Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Neustart in Armenien Nach Abschiebung aus Lemwerder: Familie muss neues Leben aufbauen

Edvard K. wurde mit Familie aus Lemwerder nach Armenien abgeschoben. Während er als Taxifahrer ums Überleben kämpft und sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, schwindet die Hoffnung auf eine Rückkehr.
09.02.2024, 18:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Nach Abschiebung aus Lemwerder: Familie muss neues Leben aufbauen
Von Barbara Wenke

Edvard K., der Anfang November gemeinsam mit Ehefrau Mariam und den beiden gemeinsamen Töchtern in einer nächtlichen Aktion von Lemwerder nach Armenien abgeschoben wurde, arbeitet mittlerweile als Taxi-Fahrer. In einer Mail an die Redaktion berichtet der Familienvater, dass das Startkapital für den neuen Lebensunterhalt aus Lemwerder stammt. Die Familie lebt zurzeit in einer Stadt westlich der armenischen Hauptstadt Jerewan.

Mit dem Taxi-Fahren verdient Edvard K. den Lebensunterhalt für seine Familie nach eigenen Worten mehr schlecht als recht. Das Geld für das Auto stammt von Freunden aus Lemwerder, die das Bürgerbündnis "Lemwerder hilft – Unterstützung für Mariam und Edvard" gegründet haben. So kann er es sich gerade leisten, 10.000 Dram (umgerechnet 22,50 Euro) pro Tag für die Wagenmiete auszugeben.

Allerdings kann Edvard K., abhängig von seinem Gesundheitszustand, sein Taxi nur wenige Stunden pro Tag lenken. "Da ich ständig Medikamente einnehme, die mir ein Psychiater verschrieben hat, kann ich mich nicht mehr lange der Arbeit widmen. Die Medikamente machen mich oft taub und schläfrig." Er schaffe es kaum, Miete und Benzin zu bezahlen. Es hilft, dass Ehefrau Mariam zumindest bis zum Ende des Schuljahres als Vertretungslehrerin an einer Schule angestellt ist. Doch das Monatsgehalt sei mit 77.000 Dram (175 Euro) sehr niedrig.

Familie war nur noch geduldet

Im Dezember 2021 waren Edvard und Mariam K. mit ihren beiden Töchtern aus der Bürgerkriegsregion Berg-Karabach nach Deutschland geflüchtet. Im darauffolgenden April kamen sie nach Lemwerder, wo sie sich nach Aussagen von Freunden und Bekannten gut einlebten. Die Mädchen besuchten Kindergarten und Schule. Die Ehefrau besaß einen Arbeitsvertrag mit einem Träger für Kinder und Jugendhilfe in Vegesack. Der Ehemann hattet einen Job als Koch in Aussicht. Die Familie fühlte sich rundum wohl.

Allerdings lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Asylantrag ab und forderte Edvard und Mariam K. zur freiwilligen Ausreise auf. Die Familie war nur noch geduldet. Von einem Stichtag, bis zu dem sie Deutschland verlassen muss, wusste sie nach eigener Aussage nichts.

Die Abschiebung der Familie sei rechtlich in Ordnung gewesen, urteilt Sivalingam Sireetharan, der Migrationsberater beim Verein für interkulturelle Arbeit "Refugium Wesermarsch" in Brake ist. Er kenne den Fall nur aus Erzählungen, wundert sich aber, dass kein Härtefallantrag gestellt wurde. "Die Situation in Berg-Karabach ist nicht mehr so, wie sie bei der Ausreise der Familie war", begründet Sireetharan.

Miriam und Edvard K. sind nicht in ihre Heimat Berg-Karabach, sondern nach Armenien abgeschoben worden. Dort reichten ihre finanziellen Mittel derzeit kaum, um alle Stromrechnungen und Lebensmittel zu bezahlen, berichtet Edvard K. "Es bricht mir das Herz, wenn es Tage gibt, an denen die Kinder hungrig zu Bett gehen." In Deutschland hätten ihnen der Staat und viele Organisationen und Menschen sehr geholfen.

Aufmunterung aus Lemwerder

Dank des Spendengeldes aus Lemwerder habe er eine Wohnung mieten sowie Lebensmittel und Schulmaterial für die Mädchen kaufen können, teilt der Familienvater mit. Einen großen Teil des Geldes verschlingen die Medikamente für seine psychiatrische Behandlung. Sein Zustand habe sich nach der Abschiebung verschlechtert, teilt Edvard K. mit.

Aufmunterung kommt aus der südlichen Wesermarsch. "Wir kommunizieren mit unseren Freunden und Bekannten in Lemwerder", schreibt der Familienvater. Deutschlehrerin Ingelore Achenbach schicke sogar Deutschmaterialien, damit das Ehepaar sein Deutschstudium fortsetzen könne. Denn das große Ziel lautet, nach Deutschland zurückzukehren.

Lesen Sie auch

Eine Zukunft in Armenien können sich Edvard und Mariam K. nach eigenen Worten nicht vorstellen. Aufgrund von Vorfällen aus seiner Zeit als Armee-Angehöriger, fürchte er um sein Leben. Edvard K. meidet belebte Orte. Möchte nicht erkannt werden. "Viele meiner Verwandten wissen nicht einmal, dass ich in Armenien bin."

Er habe den Behörden in Braunschweig und Oldenburg die Kriegsvorfälle als Gründe für sein Asylersuchen angezeigt, berichtet Edvard K. "Aber der Richter hat diese Tatsachen ignoriert", schreibt der Familienvater. Seine Mail endet düster: "Meine Tage vergehen ohne Hoffnung."

Rund 3000 Kilometer gen Nordwesten besteht die Hoffnung hingegen fort, dass die Familie zurückkehren kann. Das Bürgerbündnis "Lemwerder hilft – Unterstützung für Mariam und Edvard" steht mit Anwälten in Kontakt. Und Sivalingam Sireetharan vom "Refugium Wesermarsch" bringt sie Möglichkeit eines Arbeitsvisums ins Spiel.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)