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Sondierungsgespräche Das neue Kraftzentrum

Kommt es zu einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP? Vieles deutet zwar darauf hin. Doch es gibt ein neues Kraftzentrum, das nicht zu unterschätzen ist, meint Anja Maier.
04.10.2021, 19:41 Uhr
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Das neue Kraftzentrum
Von Anja Maier

Gut eine Woche nach dem Wahltermin hat sich bereits einiges zurecht geruckelt. Wer mit wem – nämlich eine Ampelkoalition mit SPD, Grünen und Liberalen scheint nahezuliegen. Aber ausgemacht ist das noch lange nicht. Und zwar keineswegs, weil Olaf Scholz strategische Fehler nachzuweisen wären. Sondern weil den Sozialdemokraten in den Sondierungsgesprächen ein neues politisches Kraftzentrum begegnet.

Grüne und FDP haben etwas Neues ausprobiert, und es funktioniert wunderbar. Statt sich wie immer in vorangegangenen Verhandlungsprozessen wie Gäste an den Tisch bitten zu lassen, haben die beiden sich dieses Mal verbündet. Mit ihren zusammen 210 Abgeordneten sind sie vier Sitze stärker als die auch nicht gerade kleine Fraktion der Sozialdemokraten. Das schafft zum einen Augenhöhe. Zum anderen erhöht es die Chancen, sich in Sondierungen und Koalitionsverhandlungen nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Viel wird über Inhalte gesprochen. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, lobt die „dynamischen und guten Gespräche“. FDP-Generalsekretär Volker Wissing pocht auf das liberale Wahlversprechen, keine Steuererhöhungen vorzunehmen. Wie man die hohen Kosten für all die versprochenen Segnungen im Koalitionsvertrag nennen will, bleibt der Kreativität der Beteiligten überlassen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil jedenfalls erklärt schon mal vorsorglich, man werde FDP und Grüne nicht mit „roten Linien“ düpieren.

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Dennoch: 2017 musste die interessierte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass die FDP mit ihrem Parteichef Christian Lindner die beiden anderen Partner sitzen ließ. Das würde Lindner nicht noch einmal machen. Aber die Erkenntnis bleibt, dass man die Liberalen unbedingt ernst nehmen sollte.

An diesem Dienstag treffen sich – nach FDP und Union am Sonntag – Grüne und Union zu einem ersten Sondierungsgespräch. Was klingt wie das übliche politische Geschäft nach einer Bundestagswahl, ist tatsächlich ein Wagnis für CDU und CSU. Denn es ist unklar, wer tatsächlich Prokura hat. Nominell ist das Armin Laschet. Der CDU-Vorsitzende hat sich in der Position des Unterhändlers verschanzt. Solange es noch den Hauch einer Chance auf Regierungsführung gibt, bleibt das auch so. Einen Emissär schickt man nicht weg.

Doch selbst wenn Laschet unter größten Verrenkungen Bundeskanzler würde, wäre das keine gute Entscheidung für das Land. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht eine handlungsfähige und halbwegs geeinte Bundesregierung, die die brennenden Themen effektiv abarbeitet. Eine Union, deren Kanzler aus den eigenen Reihen unentwegt torpediert würde, wäre von vornherein ein Spielball ihrer Koalitionspartner. Und genau das war es ja, was viele Wählerinnen und Wähler zunehmend abgestoßen hat: die fortwährende Selbstbeschäftigung.

Schon jetzt geht es dort drunter und drüber. CSU-Chef Markus Söder lässt deutlich erkennen, dass er Armin Laschet nichts mehr zutraut. Laschets ewiger Herausforderer Friedrich Merz liegt schon auf der Lauer, doch noch CDU-Vorsitzender zu werden, wenn es schon nicht mit dem Ministeramt klappt. Und dann ist da eine immer stärker werdende Front aus Jüngeren wie Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn und Tilman Kuban, dem Chef der Jungen Union. Sie fordern den Gang in die Opposition und einen inhaltlichen und personellen Neuanfang. Spahn bringt schon jetzt einen CDU-Sonderparteitag bis spätestens Januar ins Spiel.

So oder so also kann Armin Laschet seine Tage als Vorsitzender zählen. Friedrich Merz muss sich auf einen Parteinachwuchs gefasst machen, der keine Geduld mehr hat mit den Altvorderen, deren Referenzgröße immer nur Angela Merkel hieß. Die ist gerade dabei, das Kanzleramt zu verlassen. Ihre Partei hinterlässt sie als chaotischen Haufen. Aber das war schon 2000 nicht anders, als eine Mittvierzigerin aus dem Osten die entkernte Kohl-CDU übernommen hat.

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