Die Zeichen stehen gut für den Reformationstag: Folgt man der Empfehlung der Konferenz Norddeutschland, also der Vertretung der Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Bundesrat, soll es für Norddeutschland einen weiteren gesetzlichen Feiertag geben – und zwar am 31. Oktober. Was zunächst einmal etwas mehr Gerechtigkeit bedeutet: Denn in den katholischen Ländern Süddeutschlands haben die Menschen deutlich öfter frei als in Bremen und umzu.
Während es hier neun gesetzliche Feiertage gibt, sind es in Bayern bis zu dreizehn – dort ist auch am Dreikönigsfest, an Fronleichnam, Allerheiligen und in Teilen des Landes sogar an Mariä Himmelfahrt schul- und arbeitsfrei. In Norddeutschland gibt es deswegen in der Tat handfeste Gründe dafür, einen weiteren Feiertag einzuführen.
Freilich darf es am Reformationstag künftig nicht so laufen, wie es gerade in Berlin und Brandenburg geschieht: Dort ist die Situation so, dass im mehrheitlich von Konfessionslosen bewohnten Brandenburg der Feiertag zwar existiert, aber so gut wie gar nicht mit Leben gefüllt ist.
Stattdessen sind die Straßen der Hauptstadt, wo der Feiertag nicht begangen wird, am Reformationstag regelmäßig gut gefüllt – weil die Nachbarn aus Brandenburg, ja sogar aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt zum Einkaufen kommen. Will man sich also für einen zusätzlichen Feiertag entscheiden, sollte man sich rechtzeitig Gedanken darüber machen, was man damit eigentlich will.
Nur für Gartenarbeit oder den Kurzurlaub einen neuen Feiertag zu schaffen, ist bei Lichte betrachtet etwas zu wenig. Das gilt nicht nur für den Reformationstag, sondern auch für andere Daten, die im Verlauf der Diskussion genannt wurden: Ein Tag des Grundgesetzes ist zwar prinzipiell eine gute Idee – aber wie soll er, jenseits einiger, weniger offizieller Veranstaltungen, auf denen sich Politiker und Funktionäre gegenseitig beweihräuchern, eigentlich begangen werden? Wie feiert ihn der normale Bürger, abgesehen von einem Arbeitseinsatz zum Rasenmähen und Heckeschneiden?
Ein gewisses Potenzial
Dann doch lieber ein kirchlicher Feiertag: Der Andrang, der bundesweit bei den Gottesdiensten am 31. Oktober 2017 spürbar war, zeigt doch, dass dieses Datum ein gewisses Potenzial hat. Wenn man es zu nutzen weiß: Auch in Bremen ist deswegen jetzt vor allem die Evangelische Kirche gefragt, diesen Tag zu profilieren.
Natürlich gehören große Festgottesdienste, wo man aus voller Kehle Martin Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ singen kann, in jeder Kirchengemeinde dazu. Doch auch Gemeindefeste oder Themenabende rund um Reform- und Erneuerungsbewegungen in aller Welt wären denkbar, und mit Wittenberger Lutherbrot und Leipziger Reformationsbrötchen gäbe es auch kulinarische Spezialitäten zum Fest.
Eine evangelische Kirchengemeinde, die den 31. Oktober nach Einführung des staatlichen Feiertages nicht begeht, darf es nach Inkrafttreten der Neuregelung jedenfalls nicht mehr geben. Das sind die evangelischen Christen dann der Stadtgesellschaft schuldig. Auch für Menschen ohne religiöse Prägung gäbe es Inhalte, die für den Reformationstag sprechen.
Schließlich ist im vergangenen Jahr deutlich geworden, dass die Reformation nicht nur eine binnenkirchliche Erneuerungsbewegung des 16. Jahrhunderts war. Wer immer noch nicht mitbekommen hat, wie sich die moderne Gesellschaft Deutschlands dank der Impulse der Reformationszeit herausgebildet hat, muss das vergangene Jahr auf einem anderen Planeten verbracht haben.
Das gilt besonders für die, die nun meinen, Luthers Antisemitismus würde einen gesetzlichen Feiertag am Reformationstag verhindern. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wann, wenn nicht im Festjahr des 500. Reformationsjubiläums 2017, hat man sich so intensiv mit diesem Charakterzug des Reformators auseinandergesetzt? Würde der Tag jedes Jahr begangen, wäre auch regelmäßig Gelegenheit dazu, dieses Thema in Erinnerung zu rufen – ansonsten besteht in der Tat die Gefahr, dass die Errungenschaften des vergangenen Jahres wieder in Vergessenheit geraten.
Vielleicht gelingt es ja dank des Reformationsfestes auch, eine der unangenehmsten kulturellen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wieder etwas zurückzudrängen: Das völlig kommerzialisierte amerikanische Halloween, bei dem Inhalte jenseits des Verkleidens und Konsumierens von Süßigkeiten nicht erkennbar sind, könnte so wieder etwas stärker aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Was sicher nicht von Schaden wäre.