Die Polizei müsse "notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen", falls Flüchtlinge weiter die Grenze überqueren, sagte AfD-Chefin Frauke Petry. SPD, Grüne und Linke reagierten mit Empörung.
AfD-Chefin Frauke Petry verlangt angesichts des großen Flüchtlingsandrangs umfassende Kontrollen an den deutschen Grenzen. Es müsse verhindert werden, dass „weiter so viele unregistrierte Flüchtlinge über Österreich einreisen können“, sagte die Chefin der Alternative für Deutschland dem „Mannheimer Morgen“. Die Polizei müsse „notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen“. „Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt“, sagte Petry. „So steht es im Gesetz“. Die Forderung Petrys löste bei SPD, Grünen und Linken Empörung aus.
Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, warf Petry vor, „auf unerträgliche Art Stimmung gegen Flüchtlinge“ zu machen. Ihr Vorschlag erinnere an den Schießbefehl der DDR. „Der letzte deutsche Politiker, der auf Flüchtlinge schießen ließ, war Erich Honecker. Frauke Petry hat sich politisch vollends verirrt“, sagte Oppermann. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte: „Frauke Petry offenbart die hässliche Fratze der AfD.“ Es zeige sich, dass die AfD eine zutiefst rassistische, diskriminierende und menschenverachtende Partei sei. „Hohe Stacheldrahtzäune an den Grenzen und Grenzpolizisten, die auf Flüchtlinge schießen, gehören nicht zu einem freien, demokratischen und rechtsstaatlichen Deutschland.“ Der Vizechef der Linksfraktion, Jan Korte, nannte die Aussagen der AfD-Chefin „inhuman, verroht und antidemokratisch“. Sie legten den Schluss nahe, „dass sich Frauke Petry in Nordkorea sicherlich sehr wohlfühlen würde“.
Gewerkschaft der Polizei: "Menschenverachtendes Gedankengut"
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies Petrys Position scharf zurück. Diese entlarve „radikales und menschenverachtendes Gedankengut“, teilte der Vize-Chef der GdP, Jörg Radek, mit. An keiner Stelle der geltenden Polizeigesetze gebe es die Rechtsnorm, den Grenzübertritt von Flüchtlingen mit dem Gebrauch der Schusswaffe zu verhindern. „Wer ein solches radikales Vorgehen vorschlägt, will offenbar den Rechtsstaat aushebeln und die Polizei instrumentalisieren. So etwas hatten wir schon einmal in der deutschen Geschichte, und das wollen wir nie wieder.“
Unterdessen gibt es in der Großen Koalition weiter Streit über den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik. So will sich die SPD auch nach der Einigung auf eine Verschärfung des Asylrechts nach wie vor für den Familiennachzug einsetzen. Allein angekommene junge Männer seien schwieriger zu integrieren als Familien, sagte Oppermann. „Wir müssen uns auch in Zukunft Gedanken über den Familiennachzug machen. Daran ändert die Entscheidung von Donnerstagabend nichts.“
Das Asylpaket II sieht unter anderem vor, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz für einen Zeitraum von zwei Jahren auszusetzen. Oppermann zeigte Bedauern über die Entscheidung. „Wir hätten uns gewünscht, noch mehr für die Familien zu tun. Das war mit der Union leider nicht möglich“, sagte der SPD-Politiker.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet mittelfristig mit einer Rückkehr vieler Flüchtlinge in deren Heimatländer. Der derzeit in Deutschland vorrangig gewährte Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sei zunächst auf drei Jahre befristet, sagte sie am Sonnabend beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Neubrandenburg. Bei allem, was an Integration zu leisten sei, müsse den Betroffenen auch klar gemacht werden, dass es sich um einen temporären Aufenthaltsstatus handele.
De Maizière fordert mehr Unterstützung von Türkei
Deutschland hatte im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen aufgenommen, den Großteil davon aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Die meisten Flüchtlinge reisten über die Türkei, Griechenland und die sogenannte Balkanroute ein. Immer wieder kommt es dabei zu Katastrophen. Vor der türkischen Ägäisküste ertranken am Samstag bei einem Schiffsunglück mehr als 30 Menschen.
Die Kanzlerin setzt zur Reduzierung der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge auf eine Bekämpfung der Fluchtursachen und eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei zur Überwachung der EU-Außengrenzen. Zudem tritt sie für eine solidarische Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Mitgliedsstaaten ein.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte, im Januar sei die Zahl der Menschen, die in Deutschland Aufnahme begehrten, im Schnitt auf etwa 2000 pro Tag zurückgegangen – nach teils 10 000 im September und Oktober. Er nannte dafür vorrangig das Winterwetter als Ursache. Mehr Anstrengungen forderte er von der Regierung in Ankara. „Es gibt zwar schon vereinzelte Bemühungen der Türkei, die illegale Migration über die Ägäis zu unterbinden. Aber noch nicht in dem Umfang, wie es erforderlich wäre.“