Und? Den nächsten Urlaub schon gebucht? Mal wieder raus, an die Küste zum Beispiel oder in die Berge? Mit dem Flugzeug in die Ferne oder einfach nur ins Mittelgebirge? Auswahl gibt es reichlich: Nord- oder Ostsee, den Bayerischen Wald, Spanien natürlich oder Frankreich, Türkei oder USA. Aber Moment: USA – darf man da noch hin?
Natürlich darf man das! Über die Frage allerdings, ob man alles, was man darf, auch machen sollte, lässt sich trefflich streiten. Vor allem in Bezug auf die USA hat sich die Stimmung ein Stück weit gedreht. Galt die Reise nach "Amerika" bislang als unproblematisch, haben viele Reiselustige mittlerweile Zweifel bekommen, ob sie sich den Flug nach Übersee noch antun sollten – und das nicht nur wegen des quälend langen Sitzens in der Holzklasse und der stundenlangen Warterei an der Grenzkontrolle. Seit Donald Trump das Weiße Haus übernommen hat und von dem Wertegefüge nichts mehr wissen möchte, das Europa und die USA bislang teilten, bucht sich die Reise nicht mehr so unbedarft. Zumal Trump und seine Leute seit der Amtsübernahme fortwährend demonstrieren, dass sie Begriffe wie Freundschaft und Gastfreundschaft anders definieren als ihre Vorgänger. Hirngespinste wie die Übernahme Grönlands oder Kanadas sind Ausdruck dieses Wandels.
Dieser Kurswechsel hinterlässt Eindruck. Die Zahl der USA-Reisen ist laut Branchenberichten deutlich zurückgegangen. Nicht nur aus Kanada, sondern auch aus Europa wollen weniger Menschen in die Staaten reisen als zu früheren Zeiten. Zur Verunsicherung tragen Meldungen über im Zuge der Einreisekontrolle abgewiesene Besucherinnen und Besucher bei. Auch das Auswärtige Amt weist in seinen Reisehinweisen zu den USA darauf hin, dass Reisende in Schwierigkeiten geraten können. Falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder eine auch nur geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer könnten zu "Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung" führen. Kein Wunder, dass manchen Reisewilligen die Befürchtung überkommt, sich schlimmstenfalls in einem Gefängnis in El Salvador wiederzufinden, obwohl er doch eigentlich nur den Sonnenuntergang im Grand Canyon fotografieren wollte.
Komme ich wieder nach Hause?
Zur Sorge um das Urlaubsglück und die eigene Sicherheit gesellt sich die Frage, ob es derzeit moralisch vertretbar ist, ein solches, von Großmachtgedanken beseeltes und Rechtsnormen ignorierendes Land zu besuchen und damit den Kurs, auf dem es sich befindet, vielleicht nicht zu stützen, ihn zumindest aber stillschweigend hinzunehmen. Dies gilt freilich nicht allein für USA-Urlauber. Ähnliche Gedanken müssten sich all jene machen, die alljährlich in die Türkei fahren, in ein Land also, das in der Kritik steht, Menschenrechte zu missachten und Journalisten und Oppositionelle zu inhaftieren.
Am Pool des All-inclusive-Hotels merkt man davon natürlich nichts. So wie es allgemein schwerfällt, die Verhältnisse in einer Gegend beurteilen zu können, die man als Pauschaltourist per geführter Bustour bereist. Um ein Land kennenzulernen, mit den Menschen in einen vertiefenden Austausch zu geraten, Hintergründe und Abhängigkeiten zu erkennen, braucht es mehr als zwei Wochen im Sommer. Das gilt in der Türkei, in den Emiraten, in Marokko genauso wie in den USA. Es ist eine Fehlannahme zu glauben, man könnte Land und Leute über oberflächliche Tagesausflüge oder zufällige Begegnungen mit Reiseleitern oder Pool-Aufsichten durchdringen, wenn das Miteinander kaum über Sätze hinausgeht wie "Aaah, Germany? Good Beer! Good Bratwörst!"
Der kulturelle Austausch und die Fokussierung auf die wahren Verhältnisse in einem Land funktionieren selbst dann nicht, wenn die Weltöffentlichkeit mit allem anrückt, was sie personell und medial zu bieten hat. Als vor Jahren die Olympischen Spiele nach China vergeben wurden, regten sich prompt die Kritiker, die mutmaßten, dort würde ein autoritäres Regime die größte Sportparty der Welt nutzen wollen, um sein Image reinzuwaschen und so die eigenen Untaten vergessen zu machen. Diesen Skeptikern standen jene gegenüber, die fanden, man solle ganz im Gegenteil hingehen und hinsehen, um sich ein ehrliches Bild von den Verhältnissen vor Ort zu machen und es in die Welt hinauszutragen. Ob es geklappt hat? Zwar tummelten sich vor und während der Spiele weit mehr Journalistinnen und Journalisten im Land als sonst. Kaum einer von ihnen aber konnte unabhängig berichten. Im Gegenteil: Mitunter wurden ihnen Potemkinsche Dörfer präsentiert und Einheimische mussten befürchten, für Aussagen, die der staatlich vorgegebenen Linie zuwiderlaufen, bestraft zu werden.
Derart genau sehen die meisten Urlauberinnen und Urlauber aber gar nicht hin. Diese Oberflächlichkeit kann man Erholungsuchenden kaum vorwerfen. Kritikwürdig ist allenfalls die Ignoranz, mit der Spaßreisen in solche Länder unternommen werden, obwohl es leicht wäre, sich zu Fragen der Anwesenheit von Demokratie und Rechtsstaat, Einhaltung der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes und Ähnlichem zu informieren.
Doch wo sollte man die Grenze ziehen? Schon die Fahrt über den Brenner führt Reisende in ein Land, das mit Giorgia Meloni von einer Frau regiert wird, die rechtsextreme Positionen vertritt. Womöglich liegt die Grenze des vertretbaren Reiseziels sogar noch viel näher, im eigenen Land nämlich. Nicht lange her, dass das ZDF für einen Beitrag nach Rügen gefahren ist, ein beliebtes Urlaubsziel, und eines, in dem die AfD seit der jüngsten Bundestagswahl die stärkste Kraft ist. Ein dazu von den Journalisten befragter Rügen-Besucher ließ durchblicken, dass er sich vorstellen könne, dass Menschen mit Migrationshintergrund infolge des AfD-Erfolgs Angst hätten. Er allerdings habe solche Erfahrungen noch nicht gemacht. Wollte man es überspitzen, ließe es sich so übersetzen: Wen juckt es, wenn andere Sorge um ihre Sicherheit haben müssen, solange ich selbst in Ruhe gelassen werde?
Die Lage auf Rügen und auch andernorts im deutschen Osten kann potenzielle Urlauber ins Grübeln bringen. Mit der AfD ist dort eine in Teilen rechtsextreme Partei etabliert und hat sich in nahezu allen Wahlkreisen durchgesetzt. Kann man guten Gewissens in dieser Region Urlaub machen, sein Geld bei Menschen lassen, von denen einige fremdenfeindlich sind? Man ist verleitet, den Menschen mit Vorurteilen zu begegnen, selbst wenn viele von ihnen nur Gutes im Kopf haben mögen und für die Gesinnung ihrer Kollegen, Nachbarn oder Freunde nicht geradestehen können.
Angstzonen für Ausländer
Die Debatte, ob der Osten ein geeignetes Pflaster für auswärtige Besucher ist, hat es bereits vor fast zwei Jahrzehnten gegeben. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatten der Afrika-Rat, ein Dachverband afrikanischer Vereine in Berlin-Brandenburg, die Internationale Liga für Menschenrechte, Autoren amerikanischer Reiseführer, aber auch berufene Köpfe aus dem Inland ausländische WM-Besucherinnen und -Besucher vor rassistischer Gewalt warnen wollen. Damals war von sogenannten No-Go-Areas die Rede – gemeint waren Angsträume, in denen sich vor allem schwarze Touristinnen und Touristen besser nicht aufhalten sollten. Die Warnungen waren die Folge einer Reihe gewalttätiger Übergriffe, nach denen auch Menschen gestorben waren. Die Debatte verlief hitzig, viele Menschen im Osten fühlten sich in Sippenhaft genommen und zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Laut Auswertungen des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sind die Zahlen rassistischer Gewalt deutlich gestiegen und liegen in den ostdeutschen Ländern höher als in den meisten westdeutschen Ländern. Einer Verbandsvertreterin zufolge gebe es eine flächendeckende Normalisierung rassistischer Gewalt. Und offenbar äußert sich dies auch im Wahlverhalten der Menschen: Wo man einst von Angstzonen für ausländische Gäste gesprochen habe, seien heute Hochburgen der AfD.
Was das für die Wahl des Urlaubsziels bedeutet? Nun, der Grand Canyon, die Küste bei Antalya oder das Elbsandsteingebirge sind lohnende Ziele. Man kann, man darf dort hinreisen. Aber man sollte es mit offenen Augen machen und nicht so tun, als hätte man von nichts gewusst.