Vor wenigen Wochen wurde Jens Spahn noch als Geheimwaffe für den Parteivorsitz gehandelt, momentan ist er für manche Zeitgenossen eher der Depp der Nation. Monatelang galt der Gesundheitsminister als der forsche Manager in der Corona-Krise. Er traf schnelle Entscheidungen und sorgte für deren noch schnellere Umsetzung. Möglich machte dies der seltene Mix aus rhetorischem Geschick und politischer Beherztheit.
Spahn scheint vom Glück verlassen: Der Mix erweist sich als verhängnisvoll, wenn die Dinge komplexer werden und wohl geplant sein wollen. Es fing im November an, als die Apotheker binnen weniger Tage die Corona-Risikogruppen mit kostenlosen Masken versorgen sollten. Überstürzt auch die überzogene PR-Nummer für die Impfkampagne vor Weihnachten. Im Nachhinein eine peinliche Nummer: Der schleppende Impfstart und die desaströse Kommunikation über den Wirkstoff von Astra-Zeneca frustrieren viele Menschen – und lässt sie neidisch nach Großbritannien oder Israel schauen. Eine Zahl verdeutlicht das Chaos: Astra-Zeneca hat über 1,4 Millionen Dosen an die Länder geliefert, gespritzt wurden bis Dienstag nur 239.000.
Ein wichtiger Schritt in dieser verfahrenen Lage ist die Einführung kostenloser Schnelltests für jedermann. Spahn hatte sie für den 1. März angekündigt. Doch Angela Merkel stoppte ihn. In der Corona-Kabinettsrunde soll sie den 40-Jährigen mit bohrenden Nachfragen blamiert haben. Derart bloßgestellt zu werden, ist im System Merkel fast schon die Höchststrafe. Spahn hat sich total verheddert. Auch der Streit um die Prioritätsgruppen beim Impfen wäre zu verhindern gewesen. Dass im März nun doch Grundschullehrer und Kita-Personal vorgezogen werden, hätte man sich früher überlegen können: Seit Monaten steht fest, dass Schulen und Kitas die Letzten sind, die schließen müssen – und die Ersten, die wieder öffnen.
Am Mittwoch wurde Spahn im Bundestag gegrillt, wie es im Abgeordneten-Jargon heißt. Gleichzeitig machte eine Meldung die Runde, die sein Image weiter ramponieren könnte: Bei Astra-Zeneca drohen auch im zweiten Quartal erhebliche Lieferengpässe.