Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Risse in Osterholz und Cuxhaven Abschuss eines Wolfs als letztes Mittel

52 Angriffe auf Weidetiere im Bereich Osterholz und Cuxhaven sind dem Land bekannt. Anfang Dezember sorgte der Tod von 32 Schafen für weitere Aufregung. Nun soll ein Wolf aus zwei Rudeln geschossen werden.
19.01.2022, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Abschuss eines Wolfs als letztes Mittel
Von Brigitte Lange

Landkreise Osterholz/Cuxhaven. Normalerweise ist Christian Budde extrem zurückhaltend, wenn ihm Fragen zur sogenannten Entnahme von Wölfen gestellt werden. Darüber, so bemerkt der Pressesprecher des niedersächsischen Umweltministeriums, informiere das Land erst nach Vollzug. Sprich: Wenn ein Wolf geschossen worden ist. Dass er im aktuellen Fall eine Ausnahme macht, ist der Tatsache geschuldet, dass die beiden Antragsteller selbst die Öffentlichkeit gesucht haben. "Das macht diesen Fall ungewöhnlich", sagt Budde. Schließlich diene die Geheimhaltung unter anderem dem Schutz der Antragsteller.

Wie berichtet, hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auf Antrag eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Wolfes aus dem Schiffdorfer oder dem Garlstedter Rudel bewilligt. Dass sich die Erlaubnis auf kein konkretes Tier bezieht, sei dabei kein Versehen der Behörde, bestätigt Budde. Allerdings eine Premiere.

Zur Erteilung der Abschusserlaubnis sei das gesamte "Rissgeschehen" im betroffenen Gebiet betrachtet und geprüft worden, betont er: "Seit 2018 sind es 52 Wolfsangriffe gewesen, bei denen 156 Weidetiere geschädigt wurden." Neben Schafen seien Rinder und Pferde getötet, seien Hobby- und gewerbliche Halter geschädigt worden. Der Angriff auf die Schafe im Außendeichbereich zwischen Neuenkirchen und Rade mit 32 toten Tieren Anfang Dezember, der letztlich Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) an die Weser führte (wir berichteten), sei nur einer davon gewesen. Deshalb werde der inzwischen per Labor-Analyse ermittelte Angreifer – ein Wolf mit der Kennung GW2403m – nicht explizit in der Genehmigung genannt, erläutert Budde. 

Lesen Sie auch

Möglich macht dies der Paragraf 45 des im Jahr 2020 geänderten Bundesnaturschutzgesetzes. Er erlaubt den Abschuss einzelner, unbestimmter Mitglieder eines Rudels, wenn die Risse keinem bestimmten Tier zuzuschreiben sind. So wie im Fall der vom NLWKN angeführten Gemengelage aus 52 Angriffen.  

Auflagen für Entnahme

Voraussetzung sei, dass zwischen den Rissen und dem Rudel ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht. Dies trifft laut aktuellem Genehmigungsschreiben auf die Schiffdorfer und Garlstedter Tiere zu. Gleichzeitig stellt die Abschusserlaubnis klar, dass ein Wolf aus diesen Rudeln nur auf den Flächen der Gemeinden Schiffdorf, Beverstedt, Loxstedt und Hagen sowie Schwanewede und Holste geschossen werden darf. Und dies nur in einem Radius von 500 Metern um Schaf-, Rinder- und Pferdehaltung. Damit hat das NLWKN konkrete, geeignete Personen beauftragt.

"Die Entnahme eines Wolfes kann und darf nur der letzte Schritt sein", sagt der Pressesprecher. Aber: "Alle anderen Mittel zum Schutz der Nutztiere sind hier ausgeschöpft." Auch wenn es, wie er ebenfalls bestätigt, bei Weitem nicht in allen der Cuxhavener und Osterholzer Risse Herdenschutzmaßnahmen gegeben habe. Die Schafe, die im Dezember an der Weser angegriffen wurden, seien allerdings geschützt gewesen, betont er und ergänzt: "Fünf Millionen Euro investiert Niedersachsen jährlich in solche Schutzmaßnahmen." In dieser Summe sind auch die Ausgleichszahlungen, die Viehhalter für den Verlust eines Tieres bekommen, enthalten.

Lesen Sie auch

"Geprüft wird eine Entnahme, wenn bei uns Anträge dazu eingehen", erläutert Budde weiter. Im aktuellen Fall seien es zwei gewesen. "Die Zahl ist jedoch irrelevant, wenn es um die Genehmigung geht", sagt er. Was zähle, sei das Ergebnis der fachlichen Würdigung, das Ergebnis der Prüfung des Gesamtgeschehens. Budde: "Wir sprechen hier schließlich von einer sehr, sehr geschützten Art", die nur dann geschossen werden dürfe, wenn der Schutz des Wolfes zum Schutz des Nutztieres in keinem Verhältnis mehr stehe. Auch weist er darauf hin, dass derzeit mehr als 400 Wölfe und 39 Rudel in Niedersachsen lebten. "Und die meisten sind unauffällig."

Ein einziges Tier

Aus den beiden Schiffdorfer und Garlstedter Rudeln zusammen genommen, darf nun ein einziges Tier entnommen werden. Sei ein Wolf erlegt, werde geschaut, ob die Angriffe aufhören. Tun sie es nicht, könne nach einer Prüfung eine weitere Entnahme genehmigt werden. Das Tier muss über ein halbes Jahr alt und darf keine milchbildende Wölfin sein. Letztere gebe es derzeit nicht, teilt das NLWKN mit. Welpen würden erst im April oder Mai geboren.

Dass der Abschuss eines Tieres aus einem Rudel seinen Zweck erfüllt, davon ist das NLWKN überzeugt. Vier Wölfe seien 2021, einer 2022 in Niedersachsen geschossen worden. Und während die Grüne-Landtagsfraktion diesbezüglich von Fehlschüssen und falschen Wölfen spricht, erklärt Budde: "Es gibt keine falschen Wölfe." Wölfe jagten in Rudeln, es seien immer mehrere am Geschehen beteiligt. Zudem gebe es keine realistische Möglichkeit, die Einzeltiere unter Geländebedingungen zu unterscheiden, da die genetische Kennung keinen Rückschluss auf das Aussehen zulasse.

Lesen Sie auch

In den erwähnten fünf Fällen aus 2021 und 2022 sei es nach der Entnahme zu keinen weiteren Rissen gekommen. "In Kombination mit allen anderen Maßnahmen", wie der Beratung durch die Wolfsberater und die Herdenschutzmaßnahmen, seien sie also erfolgreich gewesen, sagt er.

Zur Sache

Informationspolitik in der Kritik:

Christian Meyer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Niedersächsischen Landtag, kritisiert im Zusammenhang mit der Genehmigung der Wolfabschüssen, die Informationspolitik der Landesregierung: "Umweltminister Lies kommuniziert nach Gutsherrenart." Informationen zu geplanten Wolfabschüssen würden nur herausgegeben, wenn es der Eigenwerbung des Ministers passe. Gegenüber Parlament und Öffentlichkeit verweigere die Regierung indes Auskünfte dazu, welche Wölfe "der Minister ins Visier nimmt.“ Die Grünen haben deshalb eine Klage angestrengt, erwarten zum 8. Februar das Urteil. Denn: „Transparenz ist nötig, auch um Rechtsfrieden zu schaffen. Wir wollen die Begründungen der Abschussgenehmigungen offenlegen, damit Umweltverbände diese im Zweifel überprüfen lassen können."

Zu den Gründen dieser Informationspolitik befragt, sagt Christian Budde, Pressesprecher des niedersächsischen Umweltministeriums, dass es hierbei um Schutz ginge: um den der Antragssteller, den der mit der Entnahme beauftragten Personen, den der Maßnahme selbst. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Seiten – pro und contra Wolf – in einigen Regionen Niedersachsens sehr weit auseinander lägen, die Situation sehr angespannt sei. Es habe Weidetierhalter gegeben, die den Wolfsberatern Kadaver vor die Tür geschmissen hätten. Hochsitze seien angesägt und angezündet worden. Andere hätten versucht, den Abschuss zu verhindern. Daher werde normalerweise erst nach "Vollzug" berichtet, so Budde.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)