Sie bezog Arbeitslosengeld II und ging gleichzeitig arbeiten. Ihre Teilzeittätigkeit für eine Reinigungsfirma teilte sie dem Jobcenter allerdings nicht mit. Als ihr die Behörde nach fünf Monaten auf die Schliche kam, kassierte die Verdenerin vor allem eine Strafanzeige - und in der Konsequenz nicht nur eine Anklage, sondern auch eine Verurteilung wegen Sozialleistungsbetrugs. Wäre es ihr Debüt vor Gericht gewesen, wäre sie womöglich glimpflich davongekommen. Aber da die 39-Jährige bereits mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten ist, muss sie demnächst für ein halbes Jahr in einer Justizvollzugsanstalt ihre Strafe absitzen.
Das Dasein hinter Gittern kennt sie schon. Und weil ihr ein Nachschlag nicht erstrebenswert erschien, wollte sie den auch partout vermeiden. Deshalb hatte sie gegen das im vergangenen November ergangene Urteil des Amtsgerichts Verden Berufung eingelegt. Dass ihr damit kein Erfolg beschieden sein würde, mag sie befürchtet haben. Allemal, nachdem der Verteidiger ihr noch einmal direkt vor der Verhandlung in zweiter Instanz die Vielzahl an negativen Fakten vor Augen geführt hatte. Aber die gelernte Verkäuferin mochte sich nicht den Schneid abkaufen lassen und ließ es darauf ankommen.
Einen Versuch sei es doch wert, meinte sie. Und musste dann schnell feststellen, dass das Landgericht ganz auf der Linie des Amtsgerichts lag und keine Gründe erkannte, an dessen Entscheidung zu rütteln. Raum für eine weitere Strafaussetzung zur Bewährung sehe man nicht, erklärte die Vorsitzende der 5. kleinen Strafkammer. Sie verwies dabei besonders auf die Tatsache, dass die Frau im relevanten Zeitraum zweifach unter laufender Bewährung gestanden habe. Dies habe sie indes nicht davon abgehalten, wieder straffällig zu werden.
Die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Angeklagte, die 2008 nach Achim, später nach Verden und zwischendurch auch zwangsweise für knapp ein Jahr ins Gefängnis umgezogen war, ist „langjährige“ Bezieherin von Grundsicherung für Arbeitssuchende, umgangssprachlich auch Hartz IV. Dass sie ab Mitte September 2019 als Reinigungskraft jobbte, hatte sie der Behörde verheimlicht - aus Sicht der Justiz keine saubere Sache und bei ihrer entsprechenden Vorbelastung umso folgenschwerer.
Gegen Bewährungsstrafe
Aufgeflogen war das Ganze, als die Frau im Februar 2020 den fälligen Antrag auf Verlängerung der Grundsicherungsleistung gestellt und wie gefordert ihre Kontoauszüge vorgelegt hatte. Da wurde rasch eins und eins zusammengezählt, und prompt hatte neben dem Landkreis auch wieder das Amtsgericht ein gewichtiges Wort mitzureden. Dass die Angeklagte vor Gericht auch redete, und zwar so, dass in der Urteilsbegründung „ein umfassendes Geständnis und Einsicht“ erwähnt wurden, änderte nichts an den Gesamtumständen. Und diese sprachen „auch aus präventiven Gesichtspunkten“ gegen eine weitere Bewährungsstrafe.
Das Bundeszentralregister enthielt bereits sieben Eintragungen. Verurteilungen hatte es stets wegen Sozialleistungsbetruges gegeben. Jetzt wird die Liste verlängert. Nach den deutlichen Worten der Richterin und Rücksprache mit dem Anwalt an ihrer Seite sah die Angeklagte endlich ein, dass sie auch beim Landgericht auf Granit beißen würde. Die Berufung wurde zurückgenommen, das Urteil damit rechtskräftig. Es umfasst auch die Einziehung der unterm Strich zu viel erhaltenen staatlichen Unterstützung, rund 1300 Euro.
Kurzer Prozess - kurzes Finale für den Verdener Juristen Jochen Zersin. Zumindest als Strafverteidiger wird der renommierte Rechtsanwalt, der lange in Langwedel eine Kanzlei betrieb, die standesgemäße schwarze Robe nicht mehr überstreifen. Mit 66 Jahren möchte er sich demnächst aus dem Beruf zurückziehen.