Im Amazon-Logistikzentrum "BRE4" in Achim dreht sich alles um Kleinkram. In den Hallen lagern nur Teile, die in einen handelsüblichen Wäschekorb passen. Wer also einen neuen Fernseher beim Online-Händler kauft, kann sicher sein, dass seine Bestellung nicht in Achim verarbeitet worden ist. Bei einem Buch, einem Mobiltelefon oder einem Paar Socken ist "BRE4" wieder im Spiel.
Heute vor einem Jahr hat Amazon sein Lager am Uesener Feld in Betrieb genommen. 15 Millionen Artikel lagern in den Hallen. 200.000 verlassen täglich den Standort, und etwa genauso viele kommen neu hinzu. Welche das sind, "weiß kein Mensch", sagt Standortleiter Jörn Asmussen. Den Überblick hat nur der Computer. Das bedeutet aber nicht, dass es bei Amazon nichts zu tun gäbe. Von der Warenannahme bis zum Verpacken der Bestellungen ist Handarbeit gefragt.
Aktuell sind dort 1800 Mitarbeiter beschäftigt. In der Vorweihnachtszeit sind es bis zu 2300. Sie arbeiten im Drei-Schicht-System rund um die Uhr an sechs Tagen in der Woche. Die meisten Beschäftigten, etwa 60 Prozent, kommen aus Bremen, sagt Asmussen. Ein Drittel der Beschäftigten wohnt im Landkreis Verden, die Hälfte davon in Achim. Der Rest verteilt sich auf das Umland.
Mitarbeiter wählen Betriebsrat
Vor einigen Tagen haben die Mitarbeiter von Amazon in Achim erstmals einen Betriebsrat gewählt. Verdi-Vertreter bekamen dabei nach Gewerkschaftsangaben die Mehrheit der Stimmen. Arbeitnehmervertreter berichteten von Beschwerden "über die überwiegend befristeten Verträge". Laut Verdi habe das Unternehmen die Gründung eines Betriebsrats am Standort Achim nicht leicht gemacht.
Dem widerspricht Standortleiter Asmussen. "Wir haben in allen Logistikzentren Betriebsräte", sagt er. Asmussen lobt die hohe Wahlbeteiligung in Achim. An seinem vorherigen Arbeitsplatz am Amazon-Standort in Winsen habe er immer "vertrauensvoll mit dem Betriebsrat zusammengearbeitet". Er gehe davon aus, dass dies in Achim genauso sein werde. Die Stimmung in der Belegschaft sei gut. Amazon beharrt seit seiner Ansiedlung in Deutschland auf einer Bezahlung im Segment der Logistikbranche. Verdi fordert einen Tarifvertrag auf Versandhandelsniveau. Deshalb ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Streiks an einzelnen Amazon-Standorten in Deutschland gekommen.

Seit einem Jahr ist das Logistikzentrum in Betrieb.
Bei Amazon in Achim liegt der Einstiegslohn nach Unternehmensangaben aktuell bei 12,22 Euro plus Extras. Zudem gebe es "ein umfangreiches Paket an Zusatzleistungen wie Mitarbeiteraktien oder betriebliche Altersvorsorge sowie viele Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung und zum Aufstieg". In Achim verdiene ein Versandmitarbeiter nach zwei Jahren mehr als 2800 Euro brutto im Monat – Fach- und Führungskräfte entsprechend mehr.
Im Reich der Roboter
Garantiert ohne Arbeitskampf verrichten etwa 3000 Roboter in Achim ihre Pflichten. Die schwarz-blauen Flitzer nennen sich "Drive" und sehen auf den ersten Blick aus wie autonome Rasenmäher. Sie übernehmen im Wesentlichen die Lagerarbeit. Kilometer lange Fußwege zwischen Regalen voller Kisten gibt es bei Amazon nicht. Es ist Aufgabe der Roboter, die Regale zu den Menschen zu bringen, damit sie dort Waren hineinlegen oder herausholen können.
Das Reich der Roboter erstreckt sich über die erste und zweite Etage und ist von mannshohen Zäunen umgeben. Wer dort hinein will, braucht eine Sicherheitsweste, um nicht von einem der rollenden Regale über den Haufen gefahren zu werden. Die gelben Plastikregale haben eine quadratische Grundfläche, sind etwa zweieinhalb Meter hoch und können von allen Seiten beladen werden. 15.000 von ihnen stehen akkurat aufgereiht auf dem Betonboden. Ein Stockwerk tiefer gibt es noch einmal so viele.
In den Regaltürmen gibt es allerlei Fächer, jeweils mit einer Buchstaben-Zahlen-Kombination und einem QR-Code beschriftet. Und in den Fächern liegt, was dort reinpasst. Ein System gibt es nicht. Buch, Handy und Socken können also direkt nebeneinander liegen oder Hunderte Meter voneinander entfernt sein. Auch das weiß nur der Computer. "Chaotische Lagerhaltung" nennt sich dieses Prinzip, dessen wesentlicher Vorteil darin liegt, dass der vorhandene Platz effektiv genutzt wird.
















Regal kommt zum Menschen
Kommt ein Lkw mit neuer Ware bei Amazon in Achim an, laden Mitarbeiter die Lieferung aus. Sie öffnen die Kartons und verteilen die Waren in schwarze Plastikkisten, sogenannte "Todes", die dann über Fließbänder auf den Weg ins Lager gebracht werden. Dort warten bereits Kollegen an Portalen zum Reich der Roboter. Die "Drives" fahren ein Regal vor, in dem noch Platz ist. Die Menschen scannen die Ware ein und verstauen sie in einem der Fächer. Eine Kamera erfasst automatisch, in welcher Ablage genau der Gegenstand landet. Ist das Regal voll, schickt der Mitarbeiter den Roboter per Knopfdruck fort und wartet auf den nächsten.
Bei einer Bestellung läuft es genau umgekehrt ab: Der Mitarbeiter sieht auf einem Bildschirm, welches Produkt gebraucht wird, der Roboter bringt das entsprechende Regal. Der Mensch fischt die geforderte Ware aus dem Fach, scannt sie ein und legt sie in einer der schwarzen Plastikkisten. Darin geht es zurück auf das Fließband, hinab ins Erdgeschoss zum Verpacken. Als letzter Schritt kommt ein Adressaufkleber auf das Paket, das dann per Lkw zu einem anderen Logistik- oder Verteilzentrum gebracht wird. Erst dann geht es zum Kunden.