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Druck auf Innenminister Seehofer FDP fordert Untersuchungsausschuss nach Bamf-Skandal

Das Flüchtlingsbundesamt steht in der Kritik. Lange Verfahren, fehlerhafte Entscheidungen, ungeklärte Identitäten. Der zuständige Minister ist neu im Amt und sagt: Was kann ich dafür?
17.05.2018, 09:21 Uhr
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Von Markus Decker, Nina Willborn und Lisa-Maria Röhling

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerät wegen der Unregelmäßigkeiten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das ihm untersteht, unter wachsenden Druck. Die FDP-Bundestagsfraktion fordert mittlerweile einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Vorwürfe betreffen die Außenstelle Bremen, aber nicht nur sie allein.

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Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte in Berlin: „Für die Fraktion der Freien Demokraten führt kein Weg mehr an einem Untersuchungsausschuss vorbei. Offenbar ist nur so eine schonungslose Aufarbeitung möglich.“ Der grüne Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner fragte während der Debatte über den Etat des Bundesinnenministeriums an Seehofers Adresse gerichtet: „Was wussten Sie? Und wann wussten Sie es?“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, sagte dem WESER-KURIER: „Was das Bamf braucht, ist ein ordentliches Qualitätsmanagement und einen Bundesinnenminister, der sich nicht von Schlagzeilen lenken lässt, sondern verantwortungsvoll handelt. Alles Weitere lässt sich im Innenausschuss klären.“ Die Grünen äußerten sich ähnlich.

Seehofer verwies im Bundestag darauf, dass der Bundesrechnungshof das Bamf systematisch prüfen werde, und beteuerte, dass all die Vorgänge vor Beginn seiner Amtszeit spielten und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für ihn daher „keine Bedrohung“ sei. Um ein solches Gremium einzusetzen, müsste ein Viertel der Abgeordneten des Bundestages dafür stimmen. Die FDP-Stimmen reichen dafür nicht aus.

Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung

Die Affäre um die Außenstelle Bremen wabert seit Wochen. Deren frühere Leiterin soll dazu beigetragen haben, dass mindestens 1200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten. Außer gegen die Frau wird gegen fünf weitere Beschuldigte ermittelt – darunter drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung. Nach Bekanntwerden der Affäre hatte Josefa Schmid die Leitung der Bremer Außenstelle im Januar angetreten, musste ihren Posten inzwischen aber wieder räumen. Obwohl sich Schmid juristisch gegen ihre Abberufung wehrt, führt die Nürnberger Bamf-Zentrale für die Versetzung „Fürsorge“-Gründe an. Ein Urteil ist nicht vor Ende Mai zu erwarten. Schmid hat am Mittwoch vor der Staatsanwaltschaft Bremen als Zeugin ausgesagt.

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Bereits am 4. April hatte die ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Kollnburg in Niederbayern, die der FDP angehört, in einem Brief an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), die Einsetzung einer „neutralen Untersuchungskommission“ durch das Ministerium angeraten, um für eine Aufklärung der Vorfälle zu sorgen. Noch früher, am 14. März, hatte sie nach Angaben des Innenministeriums um einen Gesprächstermin mit Seehofer gebeten. Der Minister soll jedoch erst fünf Wochen später darüber informiert worden sein.

Dabei geht es nicht bloß um Bremen. Seit dem Beginn des Zuzugs Hunderttausender Flüchtlinge im Jahr 2015 wurde das Personal des Bamf erheblich aufgestockt, um vielfach nicht qualifizierte Mitarbeiter. Dieser Umstand hat offenbar zu Mängeln geführt. Zu dem Befund kommt auch das Amt selbst – genauer gesagt: dessen Referat Qualitätssicherung. Laut „Süddeutsche Zeitung“ hat es herausgefunden, dass viele Flüchtlinge ihre Anerkennung auch dann behielten, wenn sich ihre Identität bei einer zweiten Prüfung als unklar erwiesen habe.

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Der Linke Korte sagt: „Für die Systemfehler im Bamf kann sich Seehofer bei seinem Vorgänger Thomas de Maizière bedanken. Erst hat man das Amt über Jahre personell aushungern lassen und dann mit zusätzlicher Arbeit überhäuft, indem eindeutige Fälle ins mündliche Verfahren gezwungen wurden. Als die Antragsstapel immer höher wurden, hat man fachfremde Hilfskräfte eingesetzt.“

Bremer Fall sehr besorgniserregend

Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, hält den Bremer Fall für sehr besorgniserregend. Allerdings sei das ein Einzelfall, der nun sorgfältig aufgeklärt werden müsse. „Das Rechtssystem muss jetzt mit allen entscheidenden Instrumenten reagieren“, sagt Gnisa. Es sei aber nicht gerechtfertigt, alle Beamten zu verdächtigen und zu vermuten, dass in allen Behörden Fälle wie in Bremen aufgedeckt werden. „Die Beamtenschaft ist immer noch unbestechlich, und die Richterschaft ist integer.“

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