Unterrichtsausfälle, Lernrückstände, zu wenig Vorbereitung aufs Leben: Sechseinhalb Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen haben die Bürger der SPD/CDU-Regierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. 65 Prozent der Bevölkerung sind mit der Schulpolitik weniger bis gar nicht zufrieden. Bei den Eltern sind es 74 Prozent. Das ergibt sich aus dem neuen Niedersachsen-Check, einer Forsa-Umfrage im Auftrag von niedersächsischen Zeitungsverlagen.
Danach zieht sich die Kritik quer durch alle politischen Lager. Selbst die Anhänger der SPD, die den zuständigen Kultusminister Grant Hendrik Tonne stellt, sind mit 56 Prozent überwiegend unzufrieden. Je jünger die Befragten, desto höher steigt die Quote der Unzufriedenen. Schulpolitik liegt weitgehend in den Händen der Bundesländer; Streit um Schulformen und Unterrichtsversorgung hat in der Vergangenheit auch in Niedersachsen immer wieder Einfluss auf die Wahlentscheidung der Menschen gehabt.
Trotz der schlechten Noten im Schulbereich und trotz schlechter Umfragewerte im Bund kann die niedersächsische SPD mit Ministerpräsident Stephan Weil laut der Meinungsforscher nach wie vor darauf hoffen, bei der Landtagswahl am 9. Oktober stärkste Kraft zu werden. „Die Sympathiewerte von Stephan Weil sind weiterhin deutlich besser als die seines Gegenkandidaten Bernd Althusmann“, schreiben die Forsa-Fachleute.
Der Rückhalt für den Regierungschef sei insbesondere bei seinen eigenen Genossen deutlich höher als beim CDU-Herausforderer in dessen Partei. „Außerdem trauen nach wie vor mehr Bürgerinnen und Bürger der SPD als der CDU zu, mit den vielfältigen Problemen im Land am besten fertig zu werden.“
So ist die Landtagswahl-Prognose für die SPD im August zwar erneut auf jetzt 29 Prozent gegenüber 30 Prozent im Juni und 34 Prozent im März gesunken. Aber die CDU kann von dieser Schwäche nicht profitieren, sie verharrt weiter auf 26 Prozent. Die Grünen halten 22 Prozent. Die FDP stagniert ebenfalls auf sechs Prozent; die AfD kann sich um einen Punkt auf acht Prozent verbessern. Die Linke würde laut Umfrage mit drei Prozent erneut den Einzug in das Leineschloss verpassen.
Bei einer Bundestagswahl würden Niedersachsens Wähler anders entscheiden: Hier lägen die Grünen mit 27 Prozent vor CDU (26 Prozent) und SPD (23 Prozent). Nur die FDP käme auf das gleiche Ergebnis wie im Land. Die großen Unterschiede hängen offenbar mit der nach wie vor großen Beliebtheit der grünen Bundesminister Annalena Baerbock und Robert Habeck gegenüber den eher unbekannten Grünen-Spitzenkandidaten in Niedersachsen zusammen, während die SPD unter den sinkenden Zustimmungswerten ihres Bundeskanzlers Olaf Scholz leidet. Die Landes-Genossen setzen daher im Wahlkampf mit dem Slogan „Das Land in guten Händen“ auf den Amtsbonus ihres Spitzenkandidaten Weil.
Zumindest laut neuer Umfrage scheint das Konzept aufzugehen. Bei der Frage, wie man sich entschiede, wenn man den Ministerpräsidenten direkt wählen könnte, liegt Amtsinhaber Stephan Weil trotz gesunkener Werte mit 35 Prozent weit vor Wirtschaftsminister Bernd Althusmann mit 15 Prozent.
Bei den eigenen Anhängern erhält Weil eine Zustimmung von 90 Prozent, während der Herausforderer in seinem Unionslager auf 55 Prozent kommt. 22 Prozent der Befragten trauen aktuell der SPD zu, die besten Antworten und Lösungen für die Probleme Niedersachsens zu haben. 13 Prozent sehen diese Kompetenz bei der CDU und elf Prozent bei den Grünen. 45 Prozent trauen keiner Partei in Niedersachsen politische Kompetenz zu. SPD-Anhänger sind mit 80 Prozent deutlich überzeugter von ihrer eigenen Spitze als die der CDU von deren Führungspersonal mit 58 Prozent.
Bei den möglichen Bündnissen nach der Landtagswahl liegt weiterhin eine rot-grüne Koalition vorne – mit einem Wert von 25 Prozent. SPD-Anhänger befürworten diese Partnerschaft mit 60 Prozent, die Grünen-Wähler mit 61 Prozent. Die Zustimmung für die amtierende GroKo aus SPD und CDU sinkt weiter auf 16 Prozent; bei den eigenen Leuten hält sich die Zustimmung mit 26 beziehungsweise 27 Prozent ebenfalls in Grenzen. Die seit dem Sommer immer wieder von der CDU-Spitze ins Spiel gebrachte Machtoption Schwarz-Grün kommt beim Wahlvolk mit nur neun Prozent nicht gut an. Selbst bei den Unionsanhängern mögen sich das nur 27 Prozent vorstellen. Bei den Grünen sind es elf Prozent.