Nach über acht Monaten Pause findet an diesem Mittwoch, 30. Juni, mit Molières "Tartuffe" die erste Abo-Theatervorstellung in der Verdener Stadthalle statt. Auch das Kabarettprogramm "Wenn du mich verlässt, komm ich mit" mit Tina Teubner wird am 14. Juli ganz sicher stattfinden – Karten können ohne Bedenken gekauft werden.
Die Bestuhlung ist trotz der derzeit niedrigen Inzidenz noch auf 1,5 Meter Abstand eingerichtet. Natürlich gilt Maskenpflicht bis zum Sitzplatz. Dort kann die Maske dann abgesetzt werden. Getestet werden muss derzeit nicht. Darüber ist Stadthallen-Chefin Silvia Voige gar nicht froh: "Im Moment herrscht große Unsicherheit. Alles ist viel zu diffus geregelt." Viele Besucher, so Voige, scheuten das Risiko, Karten für Kulturveranstaltungen zu kaufen, weil sie sich nicht sicher sein könnten, ob eine Veranstaltung überhaupt stattfinde.
"Und auch wenn sie mit verminderter Publikumszahl stattfinden können, ist selbst mit staatlicher Unterstützung bestenfalls ein Verlustausgleich drin. Gewinn ist derzeit für niemanden zu erzielen." Das Problem ist: Wenn anstelle der gut 600 nur 300 Plätze (ab einer Inzidenz unter 50) oder gar nur 150 Plätze (bei einer Inzidenz über 50) besetzt werden dürfen, kann sich keine Veranstaltung tragen. Deshalb appelliert Voige an den Gesetzgeber, eine einheitliche Regelung zu schaffen: "Alle Kulturveranstaltungen sollten mit voller Publikumszahl stattfinden können – mit getestetem beziehungsweise voll geimpftem Publikum." Die Testkapazitäten seien schließlich vorhanden, und ohne eine solche Regelung sei überhaupt keine Planung möglich. "Viele kleinere Veranstalter können es sich gar nicht leisten, mit einem Drittel oder der Hälfte der Zuschauer zu kalkulieren. Andererseits muss vor allem mit bekannten Künstlern sehr langfristig geplant werden. Das Risiko liegt dann beim Veranstalter selbst."
Inzwischen sei, so Voige, neben dem Förderkonzept "Neustart Kultur" ein weiterer Sonderfonds der Bundesregierung mit 2,5 Milliarden eingerichtet worden. Dabei gehe es um Ausfall-Absicherung für sehr große Events sowie eine sogenannte Wirtschaftlichkeitshilfe für kleinere Veranstaltungen. Diese Förderung helfe erstens nur sehr wenigen Betroffenen, für die das Konzept genau passe, zum anderen schütze es zwar vor weiteren Verlusten, aber irgendwann müssten Kulturschaffende doch auch mal wieder etwas verdienen können, betont Voige. Drittens schließlich sei die ganze Antragsstellung ein unüberschaubares Dickicht von Bestimmungen, Ausnahmen und ständigen Änderungen. "Immer wenn man gerade glaubt, einen Überblick zu haben, kommen neue Regeln, die noch komplizierter sind."
Risiko in Grenzen
Susanne Reinhardt, die bei der Stadt Verden für die Kulturförderung verantwortlich zeichnet, kann ein Lied davon singen: "Die derzeit laufenden Theater-Abo-Aufführungen wurden aus dem Bundestopf 'Neustart Kultur' bezuschusst", berichtet sie. Dadurch halte sich das finanzielle Risiko in Grenzen. Auch für die nächste Saison könne man wieder Zuschüsse beantragen.
Als Corona begann, das kulturelle Leben lahmzulegen, seien die Hilfen zuerst sehr schnell und sehr unkoordiniert geflossen. Schon bald bildeten sich, erzählt Reinhardt, neue Strukturen der Verteilung. Mittlerweile habe jede Sparte eine Art eigener Infrastruktur, mit deren Hilfe die Beantragung und die Verteilung geregelt werde. Für die Sparte Theater und Kabarett beispielsweise sei die Organisation Inthega zuständig, die im Auftrag der Regierung alle Anträge prüfe und die Gelder verteile.
Unkomplizierter ist es dadurch allerdings nicht geworden: Die voraussichtlichen Kosten jeder Aufführung müssen im Antrag bis ins Detail angegeben werden. Aber genau zu kalkulieren, sei nur möglich, wenn die Veranstalter wüssten, wie viele Karten sie verkaufen könnten. "Viele Menschen sind inzwischen nicht mehr bereit, die immer neuen Informationen aufzunehmen und sich darauf einzustellen. Die meisten bleiben deshalb bisher verhalten." Sehr unkompliziert hingegen sei es mit den Zuschüssen der Stadt Verden für kulturelle Veranstaltungen. Aus dem einstigen Kulturetat von etwa 16.000 Euro seien im Coronajahr 2020 44.000 Euro geworden. Dieselbe Summe sei auch in diesem Jahr der Beitrag der Stadt für ein möglichst abwechslungsreiches Kulturleben. Die Gelder fließen nicht nur in das Projekt Allerkultur, sondern beispielsweise in die Maiklänge, die Jazz- und Bluestage, die Dommusiken, Veranstaltungen in der Stadtbibliothek oder im Museum und vieles mehr.
Silvia Voige und Susanne Reinhardt hoffen, dass beim Verdener Publikum bald wieder etwas mehr Optimismus einkehrt. "Alle Veranstaltungen, die für die nächsten Monate geplant sind, finden mit Sicherheit statt", stellt Voige klar. Sie weist auch auf die Lesung mit Kriminalist Axel Petermann am 17. September hin: "Ab sofort können hierfür Karten gekauft werden." Mit "Spatz und Engel" wird die Abo-Theatersaison 2020/21 am 15. Oktober schließen. Für die Saison 2021/22 ist neben den neuen Stücken "Unter der Drachenwand" und "Aus dem Nichts" sowie dem Kabarett mit Christian Ehring die nachgeholte Othello-Vorstellung mit der Konzertdirektion Landgraf geplant.