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Labour und die Brexit-Frage Die rote Linie ist ein Problem

Eine Rücknahme des Brexits kommt für die Labourpartei nicht infrage. Dabei hat der Austritt immer dramatischere Folgen für das Land, meint Susanne Ebner.
26.09.2024, 05:00 Uhr
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Von Susanne Ebner

Immer wieder hat der britische Premierminister Keir Starmer in den vergangenen Monaten betont, dass er einen Neuanfang mit den Ländern der Europäischen Union anstrebt, um der Wirtschaft seines Landes nach dem Brexit auf die Beine zu helfen. Denn die negativen Folgen des Austritts für die Insel werden für die Britinnen und Briten immer deutlicher.

So hat sich das Brexit-Versprechen nicht erfüllt, nach Ende der EU-Freizügigkeit würden weniger Flüchtlinge auf die britische Insel kommen. 2023 kamen als Netto-Einwanderer 685.000 Menschen nach Großbritannien, deutlich mehr als die 212.000 jährlich, die die konservative Regierung in ihrem Wahlprogramm von 2019 unterschreiten wollte.

Weil manche Regeln auf der Insel nun weniger streng sind, sind die Flüsse verschmutzter und die Qualität der Lebensmittel im Vereinigten Königreich schlechter. Wichtige Grenzwerte, etwa für Chemikalien, gelten auf der Insel nicht mehr oder wurden nicht an das neue EU-Regelwerk angepasst. Hinzu kommen die verheerenden Auswirkungen von Bürokratie und Papierkrieg seit dem Brexit.

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Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben durch den Austritt 25 bis 30 Prozent ihres Handels verloren, schätzen Experten. Die Exporte Großbritanniens in die EU seien um 23 Milliarden Pfund pro Quartal gesunken, was einem Rückgang von vier bis fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Auch die Vielfalt der britischen Exportgüter hat laut Studien abgenommen. Und: Die negativen Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen Großbritannien und der EU haben sich im Laufe der Jahre immer weiter verstärkt.

Für viele Experten, die sich 2016 gegen einen Brexit ausgesprochen haben, ist das alles keine Überraschung. Sie haben dieses Szenario vorhergesagt. Und in gewisser Weise deckt sich dies auch mit einem weiteren Mantra der neu gewählten Labour-Regierung, die den Briten derzeit immer wieder zu verstehen gibt, dass es erst schlimmer wird, bevor es besser wird.

Eine engere Zusammenarbeit mit der EU, so der Premierminister, könne nun helfen, das Wachstum anzukurbeln. Verbesserungen könnten nach Ansicht der Labourpartei beispielsweise durch ein Veterinärabkommen, die gegenseitige Anerkennung von Standards und Berufsqualifikationen oder die Erleichterung des Jugendaustauschs erreicht werden, wie es auf dem Parteitag in Liverpool hieß.

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Das Problem: Diese Annäherung in kleinen Schritten wird sich kaum auf das Wirtschaftswachstum auf der Insel auswirken, wie Experten betonen. Denn die Hauptkosten des Brexits entstehen in Großbritannien nach wie vor durch den Austritt des Königreiches aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion. Solange die Labour-Regierung einen Wiedereintritt ausschließt, bleibt der Spielraum für Vereinbarungen sehr begrenzt.

Mit anderen Worten: Engere Beziehungen zwischen London und Brüssel sind sehr wichtig und in vielen Bereichen auch möglich. Aber echte Vorteile für die britische Wirtschaft werden daraus wohl nicht entstehen. Je länger Großbritannien nicht in der EU ist, desto weiter entfernt sich das Regelwerk der Allianz von den Vorstellungen Londons. Großbritannien hat noch ein weiteres Problem: In der EU herrscht der Eindruck vor, dass die Regierung nicht genau weiß, was sie will, und unrealistische Vorstellungen von dem hat, was möglich ist. Ein weiterer Grund für die Skepsis aus Brüsseler Sicht ist die Tatsache, dass niemand weiß, wie lange die sozialdemokratische Partei an der Macht bleibt und – was vielleicht noch schwerer wiegt – was danach kommt.

Dass Keir Starmer nicht in den Verdacht geraten will, den Brexit rückgängig machen zu wollen, ist verständlich. Schließlich haben die Briten wenig Lust auf ein neues Referendum. Außerdem will er Wählerinnen und Wähler, die einst für den Brexit gestimmt haben, nicht vor den Kopf stoßen. Aber so zu tun, als könne er durch eine Annäherung an die EU wirtschaftlich viel bewegen, ist nicht glaubwürdig. Die roten Linien bleiben ein Problem.

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