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Niedersachsen Landtag Rettungsschirm geht glatt durch

Niedersachsen will die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise abfedern. Der Landtag stimmte in einer Sondersitzung dem geplanten 2,9-Milliarden-Euro-Nachtragshaushalt für 2022 und 2023 zu.
30.11.2022, 19:00 Uhr
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Rettungsschirm geht glatt durch
Von Peter Mlodoch

So ganz schien Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere (Grüne) seine neue Rolle noch nicht gefunden zu haben. Die Antwort auf eine Zwischenfrage seines CDU-Vorgängers Reinhold Hilbers, der umgekehrt noch nicht ganz von seiner bisherigen Funktion loslassen kann, leitete der Ressortchef am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Landtags doch glatt mit „sehr geehrter Herr Minister“ ein. Die wenige Stunden zuvor im Amt bestätigte Parlamentsvizepräsidentin Meta Janssen-Kucz (Grüne) schritt ein und erinnerte ihren Parteifreund unter großem Gelächter des Hohen Hauses an den inzwischen stattgefundenen „Rollentausch“. Der Neu-Minister trug seinen Fauxpas mit Fassung. „Das Schöne ist ja, dass man damit sofort in den Zeitungsglossen landet.“

In der Sache musste Heere dem Fragesteller Hilbers teilweise recht geben. Ein großer Batzen des 2,9 Milliarden Euro schweren Nachtragshaushalts für die Jahre 2022 und 2023 fließe tatsächlich in Rücklagen, könne also auch noch 2024 als Finanzpolster dienen, gestand der grüne Minister freimütig ein. „Das ist auch sinnvoll, um für Krisenzeiten gut gewappnet zu sein.“ Es geht um nicht genutzte Kredite aus der Konjunkturkomponente in Höhe von rund 600 Millionen Euro, die Rot-Grün nicht auflöst, sondern lieber parkt.

CDU wirft Rot-Grün vor, Geld zu "bunkern"

Umstritten sind auch die Mittel, die die Koalition unter dem Titel „Energetische Transformation“ in Sondertöpfe etwa für Wirtschaftsförderung oder Infrastruktur pumpt. Zwei Drittel der insgesamt 707 Millionen Euro davon seien nicht mit konkreten Ausgaben verknüpft, stünden der Regierung also ohne parlamentarische Kontrolle „zur freien Verfügung“, bemängelte CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele. „Sie bunkern hier Geld für Ihre rot-grüne Politik.“

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Ungeachtet dieser und vieler anderer Kritikpunkte ging der Rettungsschirm in der Schlussabstimmung glatt durch. Selbst die Oppositionsfraktionen von CDU und AfD votierten nicht mit Nein, sondern enthielten sich lediglich. Kern des Nachtragsetats ist das Sofortprogramm, mit dem Rot-Grün Bürger, kleine Betriebe, Kultureinrichtungen, Sportvereine, Tafeln und Tierheime möglichst bald, zum Teil noch in diesem Jahr von den Folgen des Krieges in der Ukraine und den explodierenden Energiepreisen entlasten will. „Wir lassen niemanden allein“, erklärte SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne. Hier stimmte sogar die CDU zu. Man wolle in dieser Krisensituation kein falsches Signal der Frontalablehnung senden, begründete Thiele den Schritt.

200 Millionen für Mittagessen in Schulen

Allein 200 Millionen Euro sind als Zuschüsse für günstige Mittagessen in Schulen und Kindergärten vorgesehen. „Wir haben uns für eine schnelle Hilfe entschieden“, betonte Grünen-Fraktionschef Detlev Schulz-Hendel. Deswegen verzichte man auf komplizierte Förderanträge, sondern zahle den kommunalen Trägern Pauschalen. Mit zusätzlich 303 Millionen Euro soll der Flüchtlingsstrom aus der Ukraine finanziell abgefedert werden, so zum Beispiel für die Unterbringung der Menschen in Landesgebäuden. Für Wasserstoff-Projekte und das geplante Flüssiggas-Terminal in Stade sind ebenfalls Millionen-Spritzen vorgesehen. Der gesamte Nachtragsetat kommt ohne neue Schulden aus. Die Koalition kann vielmehr auf große Steuermehreinnahmen infolge der Inflation zurückgreifen.

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Änderungsvorschläge der Opposition schmetterten SPD und Grüne ab. Die CDU forderte unter anderem, auch die Besitzer von Öl- und Pelletheizungen von den gestiegenen Energiekosten zu entlasten. 100.000 Haushalte seien in Niedersachsen davon betroffen, rechnete Finanzexperte Thiele vor. Gerade ältere Menschen und junge Familien würden von der Ampel im Bund und der Landesregierung im Stich gelassen. CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner kritisierte, dass Rot-Grün weder für Stadtwerke noch für Krankenhäuser Hilfen parat habe.

Hilfe für Krankenhäuser und Stadtwerke

Finanzminister Heere wies die Vorwürfe zurück. Das Sofortprogramm sehe für die Klinikbauten 52 Millionen Euro zusätzlich vor. Stadtwerke profitierten von den geplanten Härtefallfonds, die bei Zahlungsproblemen von Kunden einspringen würden. Auch bei dem Sondervermögen für Infrastruktur gehe alles mit rechten Dingen zu. Dieses Geld werde unter anderem für die energetische Gebäudesanierung eingesetzt. Das sei ein wichtiger Schritt, um aus der Energieabhängigkeit von anderen Ländern rauszukommen, erklärte der Ressortchef.

Keine Chance hatte der Ruf der AfD, 700 Millionen Euro der Zusatzeinnahmen in die Schuldentilgung zu stecken. Damit könne man die jährlichen Zinsausgaben erheblich senken, rechnete AfD-Finanzexperte Peer Lilienthal vor. Doch darauf gingen weder SPD und Grüne noch die CDU ein.

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