übernimmt, bin ich dafür offen", sagt sie. "Aber wenn wir gehen, gehen wir alle zusammen."
Dafür sei die Zeit aber noch lange nicht reif. Sogar die Pandemie hat das Spielwarengeschäft schließlich überstanden: "Während Corona war es unser großes Glück, dass wir seit 2016 einen Onlineshop betreiben, der gut läuft", sagt Carmen Witte. Ohnehin ist der Laden multimedial unterwegs: Seit zehn Jahren hat Witte eine Facebook-Seite und seit 2019 einen Instagram-Account.
Zu Beginn der Pandemie konnten Kunden die Produkte per Abholstation kaufen. Im Internet wurden sie über das Sortiment und neue Ware informiert. "Es gibt unendlich viele Möglichkeiten und man sollte solche Online-Angebote nicht verteufeln", betont Witte. Die Ware liefert das Geschäft seit Ende Juli im Sinne der Nachhaltigkeit mit einem E-Auto aus. Seit Juni bemerke man die Pandemie im Geschäft, abgesehen von der Maskenpflicht, nicht mehr. Die Menschen hätten sich aber verändert: "Während der Pandemie sind die Leute gelassener geworden, wenn etwas mal nicht da ist, und sie spielen mehr." Vor allem das Puzzeln sei beliebt geworden.
Was die Spielzeugtrends angehe, habe sich in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin einiges getan. "Früher war es einfach, Mädchen spielten mit Puppen und Jungen mit Spielzeugeisenbahnen", weiß Carmen Witte. Diesen Sommer seien dagegen zum Beispiel sogenannte Plopper, also Silikonformen mit Noppen, im Trend gewesen. Die Einfachheit der vergangenen Zeiten vermisst die 62-Jährige aber nicht, wie sie sagt. "Es ist interessant, auf den Zug aufzuspringen und wir freuen uns, wenn wir Trends richtig eingeschätzt haben." Manchmal würden aber auch die Kunden neue Ideen und frischen Wind in den Laden bringen.