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Großbritannien und die EU Zaghafte Annäherungen

Trotz Brexit-Entscheidung: Großbritanniens Premier Keir Starmer verhandelt über EU-Zusammenarbeit. Ist das der Beginn einer neuen Ära? Das wäre von Vorteil für alle, meint Susanne Ebner.
03.02.2025, 18:11 Uhr
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Von Susanne Ebner

Dass Premierminister Keir Starmer an diesem Montag im Brüsseler Egmont-Palast zu Gast war, um mit den EU-Staats- und Regierungschefs eine engere Zusammenarbeit zu erörtern, war ein symbolträchtiges Ereignis. In diesem historischen Gebäude im Herzen der belgischen Hauptstadt, fanden einst entscheidende Verhandlungen über die europäische Integration statt. Nun war er Schauplatz eines Besuchs eines Regierungschefs, der nach dem selbst gewählten Austritt seines Landes aus der EU vor fünf Jahren nun wieder eine zaghafte Annäherung sucht.

Weil der Brexit die wirtschaftliche Lage auf der Insel wegen der Handelshemmnisse nachweislich verschlechtert hat, wächst der Druck auf Starmer, auf Brüssel zuzugehen. Der ehemalige Labour-Vorsitzende Neil Kinnock forderte ein Ende des Zögerns und plädierte für eine aktivere Zusammenarbeit. Die konservativen Tories sehen dies indes völlig anders. Ihnen zufolge sollte Starmer angesichts der von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump angedrohten Zölle sein Flugzeug schnellstmöglich nach Washington umleiten.

Obwohl die meisten Briten den EU-Austritt in seiner jetzigen Form für einen Fehler halten, schürte die Boulevardpresse Ängste vor dem Besuch des britischen Regierungschefs in Brüssel. „Wird Sir Kir unseren Brexit verraten?“, fragte die "Daily Mail". Die Politiker in der Downing Street stehen unter dem Druck der rechtspopulistischen Partei Reform UK. Parteichef Nigel Farage wirft Starmer vor, er wolle den Brexit rückgängig machen, indem er Großbritannien „durch die Hintertür" wieder in den europäischen Orbit führe.

Die britische Regierung hat vor diesem Hintergrund seit ihrem Amtsantritt immer wieder betont, dass sie an ihren roten Linien festhalten will. Diese lauten: kein Wiedereintritt in die EU sowie in den Binnenmarkt und die Zollunion. Denn selbst bescheidene Vorschläge, wie die Verbesserung der Mobilität junger Menschen, haben sich in diesem politischen Klima in den vergangenen Monaten als politisch heikel erwiesen. Aber auch von Seiten der EU gibt es wenig Bewegung, da einige Mitgliedsstaaten den Ansatz verfolgen, dass keine Vereinbarungen getroffen werden können, solange nicht alle Fragen abschließend geklärt sind.

Starmer konzentrierte sich in Brüssel somit auf eine Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und damit auf die niedrig hängenden Früchte. Im Hintergrund geht aber auch um andere Themen: Großbritannien möchte nach dem Brexit durch ein Veterinärabkommen bürokratische Hürden abbauen und so den Handel mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs erleichtern. Im Gegenzug wünscht sich die EU unter anderem ein aktualisiertes Fischereiabkommen sowie ein Mobilitätsprogramm für junge Menschen.

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Vor dem ersten EU-UK-Gipfel, der vermutlich im April oder Mai stattfindet, stehen also eher kleinere Ziele auf der Agenda. Das ist Grund zur Sorge: Denn es besteht die Gefahr, im Stückwerk stecken zu bleiben. Was ist die gemeinsame Vision? Wo wollen Großbritannien und die EU gemeinsam hin? Das sind Fragen, die jetzt gestellt werden müssen. Ein Schulterschluss ist wichtig. Beide Seiten sollten eine neue politische Erklärung anstreben, um gemeinsame Prioritäten und Verhandlungsthemen festzulegen. Es sollte eine neue Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft geben, wie sie die EU beispielsweise mit Norwegen, Südkorea und Japan unterhält. Diese definieren nicht bindende gemeinsame Ziele und bilden damit eine Brücke zu rechtlich verbindlichen Vereinbarungen.

Es gibt bisher keinen ausreichenden Dialog auf oberster politischer Ebene. Für eine Annäherung, ohne die roten Linien beider Seiten zu ignorieren, spricht auch, dass dadurch nach der Wahl Trumps der politische Westen gestärkt wird. Großbritannien wird seine Partnerschaft zur neuen US-Regierung nicht vernachlässigen. Die Aussichten auf ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern sind jedoch gering. Warum also nicht in die Beziehungen zu den europäischen Partnern investieren? Das bringt Großbritannien seinen wahren Verbündeten näher und stärkt das westliche Bündnis, das neben Trump auch Kremlchef Wladimir Putin zu spalten versucht.

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