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Sanierung statt Neubau Zukunft der Stadthalle sorgt für Ärger in Bremerhaven

Die entscheidenden politischen Akteure hatten sich vor der Wahl für einen Neubau der Bremerhavener Stadthalle ausgesprochen. Jetzt rudern sie zurück – und haben damit eine hitzige Debatte entfacht.
11.09.2023, 05:00 Uhr
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Von Felix Wendler Maren Beneke

Im kommenden Jahr steht für die Bremerhavener Stadthalle ein runder Geburtstag an. 1974 errichtet, wird das städtische Veranstaltungszentrum dann ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben. Für Feierlaune sorgt das in der Seestadt nicht – im Gegenteil. Die Stadthalle wird mehr und mehr zum Streitobjekt. Es geht ums Geld, aber auch um unerfüllte politische Versprechen. Klar ist: Die Stadthalle hat ihren Zenit überschritten. Vom kommenden Jahr an muss in der baufälligen Arena jede Veranstaltung einzeln genehmigt werden. Das Bauordnungsamt und die Feuerwehr erlauben den Betrieb bis Juni 2025 – Voraussetzung dafür ist jedoch ein Sanierungsplan, der in diesem Herbst vorliegen muss.

Die Sanierungsfälligkeit der Halle ist mindestens seit 2018 aktenkundig. Die Mängel sind so groß, dass in den vergangenen Jahren ein möglicher Neubau in den Fokus geraten ist. "Eine Sanierung ist teuer und verbessert an der Grundsituation der Stadthalle wenig", war von der Bremerhavener SPD noch im April dieses Jahres zu hören. Die Erklärung trägt die Überschrift "Ja zum Neubau und Ja zum aktuellen Standort". Die Koalitionspartner CDU und FDP hatten sich in ihren Wahlprogrammen klar für eine neue Halle ausgesprochen. Nach den Wahlen im Mai bilden in Bremerhaven weiterhin SPD, CDU und FDP die Regierung – zum Neubau der Stadthalle bekennt sich die Koalition nicht mehr.

Bremerhaven ist finanziell nicht auf Rosen gebettet.
Thorsten Raschen, CDU-Fraktionschef

"Als Zwischenlösung bis zu einer endgültigen Entscheidung über eine neue Stadthalle wird die bisherige Stadthalle so instandgesetzt, dass sie weiter bespielt werden kann", heißt es im Koalitionsvertrag. Mittlerweile deutet alles darauf hin, dass es auf absehbare Zeit keinen Neubau geben wird. Die Koalitionäre haben auf die Sanierung umgeschwenkt, weil sie vor den Kosten für eine neue Stadthalle zurückschrecken. "Bremerhaven ist finanziell nicht auf Rosen gebettet", sagt Thorsten Raschen, CDU-Fraktionschef und Aufsichtsratsvorsitzender der Stadthallen GmbH. Mehr als 50 Millionen Euro würde ihm zufolge ein Neubau kosten. Das Geld, so Raschen, werde dringender für den Neubau von Schulen und die Sanierung der Kajen benötigt.

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Die Kehrtwende der Koalition wirft Fragen auf. Welche neuen Erkenntnisse waren es konkret, die SPD, CDU und FDP haben umschwenken lassen? Zwei Studien, die die Optionen Sanierung, Umbau, Neubau sowie ein detailliertes Neubau-Konzept erörtern, wurden laut Stadthallen-Geschäftsführer Othmar Gimpel im Frühjahr 2021 beziehungsweise im Sommer 2022 vorgestellt. Bereits auf Grundlage der ersten Studie hätten sich die Koalitionsparteien für den auf 30 Millionen Euro geschätzten Neubau ausgesprochen. In der zweiten Studie taucht Gimpel zufolge die Summe von 38 Millionen auf. Der Betrag von mehr als 50 Millionen Euro, den Raschen nennt, ergibt sich durch mögliche Anbauten wie zum Beispiel ein Parkhaus. Auch diese Gesamtsumme war bereits öffentlich bekannt, als sich die Koalitionäre noch zu einem Neubau bekannt hatten – unter anderem durch einen Bericht der "Nordsee-Zeitung" im November 2022.

Was auf der anderen Seite die Sanierung kosten wird, ist noch offen. Laut Gimpel hatte die Studie aus dem Jahr 2021 die Summe auf 18,5 Millionen Euro geschätzt, die seitdem aber nicht mehr aktualisiert worden sei. Der Betrag gilt beziehungsweise galt nach Gimpels Angaben für eine Instandsetzung, die den Status quo wiederherstellt, aber beispielsweise keine energetische Sanierung oder eine Verbesserung der Event-Infrastruktur berücksichtigt. Letztendlich hängen die tatsächlichen Kosten davon ab, welche Arbeiten in der Arena durchgeführt werden müssen und sollen. Denkbar ist zum Beispiel, dass im Zuge der Sanierung bislang verborgene Schadstoffe zum Vorschein kommen – das wäre für einen Bau aus den 1970er-Jahren zumindest nicht ungewöhnlich.

Ich verstehe die Stadt Bremerhaven nicht.
Heinz-Dieter Kröger, Investor

Mit einer Sanierung gehe die Stadt ein unkalkulierbares Risiko ein, sagt Heinz-Dieter Kröger. Der Unternehmer vertritt eine Investorengemeinschaft, die Ende vergangenen Jahres ihr Interesse an einem möglichen Arena-Neubau bekundet hatte. Nach Krögers Angaben blieben seine Anfragen bei den politisch Verantwortlichen sämtlich unbeantwortet. Mittlerweile habe sich das Thema für ihn erledigt. "Ich verstehe die Stadt Bremerhaven nicht", sagt Kröger. Er sieht es so: Bei einem Neubau mit Investorenbeteiligung hätten die Investoren das Risiko getragen, das nun die Stadt tragen muss. Außerdem werde ein Projekt immer teurer, wenn die Kommune als Bauherr auftrete.

Kröger sagt, ein Neubau sei die bessere Wahl, weil sich die Kosten kalkulieren ließen, während eine Sanierung "unbekannte Parameter" beinhalte. Zudem müsse man sich den Gegebenheiten der heutigen Zeit anpassen – lediglich den Brandschutz sicherzustellen, mache die Arena nicht konkurrenzfähig. In die gleiche Kerbe schlägt Oliver Mücke, Geschäftsführer der Bremer Veranstaltungsagentur Koopmann Concerts. "Für den Konzert- und Veranstaltungsstandort Bremerhaven ist das eine Vollkatastrophe", sagt Mücke zur Abkehr vom Neubau. Er attestiert den politischen Entscheidungsträgern, vorsichtig formuliert, wenig Ahnung von den Anforderungen zu haben, die eine Veranstaltungsstätte heutzutage erfüllen müsse. 

Für mich als Veranstalter ist der Standort dann irgendwann tot.
Oliver Mücke, Koopmann Concerts

Die Mängel in der Bremerhavener Stadthalle ließen sich nicht "mit einem Eimer Farbe und ein paar neuen Türen" beheben. Es gehe, so Mücke, um Grundlegendes: veraltete Technik, zu niedrige Decken, zu wenig Kapazität. Koopmann Concerts veranstaltet in Bremerhaven Auftritte von Comedians wie Ralf Schmitz und Dieter Nuhr, verzichtet laut Mücke aber aufgrund der örtlichen Gegebenheiten auf größere Konzerte. Nach Ansicht des Bremer Veranstalters ist die Halle aus den 1970er-Jahren nicht konkurrenzfähig. Mücke verweist auf Standorte wie Stade, Aurich, Emden und Lingen. "Jede Kleinstadt hat mittlerweile eine moderne Halle", sagt er. Seine Prognose: Ohne einen Neubau hat Bremerhaven perspektivisch keine Chance, sich in der Branche zu behaupten. Mücke: "Für mich als Veranstalter ist der Standort dann irgendwann tot."

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"Wenn man eine Halle von 1974 saniert, dann bekommt man am Ende eine Halle von 1974 und nicht von 2023", sagt Stadthallen-Geschäftsführer Othmar Gimpel. Schließe man den Standort Bremerhaven, der bereits an Attraktivität verloren habe, für mehrere Jahre, "verschwindet man vollends von den Telefonlisten der Tourveranstalter." Wenn die Halle dann irgendwann wiedereröffnet werde, aber das Gleiche biete wie vorher, komme man auf keinen grünen Zweig mehr. "Daher muss man das Nutzungskonzept komplett neu denken, um mit einem modernen, zukunftsweisenden Ansatz punkten zu können", sagt Gimpel.

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