Die Franzosen seien eines der impfskeptischsten Völker der Welt, so hieß es vor einem Jahr, als sich ein baldiger Impfstart gegen das Coronavirus in Europa abzuzeichnen begann. Trotz der massiven Einschränkungen, die es in Frankreich durch zwei lange Lockdowns gegeben hatte, und der vielen Toten, die das Virus forderte, befürworteten damals gerade einmal 40 Prozent der Menschen die Corona-Impfung.
Einer bereits 2019 veröffentlichten Studie zufolge gab einer von drei befragten Franzosen an, Vakzine generell für unsicher oder unwirksam zu halten. Vor diesem Hintergrund begann die Impfkampagne nur zögerlich, selbst als es irgendwann genügend Impfstoff gab. Die Regierung fürchtete, die vielen Kritiker im Land des Louis Pasteur, des Nobelpreis-gekrönten Entwicklers mehrerer Impfstoffe, noch weiter zu verschrecken.
Frankreich hat eine der höchsten Impfquoten erreicht
Heute ist die Lage eine ganz andere. 87 Prozent der über Zwölfjährigen sind in Frankreich inzwischen vollständig geimpft – es hat eine der höchsten Impfquoten weltweit erreicht. Gelungen ist Präsident Emmanuel Macron dies mit Druck. Alle, die im medizinischen und Pflege-Bereich, aber auch in Restaurants, Apotheken oder bei der Feuerwehr arbeiten, unterliegen seit dem Sommer der Impfpflicht. Außerdem braucht jeder einen „Gesundheitspass“, also den Nachweis einer vollständigen Impfung, einer Kombination aus Genesung und einer einzigen Impfdosis oder eines aktuellen negativen Coronatests, der ein Restaurant, Café, Museum, Konzert oder Theater besucht, einen Arzttermin vereinbart, eine Fernreise mit Flugzeug, Bus oder Bahn unternimmt.
Nachdem Macron am 12. Juli in einer Fernsehansprache diese Maßnahmen angekündigt hatte, wurden innerhalb nur eines Tages allein über die zentrale Buch-Plattform im Internet rund 2,3 Millionen Impftermine vereinbart. An Stränden, in Einkaufszentren oder sogar an Autobahn-Raststätten baute man im Sommer mobile Impfstationen auf. „Wenn die Menschen nicht zur Impfung kommen, kommt die Impfung eben zu ihnen“, so formulierte es Regierungssprecher Gabriel Attal. Ab Ferienende wurden in oder neben Schulen Impfzentren eingerichtet. Tritt in einer Klasse ein Corona-Fall auf, müssen nur die Ungeimpften zuhause bleiben. Auf Werbeplakaten küsst sich ein junges Paar, daneben steht: „Ja, die Impfung kann erwünschte Nebeneffekte haben.“
Neue Maßnahmen für Ungeimpfte in der Diskussion
Seit Mitte Oktober sind Corona-Tests in Frankreich zudem kostenpflichtig. Ab Anfang Dezember können sich alle über 50-Jährigen eine Auffrischungsimpfung verabreichen lassen und ab 15. Dezember müssen dies alle über 64-Jährigen tun, um einen gültigen „Gesundheitspass“ zu behalten.
Zwar gibt es weiterhin samstags Proteste von Gegnern, doch deren Zahl ist seit Sommer stark zurückgegangen. 62 Prozent der Franzosen befürworten die geltenden Regeln, zumal das Land bis vor kurzem vergleichsweise niedrige Inzidenzen verzeichnete. Diese steigen allerdings seit einigen Tagen deutlich an. In 21 der insgesamt 101 Departements sind mehr als 100 pro 100.000 Einwohner infiziert. Die Situation in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen ist noch unter Kontrolle. Dennoch werden neue Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte diskutiert.