Für mehr als 90 Prozent der Deutschen dient die Verbreitung von Desinformation dazu, die politische Meinung der Bürger zu beeinflussen. 86 Prozent denken, dass die Absender auf Wahlausgänge einwirken wollen. Zwei Drittel befürchten, dass das auch gelingen könnte. Zu diesen Ergebnissen kommt die repräsentative Studie "Verunsicherte Öffentlichkeit", die die Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch vorgestellt hat. Demnach werden gezielte Falschinformationen am häufigsten im Zuge umstrittener Themen wie Migration, Krieg oder Klimakrise wahrgenommen.
Als Raum für Desinformation nennen Befragte oft soziale Medien, Blogs und Messenger-Dienste. Häufig vermuten sie, dass Protest- und Aktivistengruppen (66 Prozent) oder Blogger und Influencer (60 Prozent) die Quelle sind. Bei Aussagen, die deutsche Parteien verbreiten, ist laut Studie die Hälfte der Befragten skeptisch. Ein knappes Drittel der Teilnehmer hat demnach ein niedriges Medienvertrauen. In der Gruppe seien potenzielle AfD-Wähler überproportional vertreten (58 Prozent), heißt es in der Studie. 43 Prozent aller Befragten gaben an, ein hohes Vertrauen in die Medien zu haben. Sie würden bei einer aktuellen Wahl SPD (28 Prozent), Grüne (30 Prozent) oder CDU (25 Prozent) wählen.
Landesmedienanstalt begrüßt Medienkompetenz
Cornelia Holsten rät davon ab, die Studienergebnisse direkt zu verteufeln – trotz der Sorge vieler Teilnehmer um Spaltung und Beeinflussung. Natürlich biete die Digitalisierung Wege, um schnell viele Menschen falsch zu informieren, sagt die Direktorin der Bremischen Landesmedienanstalt (Brema). "Da ist natürlich auch viel Mist dabei." Eine gewisse Skepsis gegenüber Inhalten im Netz beweise aber "eine gewisse Kompetenz, Medien zu reflektieren".
Cornelius Puschmann, Medienwissenschaftler an der Uni Bremen, baut zudem auf ein starkes Mediensystem in Deutschland und die Internetkonzerne. Letztere müssten insbesondere in Zukunft dafür sorgen, künstlich generierte Nachrichten und Videos zu erkennen und zu kennzeichnen. Im vergangenen Oktober führte das Medienforschungsunternehmen Pollyfix eine Online-Befragung für die Studie durch. 5055 Menschen über 16 Jahren in Deutschland nahmen teil.