Das seit April 2024 geschlossene ehemalige Ameos-Krankenhaus Mitte in Bremerhaven könnte eine neue Funktion als forensische Psychiatrie erhalten. Das wäre ein Ort für den sogenannten Maßregelvollzug von Straftätern mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen. Entsprechende Pläne hat zumindest das Land Niedersachsen. Das federführende Gesundheitsministerium in Hannover hatte zusammen mit Vertretern der Bremer Gesundheitsbehörden sowie von Ameos bereits einen Ortstermin organisiert, um die Eignung der Immobile zu prüfen. Radio Bremen und die "Nordsee-Zeitung" hatten zuerst darüber berichtet.
Ob es tatsächlich dazu kommt, ist noch offen. "Der Prozess ist noch sehr am Anfang und wie es weitergeht, liegt derzeit allein auf niedersächsischer Seite", sagt Kristin Viezens, Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin. Zunächst müsse ganz praktisch die grundsätzliche Eignung des Gebäudes für eine solche Nutzung festgestellt werden. Unklar ist auch die rechtliche Situation: Offenbar ist der Ameos-Klinikkonzern als Eigentümer der Immobilie auch als möglicher späterer Betreiber im Gespräch. Während das niedersächsische Recht solche privaten Träger für den Maßregelvorzug zulässt, ist dies in Bremen grundsätzlich nicht vorgesehen. Sollte das Vorhaben weiterverfolgt werden, müsste die Einrichtung daher als Einrichtung des Landes Niedersachsen auf dem Hoheitsgebiet des Landes Bremen betrieben werden. Dies erfordert neben umfangreichen Abstimmungen auch vertragliche Regelungen. "Hierzu wurden jedoch bislang keine vertieften Prüfungen vorgenommen", sagt Viezens.
Entscheidung und Zeitplan ist völlig offen
Für Niedersachsen bewertet Felix Thiel, Sprecher des Sozial- und Gesundheitsministeriums, die Anfrage an Bremen als Teil eines umfangreicheren Vorhabens, um die Kapazitäten des Landes für den Maßregelvollzug auszubauen. "Wir begutachten dazu aktuell mehrere mögliche Standorte, unter anderem eben in Bremerhaven." Entscheidungen seien dazu noch nicht getroffen worden, auch gebe es keinen verbindlichen Zeitplan. "Dass wir mehr Möglichkeiten brauchen und schaffen müssen, um Straftäter mit psychischen Erkrankungen angemessen unterzubringen, ist Konsens in der niedersächsischen Koalitionsregierung."
Unabhängig von rechtlichen Fragen oder dem politischen Wollen in Niedersachsen hat sich die Bremerhavener FDP gegen die Pläne ausgesprochen. Ihr Hauptargument ist die zentrale Lage des ehemaligen Krankenhauses. Maßregelvollzug sei als Instrument des Rechtsstaats zwar notwendig – aber nicht mitten im Herzen einer Stadt, heißt es in einer Mitteilung. "Dass zwei Landesbehörden überhaupt auf die Idee kommen, ein solch sensibles Vorhaben in ein dicht besiedeltes Wohngebiet mit Kitas, Schulen und Spielplätzen zu setzen, zeugt von erheblicher politischer Gedankenlosigkeit“, erklärt Bernd Freemann, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bremerhavener Stadtparlament. Die Bremer Gesundheitssenatorin fordert er auf, das niedersächsische Anliegen schon jetzt zurückzuweisen.
Kritik kommt auch von der Bremer CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Dass ein solches Vorhaben überhaupt diskutiert wird, ohne mit den Menschen vor Ort auch nur ein Wort zu sprechen, ist ein unglaublicher Vorgang“, kommentiert Christine Schnittker, Sprecherin der CDU-Fraktion für Bremerhavener Angelegenheiten, das Thema. Es gehe nicht um irgendeine neue Nutzung eines leer stehenden Gebäudes, sondern um eine Einrichtung mit erheblichem Sicherheitsrisiko. "So etwas plant man nicht hinter verschlossenen Türen." Wie auch die FDP argumentieren die Christdemokraten mit der Lage. Eine psychiatrische Vollzugsklinik für Straftäter gehöre weder in Bremen noch in Bremerhaven mitten in ein Wohngebiet.
Auch die Bremer Grünen sehen das Anliegen aus dem Nachbarland eher kritisch. Dass man mitten in der Innenstadt einen Maßregelvollzug unterbringen wolle, sei eine schwierige Botschaft. "Ich weise immer wieder darauf hin, wie solche Signale von Bremer Senatsressorts an Bremerhaven in meiner Heimatstadt ankommen. Die Gesundheitssenatorin hätte uns frühzeitig einbeziehen müssen“, sagt Michael Labetzke, der auch innenpolitischer Sprecher der Bremer Grünen ist. Zugleich moniert er, dass weder der Magistrat noch die Bremerhavener Koalition eigene Konzepte für die Nachnutzung der ehemaligen Ameos-Klinik entwickelt hätten, die sie den Plänen Niedersachsens entgegenstellen könnten.