Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kanzler auf USA-Reise Ukraine-Krise: Scholz und Biden treten geschlossen auf

Joe Biden droht bei einem gemeinsamen Auftritt mit Olaf Scholz im Weißen Haus, Nord Stream 2 im Fall einer russischen Invasion der Ukraine zu schließen. Der Kanzler widerspricht nicht.
07.02.2022, 21:05 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ukraine-Krise: Scholz und Biden treten geschlossen auf
Von Thomas Spang

Laute Sirenen kündigen am späten Vormittag den Mann der leisen Töne an. Kurz darauf tritt er im Innenhof des "Fairmont Hotels" im Stadtteil Georgetown erstmals vor die Kameras. "Wir sind enge Verbündete und handeln sehr abgestimmt und einheitlich, was die Bewältigung der aktuellen Krisen betrifft", stellte Scholz vor seinem ersten Zusammentreffen mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus klar.

Die Rede ist von dem Aufmarsch der 120.000 russischen Soldaten, die die Ukraine von drei Seiten eingekesselt haben. Genug, wie die Geheimdienste sagen, um in das Nachbarland einzumarschieren. Und 70 Prozent der Kräfte, die für eine Besetzung der gesamten Ukraine gebraucht würden.

Scholz droht mit großen Sanktionen

Es sei wichtig, dass Deutschland, die USA, die NATO, die Europäische Union alle gleich gerichtet argumentierten, sagt der Kanzler, dessen Verlässlichkeit einige in Washington infrage gestellt hatten. Deshalb wird Scholz deutlich im Ton. Ohne den Adressaten ausdrücklich zu nennen, droht der Kanzler. "Es wird einen sehr hohen Preis haben, wenn es dazu kommt, dass die Ukraine militärisch angegriffen wird."

Lesen Sie auch

In Variationen wiederholt der Kanzler während seiner 24-Stunden Stippvisite die Aussage. Und genauso regelmäßig lehnte Scholz es ab, zu verraten, welcher Preis dann von Wladimir Putin gezahlt werden müsste. Der russische Präsident solle nicht mit einem Taschenrechner ausrechnen können, ob es "sich lohnt", die Ukraine anzugreifen.

Es wird dann kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzenJoe Biden, US-Präsident

Das wollen auch die USA nicht. Aber an einem Punkt ist der Präsident konkreter. In der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen mit dem neuen Kanzler im Oval Office sagte US-Präsident Biden, ein russischer Einmarsch in die Ukraine würde das Aus für die Pipeline bedeuten. "Es wird dann kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen." Wie das bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle gehen wolle, versicherte Biden, "dass wir es schaffen werden".

Scholz widersprach dem Präsidenten nicht. Im Gegenteil betonte er das gemeinsam abgestimmte Vorgehen der Partner. "Wenn es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt, dann wird es harte, gemeinsam vereinbarte und weitreichende Sanktionen geben." Um dann noch einmal den Satz hinzuzufügen, den er so oft wiederholt hat. "Es wird sehr, sehr hohe Kosten für Russland haben, einen solchen Schritt zu tun."

Biden: Deutschland einer der engsten Verbündeten Amerikas

Gemessen an der Herzlichkeit des Empfangs im Oval Office dürfte es tatsächlich sehr viel weniger Kontroversen geben, als es zuletzt den Eindruck machte. "Willkommen, willkommen, willkommen", hatte Biden den neuen Kanzler begrüßt. Deutschland sei einer der engsten Verbündeten Amerikas. Beide Länder würden "im Gleichschritt" daran arbeiten, eine "russische Aggression in Europa" zu verhindern. Er freue sich auf die enge Zusammenarbeit.

Diese sei "notwendig", pflichte Scholz bei, "um die Schritte zu unternehmen, die wir zum Beispiel im Kampf gegen die russische Aggression gegenüber der Ukraine unternehmen müssen."

Scholz sprach von "einem wichtigen Treffen zu einer sehr wichtigen Zeit". Eine amerikanische Reporterin stellte das demonstrative Bild der Einigkeit infrage. "Herr Präsident, hat Deutschland genug gegen die russische Aggression getan?"

Es ist nicht nötig, Vertrauen zurückzugewinnen.Joe Biden, US-Präsident

Sie musste bis nach den Gesprächen im Oval Office auf eine Antwort warten. Die fiel dafür umso deutlicher aus. Deutschland genieße das vollkommene Vertrauen der USA. "Es ist nicht nötig, Vertrauen zurückzugewinnen."

Das klang wie Musik in den Ohren des Kanzlers, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, dem Eindruck entgegenzuwirken, Deutschland nehme eine passive Rolle in dem Konflikt ein. Das hatte die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, vor dem Besuch des Kanzlers in heller Aufregung nach Berlin telegrafiert. Deutschland gelte als "unzuverlässiger Partner" in der Russland- und Chinapolitik.

Lesen Sie auch

Wohl auch deshalb schickte Scholz seine Außenministerin Annalena Baerbock zu einem parallelen Besuch nach Kiew, um den bedrängten Ukrainern die Unterstützung Deutschlands zu versichern. Für den zuletzt "unsichtbaren" Kanzler ist der Auftritt im Weißen Haus so etwas wie eine Premiere auf der Bühne der Weltpolitik in seiner neuen Rolle als Regierungschef der wichtigsten Macht in Europa.

Nach seiner Rückkehr am Dienstag wird Scholz die Präsidenten Polens und Frankreichs im Kanzleramt unterrichten. Später reist er in die Ukraine und dann nach Moskau. Es geht darum, den Schulterschluss des Westens zu demonstrieren. Und Putin klarzumachen, dass, wie Scholz in Washington betont, "alle Optionen auf dem Tisch sind".

Darüber werde nicht erst seit Montag gesprochen, heißt es aus seinem Umfeld. Tatsächlich gebe es auf der Arbeitsebene bereits seit Wochen detaillierte Vorbereitungen. Dies erlaube den Bündnispartnern im Zweifel schnell, entschlossen und einmütig handeln. In Washington geht es nicht um das "ob", sondern das "wie"; also die Abstimmung der Zutaten für das Menü möglicher Sanktionen.

Es zeichnet sich eine Arbeitsteilung ab, in der die USA für den militärischen Teil zuständig sind. Die Supermacht kann glaubwürdig Macht projizieren, indem sie etwa tausende Soldaten an die Ostflanke der NATO in Europa verlegt. Während Deutschland am diplomatischen Ende arbeitet, indem es seine seit Jahren entwickelten Beziehungen zu Russland nutzt, auf diesem Weg Druck zu machen.  

Lesen Sie auch

Scholz wollte vor der Rückreise nach Berlin die Gelegenheit nutzen, bei einem Abendessen in der Botschaft mit einer Gruppe einflussreicher Senatoren, die Strafmaßnahmen gegen Russland in Gesetzesform bringen wollen, den deutschen Standpunkt darzulegen. Das ist wichtig, weil diese nicht so viel Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten nehmen wie Präsident Biden.

Unter anderem haben sich der Architekt der "Mutter aller Sanktionen", der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Bob Menendez, und der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell angesagt. Scholz wollte die mächtigen Gesetzgeber an die Leistungen Deutschlands für die NATO und in der Ukraine zu erinnern. Etwa, dass seit der Annexion der Krim 2014 aus Deutschland mehr als zwei Milliarden in die Ukraine flossen. Mehr als aus jedem anderen Land als den USA.

Nachlesen können die Amerikaner Scholz Versprechen, ein verlässlicher Partner zu sein, in einem Interview mit der "Washington Post", das pünktlich zum Antrittsbesuch erschien. Waffen für die Ukraine werde es keine geben, aber die Antwort auf eine russische Aggression "wird einig und entschieden" sein. "Wir sind darauf vorbereitet, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen".

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)