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Zwischen Hutbergen und Eissel Gigantische Bohrmaschine unterquert die Aller in Verden

Vier Monate für 1,1 Kilometer: So lange wird die Bohrmaschine im Einsatz sein, die sich ihren Weg unter der Aller hindurch bahnt. Der Ernteclub Klein Hutbergen durfte dem massiven Gerät einen Namen geben.
22.07.2025, 17:20 Uhr
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Gigantische Bohrmaschine unterquert die Aller in Verden
Von Marie Lührs

. Bergarbeiten sind im norddeutschen Flachland die absolute Ausnahme. Und doch wacht in den kommenden Monaten die heilige Barbara, die Schutzheilige der Bergarbeiter in Verden über ein Bauprojekt. Insgesamt acht Monate lang wird sich eine gigantische Bohrmaschine ihren Weg unter der Aller hindurch bahnen. Die beiden Tunnel sollen künftig dafür sorgen, dass Strom aus Windenergie von Norden nach Süden transportiert werden kann. Damit bei dem Projekt alles gut läuft, gibt es bei der Taufe des tonnenschweren Spezialgeräts zahlreiche gute Wünsche und einen besonderen Glücksbringer.

Mit einer Sektflasche, ordentlich Schwung und einem lauten Knall haben Mischa Meininger, der Ortsbürgermeister von Döhlbergen-Hutbergen, und seine Stellvertreterin Silke Strothmann das massive Gerät auf den Namen Awella getauft. Der Name ist eine Eigenkreation, für die die Mitglieder des Ernteclubs Klein Hutbergen ihre Köpfe zusammengesteckt haben. Das erste A sowie die beiden L seien der Aller entnommen, das W und E erinnerten an die Weser, die Klein Hutbergen von der anderen Seite einrahme, erläutert Daniela Meyer-Paetz, die Vorsitzende des Vereins. "Möge Awella sicher und tief graben, aber die Verbindung zu Klein Hutbergen nicht verlieren", gaben die Taufpaten dem Bohrer mit auf den Weg.

Taufe hat Tradition

Die Taufe der Bohrmaschinen hat Tradition, auch wenn Awella streng genommen schon unter anderen Namen ihren Dienst getan hat. Denn mit Blick auf die Nachhaltigkeit werden die Komponenten der Maschinen wiederholt eingesetzt, für jedes Projekt allerdings neu aufbereitet und den jeweiligen Ansprüchen entsprechend zusammengesetzt.

Viel wird vom Schriftzug und anderen Aufklebern, die die Außenhaut der Awella zieren, wohl nicht mehr zu sehen sein, wenn sie nach vier Monaten auf der anderen Seite der Aller wieder das Licht der Welt erblickt. Denn durch die Reibung geht an der Oberfläche so manches verloren, weiß Bauleiter Ralph Küsters. Rund um die Uhr werde der Bohrer im Einsatz sein – nicht etwa, weil es so schneller gehe, sondern auch aus Sicherheitsgründen. Acht bis 14 Meter schaffe die Vortriebsmaschine abhängig von der Bodenbeschaffenheit innerhalb von 24 Stunden.

Kopf wie eine Parmesanreibe

Awellas Kopf ist mit zahlreichen Schneiderädern versehen. "Es ist wie eine Parmesanreibe", erklärt Küsters. Durch mehrere Öffnungen am Kopf dringt das zerkleinerte Erdreich in einen Hohlraum, in dem es mit Wasser angereichert wird, um eine pumpfähige Masse zu erzeugen. Die wird anschließend per Leitung durch das massive Gefährt bis hinaus aus der Baugrube befördert. Dort wird es schließlich in mehreren Durchgängen gesiebt. Eine Zentrifuge trennt abschließend Lehm und Wasser. Die Feststoffe werden auf dem Baustellengelände zwischengelagert und je nach Material entsorgt oder weiterverwendet.

Über die Arbeit von Awella wachen nicht nur zahlreiche Fachleute. Auch eine handgeschnitzte Figur der heiligen Barbara hat die Arbeiten im Blick. In der Baugrube wurde extra für sie eine kleine Kammer gefertigt – inklusive LED-Beleuchtung – damit sie dem Projekt rund um die Uhr zum nötigen Erfolg verhelfen kann. Damit ergeht es der Replik besser als der echten Barbara. Die soll laut Überlieferung im dritten Jahrhundert vor ihrem Vater geflohen sein und in Felshöhle Schutz gefunden haben. Die dauerhafte Sicherheit war ihr jedoch nicht vergönnt. Ihr Leben nahm außerhalb der Höhle ein tragisches Ende.

Für Awella hingegen soll es ein gutes Ende geben. Ihr Weg unter der Aller hindurch verlaufe bananenförmig, erklärt Küster. Ihr Kopf lasse sich in verschiedene Richtungen neigen, um die Richtung anzupassen.

Eine Tour dauert vier Monate

Wenn die über 100 Tonnen schwere Awella die Aller unterquert hat, wird sie in Eissel aus der Baugrube gehoben und per Lkw wieder ans andere Ufer gebracht. Nach Aufbereitung und einer technischen Untersuchung bricht sie von dort aus zu einer weiteren Mission auf. Vier Monate später sind dann beide Röhren, die sogenannten Düker, komplett. Durch die jeweils etwa 1,1 Kilometer langen Tunnel mit einem Durchmesser von rund zweieinhalb Metern werden jeweils sechs Hochspannungsleiterungen verlegt. Sie verlaufen in einer Tiefe von bis zu 11 Metern. Mindestens 30 Jahre lang sollen sie Bestand haben.

"Das unterirdische Verfahren vermeidet große offene Baustellen. Dadurch bleibt die Fläche oberhalb des Tunnels – etwa Gewässer, Wege oder schützenswerte Biotope – intakt. Für Umwelt und Landschaft ist der Rohrvortrieb damit besonders verträglich", heißt es vom ausführenden Unternehmen.

Für das Aller-Weser-Dreieck sei der Bau des Tunnels ein ganz besonderes Projekt, sagt Meininger. Äcker mussten umgegraben und Bäume gefällt werden. Und auch an den Straßen ließe sich der zunehmende Verkehr rund um die Baustelle ablesen. Dennoch begleite ein Gros der Bewohnerinnen und Bewohner das Projekt gespannt. Damit das Vorhaben glückt, brachten die Anwohner noch ein kleines Hufeisen mit.

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