Die Verbraucher in Deutschland halten sich beim Einkaufen derzeit zurück. Statt ihr Geld auszugeben, legen sie es lieber auf die hohe Kante – falls am Monatsende überhaupt etwas übrig bleibt. Für die Bremer Konsumforscherin Kristina Klein hat das Verhalten der Konsumenten mehr mit Verunsicherung zu tun als mit mangelnder Kaufkraft.
Bei einer Umfrage der Unternehmensberatungsgruppe EY gaben 37 Prozent der Verbraucher in Deutschland an, mittlerweile nur noch das Nötigste einzukaufen. Sparen wollen die Konsumenten demnach vor allem bei Lieferdiensten für Lebensmittel (49 Prozent) und Essen (48 Prozent), bei Mitgliedschaften in Fitnessstudios (43 Prozent) und Besuchen von Restaurants, Theatern und Kinos (40 Prozent). Bei Ausgaben für Streamingdienste will jeder Dritte (34 Prozent) sparen. Einzig bei frischen Lebensmitteln planen mehr Menschen zusätzlich Geld auszugeben (29 Prozent) als einzusparen (zehn Prozent).
Im Supermarkt sparen die Deutschen zunehmend durch den Kauf von Handelsmarken statt teurer Markenprodukte: Drei Viertel aller Befragten gaben an, dass Eigenmarken ihre Ansprüche genauso gut erfüllen wie Markenprodukte. Für fast die Hälfte der Kunden spielen Marken inzwischen nach eigenen Angaben gar keine Rolle mehr bei der Kaufentscheidung.
Sorgen über hohe Preise für Nahrungsmittel und Sprit
Der Blick ins Portemonnaie bereitet den meisten Menschen hierzulande weiterhin große Sorgen: Der Großteil der Bevölkerung macht sich laut der EY-Studie Gedanken über hohe Energiekosten (86 Prozent), Ausgaben für Nahrungsmittel und Haushaltswaren (84 Prozent) sowie die Spritkosten (69 Prozent). Die Aussichten bleiben trübe: Dass sich die Wirtschaft in Deutschland erholen wird, denken nur 31 Prozent der Befragten – 36 Prozent glauben das Gegenteil.
„Die deutschen Verbraucher sind eher Pessimisten“, hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Kristina Klein von der Universität Bremen beobachtet. „Sie glauben oft, dass sich ihre finanziellen Möglichkeiten nicht verbessern werden.“ Anders sieht es laut der EY-Umfrage zum Beispiel in Asien und Nordamerika aus: In Indien glauben 80 Prozent an einen wirtschaftlichen Aufschwung in ihrem Land, in China 73 Prozent und in Saudi-Arabien 67 Prozent – die Mehrheit der Befragten ist positiv gestimmt. Auch in den USA (44 Prozent) gibt es deutlich mehr Optimisten als in Deutschland. Ganz alleine stehen die pessimistischen Deutschen allerdings nicht: In Japan (zwölf Prozent), Frankreich (20 Prozent) und Italien (22 Prozent) haben die Menschen noch weniger Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung.
Für die Konsumforscherin Klein hat das viel mit Psychologie zu tun. "Wir haben ein reales Lohnplus in vielen Bereichen, stabile Benzin- und Energiepreise, die Lebensmittelpreise sind zum Teil wieder gesunken", zählt Klein auf. Laut Lehrbuch würden wir erwarten, dass die Leute ihr Geld ausgeben.“ Dass sie es nicht tun, liegt an Erwartungen und Gefühlen. „Die Leute haben das Gefühl: Wir hatten eine Rezession und hohe Inflation, es ist Krieg und langfristig könnte alles noch schlechter werden“, analysiert die Wirtschaftswissenschaftlerin, die an der Uni Bremen eine Arbeitsgruppe zum Konsumentenverhalten leitet. Dass die Lage so schlimm gar nicht mehr ist, komme nur mit einer gewissen Verzögerung in den Köpfen an.
Bei Urlaubsreisen wird nicht gespart
Gespart wird nach den Erkenntnissen der Konsumforschung „bei allem, was man nicht unbedingt braucht“, erklärt Klein: Luxusartikel, Restaurantbesuche, Hobbys, kulturelle Veranstaltungen. Größere Anschaffungen werden womöglich aufgeschoben. Wobei eine Besonderheit der aktuellen Krise sei, dass größere Summen in die Verschönerung der eigenen vier Wände oder in ein neues Fahrrad bereits während der tristen Corona-Lockdowns geflossen seien. Nicht gespart wird im Übrigen an Urlaubsreisen: „Das hat etwas mit Selbstwertgefühl und dem sozialen Status zu tun“, erklärt Klein.
Stimmungen hin oder her: Die Kaufzurückhaltung hat Auswirkungen auf die reale Konjunktur. Der private Konsum trägt 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Trotz der traditionellen Stärken der deutschen Exportwirtschaft: „Der Konsum ist ein wesentlicher Treiber des Bruttoinlandsproduktes, das war schon immer so“, sagt Klein.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Wachstumsprognose der Bundesregierung zuletzt deutlich nach unten korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt werde sich 2024 preisbereinigt um 0,2 Prozent verringern und erst kommendes Jahr wieder anziehen, sagte Habeck. Bereits im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft preisbereinigt um 0,3 Prozent geschrumpft, nun dürfte das Jahr erneut in der Rezession enden. Die Kaufzurückhaltung der Konsumenten trägt ihren Teil dazu bei.