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Olaf Scholz Der Kandidat, der nicht kämpft

Im Streit um Kampfdrohnen unterwirft sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz der Parteilinie - wie auch in manchen anderen Fragen. Warum profiliert er sich nicht?
29.12.2020, 18:34 Uhr
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Von Hans Monath

Anne Bressem ist Sozialdemokratin, hat in der Bundeswehr Karriere gemacht und kandidiert bei der Bundestagswahl in einem nordthüringischen Wahlkreis. Die Verschiebung der Entscheidung über bewaffnete Drohnen durch die Partei- und Fraktionsspitze der SPD hält die Oberleutnantin der Luftwaffe für falsch – gemeinsam mit vielen anderen Sicherheitsexperten ihrer Partei. Bressem vermisst einen Ordnungsruf von Olaf Scholz.

Damit ist eine Debatte in den Reihen der Sozialdemokraten angekommen, die bisher vor allem von der Union geschürt worden war. Es geht darin um den Führungswillen und die Durchsetzungsfähigkeit von Vizekanzler Scholz in der Drohnendebatte, nachdem SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich eine sicherheitspolitische Wende der Sozialdemokraten herbeigeführt haben. Während die Experten der SPD-Fraktion sich im Sommer nach jahrelanger, intensiver Diskussion zum Einsatz des neuen Waffensystems unter strikten Bedingungen bekannt hatten, verlangten beide den Aufschub der Entscheidung bis nach der Bundestagswahl. Die Union warf dem Koalitionspartner daraufhin vor, er gebe seine Regierungsfähigkeit auf und verweigere den Soldaten Schutz, die er in Auslandseinsätze schicke.

Scholz war in der entscheidenden Sitzung seiner Fraktion anwesend, beteiligte sich nach Angaben von Teilnehmern aber nicht an der Debatte. Dabei gilt der Kanzlerkandidat als ein Politiker, der anders als manche anderen Sozialdemokraten Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht skeptisch gegenübersteht, der die Aufgaben Deutschlands in der Nato ernst nimmt und eine starke deutsche Rolle auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik befürwortet.

Sein Verhalten im Drohnenstreit aber entspricht nicht diesem Profil. Nachdem Scholz mehrere Tage lang zum sicherheitspolitischen Schwenk geschwiegen hatte, verteidigte er kurz vor Weihnachten die Entscheidung, nach zehn Jahren Diskussion doch nicht darüber zu entscheiden. Die Positionierung des Vizekanzlers scheint vor allem einem Ziel zu folgen: keinen Streit zwischen Partei und Kanzlerkandidat zu riskieren. Schon im Mai hatte Mützenich ein zentrales Element deutscher Sicherheitspolitik infrage gestellt: Der SPD-Fraktionschef forderte den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und stellte sich gegen die Modernisierung von Bundeswehr-Kampfflugzeugen, die diese Waffen im Ernstfall ins Ziel tragen sollen. Auch damals widersprach Scholz öffentlich nicht, obwohl er ebenso wie Außenminister Heiko Maas (SPD) die nukleare Teilhabe befürwortet. Der Außenminister stellte anders als Scholz klar, dass er wie die Bundesregierung insgesamt weiter zur nuklearen Abschreckung der Nato steht. Der Vizekanzler, so spottete Unions-Vizefraktionschef Johann Wadephul, sei in der Außen- und Sicherheitspolitik bisher „eine Leerstelle“.

Verteidiger von Scholz in der SPD verweisen darauf, dass es für einen Spitzenpolitiker durchaus klug sein könne, sich in umstrittenen Fragen nicht zu positionieren. Dieses Verhalten habe schließlich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel weit gebracht.

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