Mist und Gülle sollen grünes Gas erzeugen; von Schweine-Gülle soll hauptsächlich klares Wasser übrig bleiben. Zwei geplante Großprojekte am Küstenkanal zwischen der Stadt Friesoythe und der Gemeinde Saterland (Kreis Cloppenburg) entzweien Bürger, Parteien und die Kommunalpolitik. Die Befürworter erhoffen sich neben innovativen Investitionen und 100 neuen Arbeitsplätzen saubere Energie und eine Entschärfung der erheblichen Dünge-Probleme in der Region. Die Gegner warnen vor Gestank und Lärm, Gift im Wasser, vollen Straßen und einem Ausbau der heimischen Agrar-Indus-trie. „Uns bleibt die Luft weg“, kritisiert die örtliche Bürgerinitiative. „Die Gülle-Stadt Friesoythe lässt grüßen.“
Mehr als 40 Gärbehälter will die Firma Revis bioenergy aus Münster auf dem Gelände des Zweckverbandes C-Port am Küstenkanal für eine hochmoderne Biomethan-Anlage errichten. Jährlich eine Million Tonnen tierischer Hinterlassenschaften – 80 Prozent Festmist etwa aus Geflügelställen, 20 Prozent Gülle – sollen dort zu Gas aufbereitet und dieses dann entweder direkt ins örtliche Netz eingespeist oder zu LNG verflüssigt werden. Mindestens 100 Millionen Euro sind für das Projekt veranschlagt, das in Europa derzeit als das größte seiner Art gilt. Man setze ausschließlich Wirtschaftsdünger von regionalen Betrieben, also weder nachwachsende Biomasse wie Energiemais noch Schlachtabfälle ein, versichert Revis-Geschäftsführer Simon Detscher.
Das zweite Vorhaben ist eine neuartige Transformationsanlage, die pro Jahr eine Milliarde Liter Schweine-Gülle in seine Bestandteile zerlegt. Phosphat, Kalium und Stickstoff sind für die Wiederverwertung vorgesehen. Das geklärte Wasser soll über eine 3,5 Kilometer lange Pipeline in die Sagter Ems gepumpt werden, die im Gegensatz zum Küstenkanal ein fließendes Gewässer ist. Die Genehmigung des Landkreises liegt bereits vor. „Wir bauen keinen Entsorgungsbetrieb, sondern schaffen eine technische Lösung für die Nährstoffüberschüsse der Region“, sagt Kaufmann Gert Stuke, Chef der Firma Kaskum aus Friesoythe, die 15 Millionen Euro investieren will.
Beide Unternehmen wollen ihren Betrieb im Laufe des nächsten Jahres aufnehmen. Am Dienstag segnete der Verbandsausschuss des C-Ports die nötigen Grundstückskaufverträge ab. Dadurch können die Firmen ihre Bau- und Betriebsgenehmigungen beantragen. Vorausgegangen war ein heftiger Streit zwischen den beteiligten Kommunen. Betreiber des Hafengeländes sind zu ungefähr gleichen Teilen der Landkreis Cloppenburg, die Stadt Friesoythe und die Gemeinde Saterland. Während Landrat Johann Wimberg (CDU) und Friesoythes Stadtoberhaupt Sven Stratmann (SPD) glühende Anhänger der Großprojekte sind, gibt sich Saterlands Bürgermeister Thomas Otto (Grüne) skeptisch. „Es sind noch erhebliche Fragen offen.“ In der Bevölkerung gebe es viele Ängste und Bedenken wegen der Abwässer, der Belastungen der Luft und des zusätzlichen Verkehrs von 100.000 Lastwagenfahrten für die Anlieferung von Mist und Gülle auf den Bundesstraßen B 72 und B 401.
Im Februar hatte Otto die Pläne, über die bereits seit mehreren Jahren verhandelt wurde, öffentlich gemacht und sich dadurch von seinen beiden Kollegen den Vorwurf des Vertrauensbruchs eingehandelt. In einem Brief an die Verbandsmitglieder kritisiert Stratmann „mediale Inszenierungen“ und warnt vor „Legendenbildungen“ und Falschinformationen „aus unseren Reihen“. Mit einem Faktencheck versucht der SPD-Bürgermeister, die Argumente der Gegner zu entkräften. „Es werden keine ungereinigten Abwasser in die Sagter Ems geleitet“, schreibt er und verweist auf die entsprechende EU-Richtlinie. „Die möglichen Lärmemissionen sind vergleichbar mit einem Kühlschrank sowie einem Pkw in 15 Metern Entfernung.“
Um Transparenz bemühen sich auch die beiden Unternehmer. Oft sehr detailreich beantworten Detscher und Stuke auf einem Portal von C-Port die Fragen besorgter Bürger etwa zu Hochwasserrisiken, Antibiotika- Rückständen in der Gülle oder zur Rußentwicklung des erzeugten Gases. Dabei verspricht der Revis-Chef auch, dass die Gewerbesteuer vor Ort verbleiben werde. Welchen Obolus die Landwirte für die Abnahme ihrer Gülle zu entrichten haben, verrät Detscher nicht. Stuke dagegen spricht von einer Zuzahlung von zehn Euro pro Kubikmeter. „Hier wird ja sprichwörtlich aus Scheiße Gold erwirtschaftet“, kommentiert ein Saterländer Einwohner süffisant.
Regierung unterstützt Projekte
Volle Unterstützung erhalten die geplanten Gülle-Fabriken von der rot-schwarzen Landesregierung in Hannover. „Mit den Projekten sind wir weiter auf dem Weg in eine moderne Landwirtschaft und können das Gülle-Pro-blem zielgerecht lösen“, lobte Umweltminister Olaf Lies (SPD) Ende Mai nach einem Besuch vor Ort, verband dies allerdings auch mit einer Mahnung. „Das darf natürlich nicht dazu führen, dass die Tierhaltung in dieser Region noch zunimmt.“ Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) spricht von „zukunftsweisenden Technologien“, die möglich machten, was Bürger und Politik wollten: „weniger Belastungen des Grundwassers in der Region und grüne, ökologische Kraftstoffe.“ Grünen-Fraktionsvizechefin Miriam Staudte beklagt dagegen ein „Rumdoktern an Symptomen“. Die wahre Ursache für das Gülle-Problem, nämlich die Massentierhaltung, werde nicht angegangen.