Enno Hempel rührt kräftig die Werbetrommel. Der von ihm mitgegründete Verein zur Förderung von Wissenschaft um Pferd und Wolf, kurz VFWPW, präsentiert sich nun erstmals groß auf einer Messe. Bei der Equitana Open Air in Neuss können sich die Besucher an diesem Wochenende, 23. bis 25. Juli, über diese Spezialthematik informieren. Die Vereinsmitglieder sind am Stand der VFD, Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland, zu finden. Herdenschutzexperte Peter Schütte referiert dort über Herdenschutzvorhaben. Als wissenschaftliche Expertin steht Konstanze Krüger von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen Rede und Antwort. Von Neuss aus geht es für den in Verden ansässigen Verein Anfang August gleich weiter zum Festival des Pferdesports nach Mannheim.
Die VFD hat sich erst kürzlich mit der Nürtinger Professorin, dem Nabu-Projekt Herdenschutz Niedersachsen sowie mit Enno Hempel vom Verein zur Förderung von Wissenschaft um Pferd und Wolf unter dem Dach des EU-Life-Projektes Euro Large Carnivores zusammengeschlossen. Ziel sei ein fundierter Wissenstransfer zwischen Pferdehaltenden und Praktikern im Themenfeld Wolf und Herdenschutz. Damit solle die für alle Beteiligten tragbare Koexistenz zwischen Menschen, Weide- und Wildtieren gefördert werden.
Priorität liegt auf Herdenschutz
Laut Naturschutzbund (Nabu) rechtfertigen Bestandsgröße und Risszahlen derzeit "keine undifferenzierten Abschüsse" des Wolfes. Der Nabu spricht sich daher für einen "konsequenten Herdenschutz statt einer Obergrenze" aus. Nach wie vor seien weniger als zwei Prozent der Nahrungstiere der heimischen Wölfe Nutztiere. Die Nutztierrisse seien in erster Linie in Gebieten gestiegen, in denen sich die Weidetierhalter noch nicht auf den Wolf eingestellt hätten. In Gegenden, in denen der Wolf bereits länger präsent sei, gingen hingegen auch die Risszahlen zurück. Mit seinem Projekt Herdenschutz Niedersachsen will der Naturschutzbund demonstrieren, wie Herdenschutzvorhaben funktionieren und Konflikte zwischen Wolf und Weidetierhaltungen, beispielsweise durch Unterstützung beim Bau wolfsabweisender Zäune, entschärft werden können.
Die Rückkehr des Wolfes bereitet nicht nur Schäfern große Sorge, sondern natürlich auch Pferdehaltern und -züchtern. Während das Thema Herdenschutz landauf, landab diskutiert wird, bleiben Pferde jedoch oftmals außen vor. „Es liegen noch nicht ausreichend wissenschaftlich belastbare Informationen über die Interaktion Pferd und Wolf vor, die auf Deutschland bezogen zu praktischen beziehungsweise praktikablen Maßnahmen führen können“, erklärt Enno Hempel.
Empfehlungen lassen auf sich warten
Er weiß, dass der Isegrim polarisiert wie kaum ein anderes Tier und die Emotionen bei diesem Thema schnell hochkochen. Deswegen heißt es auch in der Satzung des neuen Vereins: „Der Verein bedient sich wissenschaftlicher Methoden und setzt eine für belastbare Informationen geeignete Vorgehensweise ein.“ Er verschreibt sich daher laut Statuten der Zusammenarbeit mit Institutionen und Wolfsexperten.
Das Pferd gehört nicht per se in das Beuteschema des Isegrims. Der Anteil an Pferderissen durch Wölfe bewegt sich deutschlandweit (Stand 2019) laut Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) bei 0,4 Prozent. Die Fachwelt hat dennoch ein gesteigertes Interesse an Feldforschungen zu diesem Thema.
„Beim Herdenschutz spielen immer die Zusammensetzungen der Herde sowie Haltungsformen eine Rolle“, erklärt Enno Hempel. Ob sich Herdenschutzhunde auch in der Pferdehaltung, wie im Alpenraum getestet, bewähren, sei bislang noch zu wenig erforscht, um die Erkenntnisse auf Deutschland zu übertragen.