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Niedersachsen Jetzt auch noch eine Strafanzeige

Wolfsabschüsse beschäftigen immer mehr die niedersächsische Justiz. Umweltminister Olaf Lies (SPD) gerät zunehmend ins Visier von Opposition, Umwelt- und Tierschutzverbänden.
19.01.2022, 16:23 Uhr
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Jetzt auch noch eine Strafanzeige
Von Peter Mlodoch

Wegen der umstrittenen Wolfsabschüsse hat Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) mittlerweile an drei juristischen Fronten zu kämpfen. Nach dem Grünen-Gang gegen die Geheimhaltungspolitik der rot-schwarzen Landesregierung vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg und der Normenkontrollklage der Naturschutzverbände Nabu und WWF gegen die Wolfsverordnung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg droht nun auch noch strafrechtlicher Ärger. Die Tierrechtsorganisation Peta hat nach der Tötung einer jungen Wölfin im Amt Neuhaus bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg Anzeige gegen den noch unbekannten Jäger, Verantwortliche in den Behörden und namentlich Ressortchef Lies erstattet.

Die Tierschützer sehen in der vor knapp zwei Wochen erfolgten „Entnahme“ der Fähe Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz und das Tierschutzgesetz. Danach drohen bis zu fünf Jahre Haft für die illegale Tötung eines geschützten Wildtieres. „Wir halten das, was in Niedersachsen passiert, für geradezu unerträglich“, sagte Peta-Experte Edmund Haferbeck dem WESER-KURIER. Es handele sich inzwischen um den fünften Fehlabschuss, der nicht durch eine Ausnahmeregelung gedeckt sei. Auch Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer hatte von einem rechtswidrigen Akt gesprochen und ein Moratorium für weitere Wolfstötungen gefordert.

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Am 8. Januar war an der Elbe eine ein- bis zweijährige Wölfin erschossen worden. Es gab zwar eine behördliche Ausnahmegenehmigung für die „Entnahme“ von zwei der streng geschützten Tiere des dortigen Rudels, das für zahlreiche Risse von Nutztieren verantwortlich gemacht wird. Aber diese beiden konkret bezeichneten Wölfe, der Rüde GW 1532m und die Fähe GW 872f, erwischte es nicht. Das Vorgehen sei dennoch von der Abschusserlaubnis gedeckt, betont Ministeriumssprecher Christian Budde: „Es gibt keinen falschen Wolf.“

Das Umweltressort verweist darauf, dass Wölfe in Rudeln und in der Dämmerung jagten. Unter Geländebedingungen sei es so gut wie unmöglich, Einzeltiere zu unterscheiden. „Der Bundesgesetzgeber hat daher für solche Fälle ausdrücklich vorgesehen, einzelne Tiere aus Problem-Rudeln bis zum Ausbleiben von Schäden zu töten.“ In den letzten vier in Niedersachsen vollzogenen Abschüssen (Herzlake, Rodewald, Ebstorf, Burgdorf) habe sich gezeigt: „Es genügt unter Umständen, je einen einzigen Wolf aus dem Rudel zu entnehmen, um die Schäden an durch Herdenschutzmaßnahmen gesicherten Weidetieren so deutlich zu reduzieren, dass dort bisher keine weiteren Abschüsse erforderlich geworden sind.“

Problemrudel in den Landkreisen Osterholz und Cuxhaven

Inzwischen hat das Land allerdings seine Praxis geändert. Für die beiden benachbarten Problemrudel in Garlstedt (Landkreis Osterholz) und Schiffdorf (Landkreis Cuxhaven) erteilte der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Ende vergangener Woche eine Abschusserlaubnis für ein Tier, ohne dieses konkret zu benennen. Nach erfolgtem „Vollzug dieser Entnahme“ werde man schauen, ob die Angriffe auf Schafe und andere Weidetiere nachließen oder ob man die Ausnahmegenehmigung für weitere Tiere verlängern müsse, so das Ministerium.

„Wahllose Wolfstötungen verhindern keine Nutztierrisse“, kritisiert dagegen die Grünen-Abgeordnete Eva Viehoff aus Loxstedt (Kreis Cuxhaven). Nötig seien vielmehr ein flächendeckender, wirksamer Herdenschutz und die Unterstützung von Tierhaltern durch eine Weidetierprämie. Ähnlich argumentiert Nabu-Landeschef Holger Buschmann, der mit seiner im November beim OVG eingereichten Klage die Wolfsverordnung des Landes mit ihren Entnahmevorschriften kippen will (Aktenzeichen 4 KN 226/21).

Urteil des Staatsgerichtshofes wird am 8. Februar erwartet

Gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Meyer will Viehoff zudem mit einer Parlamentsanfrage von der Landesregierung wissen, warum diese diesmal im Fall Garlstedt/Schiffdorf keine Geheimhaltung zum Schutze Dritter erforderlich gehalten habe. Genau mit diesem Argument hat das Umweltressort bislang alle Auskünfte zu bevorstehenden Wolfsentnahmen verweigert. Um eine Offenlegung aller Abschussgenehmigungen zu erreichen, sind die Grünen vor den Staatsgerichtshof gezogen. Dessen Urteil wird am 8. Februar erwartet.

„Minister Lies kommuniziert nach Gutsherrenart“, schimpft Meyer. „Informationen zu geplanten Wolfsabschüssen werden nur dann herausgegeben, wenn es der Eigenwerbung des Ministers passt.“ Das Umweltressort selbst rechtfertigt seine neue verhaltene Auskunftsfreude. Die betroffenen Antragsteller, zwei CDU-Lokalpolitiker aus den beiden Landkreisen, seien von sich aus mit der erteilten Abschusserlaubnis an die Öffentlichkeit gegangen. Ein Bedürfnis nach Geheimhaltung bestehe daher nicht mehr.

In ihrer siebenseitigen Strafanzeige rügt Peta die Abschuss-Praxis insgesamt: „Wölfe sollen nach dem Willen der niedersächsischen Landesregierung sterben, damit Schäfer keine finanziellen Einbußen haben. Das ist ein höchst unethisches Motiv.“ Denn von dem vermeintlichen „Idyll auf der Weide“ könne keine Rede sein, erklärt Agrarwissenschaftler Haferbeck: „Schafe werden fast immer gewaltsam im Schlachthaus getötet – mit allem, was in der Tierindustrie dazu gehört: Tiertransporte, Fehlbetäubungen, Angst und Schmerzen.“

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