Niedersachsen ist ein Autoland und wird auch in Zukunft eines bleiben – davon geht jedenfalls Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) aus. Ebenso fest, wie VW aus Sicht der Politik zu Niedersachsen gehört, gehört das Auto zum Alltag der Menschen im Land. Drei von vier steigen fast täglich oder zumindest mehrmals pro Woche in ihren Wagen. Im Vergleich dazu verschwindend gering ist die Zahl derjenigen, die sich regelmäßig von Bus und Bahn an ihr Ziel bringen lassen. Diese Zahlen stammen aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag niedersächsischer Zeitungsverlage im Vorfeld der Landtagswahl am 9. Oktober.
84 Prozent der Befragten erklären, dass sie seltener oder nie mit dem Zug fahren, was sowohl den Regional- als auch den Fernverkehr betrifft. Und 78 Prozent lassen den öffentlichen Nahverkehr, zum Beispiel den Bus oder die Straßenbahn, links liegen. Oder muss man sagen: Werden von Bus und Bahn links liegen gelassen?
Denn vor allem in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – im WESER-KURIER-Verbreitungsgebiet sind das zum Beispiel Twistringen und Hude – fühlen sich die Menschen in ihrem Alltag auf das Auto angewiesen (85 Prozent). Auch in Städten mit bis zu 100.000 Menschen wie etwa Delmenhorst bestätigen 73 Prozent diese Aussage. Wo die Bevölkerungszahl darüber liegt, geht noch knapp die Hälfte davon aus, im alltäglichen Leben nicht auf den Privatwagen verzichten zu können.
Es ist kein Zufall, dass diese Zahlen so ausfallen. Denn das gern verwendete Symbolbild einer in die Jahre gekommenen Bushaltestelle an einer einsamen Straße, umrahmt von Feldern, bildet die Realität so manchen Ortes ab. Ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt stehen zum Beispiel in der Stadt Oldenburg mehr als achtmal so viele Abfahrten auf dem Fahrplan wie in Hude und fast dreimal so viele wie in der Stadt Verden.
Dazu passt, dass viele der Befragten der Ansicht sind, dass die Landesregierung sich zwar genug für die Belange der Autofahrerinnen und -fahrer einsetzt (61 Prozent), aber nicht für den öffentlichen Nahverkehr. In diesem Bereich vermissen 76 Prozent politisches Engagement. Übereinstimmend geben die Menschen mehrheitlich an, dass die Verkehrsinfrastruktur ihrer Heimatgemeinde gut für das Fortkommen mit dem Auto (68 Prozent) ist. Das Nahverkehrsangebot schneidet dahingegen deutlich schlechter ab, nur ein Drittel bewertet es mit gut.
So stehen die Menschen zu einem Tempolimit auf der Autobahn
Autoland Niedersachsen, Raserland Niedersachsen? Anfang des Jahres kamen erneut Diskussionen um ein Tempolimit auf, nachdem ein Millionär in einem Sportwagen mit mehr als 400 Kilometern pro Stunde über die A2 gerauscht war und ein Video davon ins Internet gestellt hatte. Auch Ministerpräsident Weil forderte damals eine gesetzliche Maximalgeschwindigkeit. Eine Mehrheit stimmt ihm laut Forsa-Umfrage zu: Insgesamt wünschen sich 58 Prozent der Befragten ein Tempolimit, die meisten würden es bei 130 Kilometern pro Stunde ansetzen.
Vor allem Frauen sind für eine Drosselung, zwei von drei weiblichen Befragten sprechen sich dafür aus. Bei den Männern ist es jeder Zweite. Außerdem ist auffällig, dass die Ü-60-Befragten eine Maximalgeschwindigkeit stärker befürworten (69 Prozent) als Jüngere (18- bis 44-Jährige: 50 Prozent, 45- bis 59-Jährige: 57 Prozent).
Dass es kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gibt, ist der Ablehnung des Vorstoßes durch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschuldet. Auch bei den Koalitionsverhandlungen im Bund waren es die Liberalen, die sich gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung aussprachen. Tatsächlich spiegeln die Umfrageergebnisse wider, dass die Partei damit einen Nerv trifft: 62 Prozent der befragten FDP-Anhängerschaft will keine Begrenzung, nur bei der AfD sind es mehr (74 Prozent). Am geringsten ist die Ablehnung unter den Befragten, die mit den Grünen sympathisieren: Von ihnen will nur jeder Zehnte keine festgelegte Höchstgeschwindigkeit.