Für Margrit Prohaska ist Schluss mit lustig. Sie sieht rot und stürmt zu allem entschlossen das Lehrerzimmer. Weshalb? Sie will am Gymnasium ihres Sohnes eine Zeugniskonferenz erzwingen, um durchzusetzen, dass ihm doch noch der ersehnte, fehlende Punkt zugestanden wird, damit er zum Abitur zugelassen wird. Zu diesem Zweck hat sie alle Personalakten gekapert, um alle großen und kleinen Vergehen der Lehrerschaft schonungslos offen zu legen. Das Ensemble des Union Theaters hat sich für seine neueste Premiere für Jan Weilers "Eingeschlossene Gesellschaft" entschieden. Bekannt geworden ist der Autor unter anderem mit dem Roman "Maria, ihm schmeckt's nicht", aber auch mit dem bissigen "Pubertier". Premiere ist am Donnerstag, 25. April, um 19.30 Uhr, im Bremer Kriminaltheater in Walle.
Seelenstriptease im Lehrerzimmer
Margrit Marquardt aus der Neustadt, Rentnerin und seit langem begeisterte Amateur-Schauspielerin, die die fuchtige Mutter Prohaska trefflich gibt, sieht in dem Stück eher eine Tragikomödie. Denn diese eingeschlossene Gesellschaft wird zum erbarmungslosen Seelen-Striptease, bei dem jede und jeder gezwungen wird, die Hüllen der allzu menschlichen Unzulänglichkeiten fallen zu lassen. Dass Bremen traditionell Pisa-Studien-Schlussland ist, steigert die Aktualität noch. Das Stück wirkt zuweilen wie ein Kommentar zur Bremer Bildungsmisere. Die Komödie weckt zudem auch bei den Ensemble-Mitgliedern Erinnerungen an die eigene Schulzeit. "Na klar, wir hatten auch so einen Herrn Engelhardt", erinnert sich die eine oder der andere.
Rabiate Mutter
Klaus Engelhardt, Oberstudiendirektor, hätte sich den Titel Pauker gnadenlos redlich verdient. Während Weiler ihn dessen Schützlinge dressieren lässt, blickt der Lehrer großzügig über seine eigenen Verfehlungen hinweg. Ansgar Matuschak aus Schwachhausen geht als Engelhardt in die Verteidigungs-Offensive. Denn Mutter Prohaskas Recherchen haben es in sich. "Sie haben sich der schweren Untreue schuldig gemacht", wirft sie ihm an den Kopf und rechnet vor, wie viel er jedem Einzelnen seiner Schützlinge anlässlich einer Klassenfahrt nach Rom zu viel abgeknöpft hat. Und auch Kollegin Heidi Lohmann, die von der Kattenturmerin Anja Gomez auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Zickigkeit balancierend gegeben wird, ist kein unbeschriebenes Blatt. Ihre Devise: "Ich hasse die Jugend nicht, ich kann sie bloß nicht ausstehen". Da kann es dann auch schon mal eine Tracht Prügel setzen, sobald sich die verbitterte Lehrerin an ein unschönes Erlebnis aus ihrer Studienzeit zurückerinnert: Sie sei ihrem Idol Georges Moustaki hinterher gereist und habe sogar von ihm einen Kuss auf die Wange bekommen. Doch dann habe eine "kleine Schlampe" die gemeinsame Zukunft, die sie sich mit dem Chansonnier erträumt hatte, zunichte gemacht, so ihre Version. Eine traumatische Erfahrung, die offenbar das Verhältnis zu ihren späteren Schülerinnen geprägt hat. Mutter Prohaska kann es nicht fassen: "Das ist ja eine schöne Gesellschaft hier: Eine Schlägerin, ein Denunziant, ein Dieb und Betrüger, keiner von Ihnen sollte eigentlich hier sein", schimpft die im Stück vierfache Mutter.
Neuzugang als Gast
Motziger Kommentar von Lohmanns jungem Kollegen Peter Mertens: "Sie haben doch echt einen an der Murmel!" Tom Vollbrecht, Neuzugang am Union Theater, ist eine Leihgabe des Theaters am Deich. Dort hat er die Liebe zum Schauspiel quasi mit der Muttermilch aufgesogen, da seine Mutter zum Vorstand des Amateurtheaters gehört. Vollbrecht steht schon seit neun Jahren auf den Brettern, die auch für Amateurschauspieler die Welt bedeuten.
Erfolgreicher Schauspieler
Regisseur Christoph Jacobi feilt minutiös an jeder Nuance, bricht ab, korrigiert und ermutigt. Jacobi ist nach seinen Anfängen bei der Bremer Shakespare Company zum gut gebuchten Film- und Fernsehschauspieler avanciert. 2007 spielte er in "Paula, Geschichte einer Malerin" Otto Modersohn, den Ehemann von Paula Modersohn-Becker. In den vergangenen Jahren zudem in beliebten TV-Formaten wie den Soko-Folgen, in der "Küstenwache", in den "Bergrettern" und "In aller Freundschaft". Unterdessen scheint nicht nur in der eingeschlossenen Gesellschaft des Lehrerzimmers die Situation allmählich außer Kontrolle zu geraten. Denn es beginnt auch im Labor von Chemielehrer Bernd Vogel (alias Stefan Lüers) bedenklich zu brodeln. Denn auch das Lehrerzimmer wird zum emotionalen Versuchslabor. Da hilft es auch nicht, dass Jochen Schmidtmeyer als Vertrauenslehrer Holger Ahrndt stets auf Ausgleich bedacht ist. Und auch, wenn wohl jede und jeder schon einmal das zweifelhafte Vergnügen mit einem Studiendirektor Engelhardt hatte: Schmidtmeyer ist sich mit seinen Ensemble-Kollegen einig: "Wir alle haben auch tolle, engagierte Lehrer gehabt, die uns sehr gefördert haben". Lehrer seien schließlich auch nur Menschen.
"Eingeschlossene Gesellschaft von Jan Weiler hat am Donnerstag, 25. April, um 19.30 Uhr, als Gastspiel des Union Theaters Premiere im Bremer Kriminal Theater, Theodorstraße 13a. Weitere Aufführungstermine: Donnerstag, 25. April, um 19.30 Uhr, Freitag, 26. April, 19.30 Uhr, sonnabends, 27. April und 4. Mai, um 18 Uhr, sonntags, 28. April und 5. Mai sowie Mittwoch, 1. Mai, um 16 Uhr. Dienstag, 30. April, Donnerstag, 2. Mai und Freitag, 3. Mai, um 19.30 Uhr. Karten zum Preis zwischen 16 und 26 Euro sind erhältlich bei Nordwest-Ticket, im Pressehaus, Martinistraße 43 sowie unter Telefon 36 36 36 sowie in der Geschäftsstelle des Union Theaters, Blumenthalstraße 17, montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr.