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Rückspiegel Grüße von Dolly

Vor 25 Jahren rollt der erste Puma vom Band. Unter Industriedesignern gilt er als Wegbereiter dessen, was heute virales Marketing heißt. Was ist 1997 eigentlich alles passiert – und was daraus geworden?
04.02.2022, 23:00 Uhr
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Grüße von Dolly
Von Tobias Winkler
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Kleiner Wagen, großer Zeitgeist: Vor 25 Jahren rollt der erste Puma vom Band. Für vier Jahre lang ist der kleine Berglöwe nicht nur im Kölner Zoo anzutreffen, sondern auch nebenan im Ford-Werk. Unter Industriedesignern gilt er weiterhin als Wegbereiter dessen, was heute virales Marketing heißt. Was ist 1997 eigentlich alles passiert – und was daraus geworden?

Das Jahr 1997 markiert den Aufbruch in ein neues Zeitalter: Während Sozialhilfeempfängerin Joanne K. Rowling Harry Potters „Stein der Weisen“ ins Rollen bringt, erringen die Ruhrpottkicker aus Dortmund und Gelsenkirchen die Pokale von Champions League und Uefa-Cup. Countrystar John Denver stürzt tödlich mit seinem Flugzeug ab, Ozzy Osbourne holt seine alte Combo Black Sabbath aus der Mottenkiste. Vor allem jedoch nimmt das Fahrt auf, was heutzutage als Biohacking beziehungsweise Biotechnologie bekannt ist, der industrielle Eingriff in die menschliche DNA.

Dem Computer entsprungen

Was die automobile Industrie betrifft, ist 1997 allen voran das Jahr der Mercedes A-Klasse – und des berühmt-berüchtigten Elchtests. Auf etwas leiseren Sohlen schleicht sich Fords Puma auf die Straßen. Neben den gutbürgerlich ausgerichteten Baureihen Ka und Fiesta lässt Ford das dritte Modell identischer Plattform vom Band. Als erstes Auto des Hauses bekommt der Puma sein Design komplett aus dem Computer.

„Anhand der Computermodelle konnten wir auch die sonst sehr zeitaufwendigen Befragungen der Kunden in kürzester Frist durchführen“, sagt der damalige Designdirektor Claude Lobo. „Während wir die fertigen Modelle üblicherweise in mindestens fünf europäische Länder transportieren und dort aufbauen mussten, haben wir die Computermodelle gleichzeitig an allen Standorten gezeigt.“

Das Jahr des ersten Social Networks

Die Technik macht es möglich. Vier Jahre zuvor ist das Internet in seiner heutigen Form gestartet, nun gesellen sich die ersten sozialen Netzwerke hinzu. Was man heutzutage als Facebook, Xing oder Linkedin kennt, heißt damals vor allem Sixdegrees.

Mit dem Onlinenetzwerk bringt der US-amerikanische Gründer Andrew Weinreich eine alte Theorie ins Bewusstsein. Insbesondere bedient er sich an den Algorithmen des Sozialpsychologen Stanley Milgram. Unter dem Begriff „small world phenomenon“ hat dieser 1967 die Kontakte eines Menschen und dessen vorauseilenden Gehorsam gegenüber seinen geschätzten wie geliebten Mitmenschen erforscht. Populärwissenschaftlich heißt das: „Jeder kennt jeden über maximal sechs Ecken.“

Anders ausgedrückt: A kennt B, B hat Kontakt zu C, C zu D, D zu E, E zu F – also gehört auch A zum Freundeskreis von F. Letzterer gilt der Theorie nach als Widersacher wie Vertrauter von A – denn Ebene F ist dessen Sollbruchstelle, jene all seiner Schwachpunkte, die F aufwiegt.

Software trifft Hardware

Bei Ford halten Teile dieser Theorie in der Kundenbefragung Einzug, darüber hinaus deutet der Konzern vage an, welchen Zeitgeist er mit diesem Wagen vermarktet. Die „New Edge“ genannte Formensprache sorgt wenige Monate zuvor bereits beim Kleinstwagen Ka für Furore. Nun schafft es damit auch der Puma in die Presse – als eines dieser gestalterischen Wagnisse, die das „New Age“ einer zusehends computerisierten Welt besingen. Elemente sportlicher Coupés verzahnt mit einer Mischung harter Linien und softer Formen – das ist das dezent angedeutete, aber eben des Designers Plädoyer: Ohne Software ist jegliche Hardware nutzlos.

Dass dieses Prinzip das Jahrzehnt dominiert, liegt auf der Hand, kommt doch der Personal Computer in immer mehr Haushalten zum Einsatz. Der Grundgedanke von Hard- und Software jedoch geht weiter, bezieht selbst die Biologie ein. Enzyme, Zellen, Organismen – kurzum die menschliche DNA, das Deoxyribonucleic Acid – steht fortan zum Abschuss bereit. Das nach dem vollbusigen Countrystar Dolly Parton benannte Klonschaf Dolly illustriert 1997 die Bedeutung der DNA-Prozeduren, die fortan auch dort eingreifen, wo ein letztes bisschen Natur übrig war. Der menschliche Körper ist damit endgültig Zielobjekt der Programmierung. Das betrifft die neue Art der Geburten- und Nachwuchskontrolle ebenso wie eine fortan zur Höchstform auflaufende Form viralen Marketings.

Virales Marketing und Biohacking

Ein Sprung ins Heute zeigt die Tragweite. Apples smarte Uhr etwa misst bereits nahezu alles, was im Menschen los ist. Vor allem für Sportler interessant, lassen sich auf diese Art Bewegungsmuster und Körperfunktionen nicht nur aufzeichnen, sondern auch als Gruß verschicken. Für Otto Normalkonsument läuft das etwa per Digital Touch genannter Funktion. So spürt der Empfänger den Herzschlag des Absenders – präsentiert von Apple.

Die virale Vermarktung des Biohacking spinnt derzeit jedoch keiner weiter als Tesla-Gründer Elon Musk. Mit seinen Firmen Space X und Neuralink arbeitet er daran, dem Menschen helfend unter die Arme zu greifen. Vereinfacht gesagt, bringt das Weltraumunternehmen Space X mit seinen Trägerraketen neue Technologien ins All, zum Beispiel Sender und Empfänger von Radiowellen. Die daran geknüpften Frequenzen wirken auf eine in den menschlichen Organismus eingebaute Schnittstelle (derzeit vor allem als ein in Schweine implantierter Empfängerchip bekannt). Per App an die Satelliten (Cloud to Target) und die dazugehörige DNA-Datenbank der Zielperson gekoppelt, lassen sich so die Vitalfunktionen und die Wahrnehmung steuern.

Die neue Art der Healthcare

Telefonieren, vollkommen ohne Telefon, allein mit der Kraft der Gedanken – das ist bereits möglich. Sprachliche Barrieren des Sommerurlaubs könnten sich damit in Wohlgefallen auflösen. Jeder spricht seine Sprache, ans Gehirn gekoppelte Apps übersetzen in Echtzeit. Auf gänzlich medikamentenfreie Art ließen sich selbst Volkskrankheiten wie Herzrhythmusstörungen beheben oder Blinde navigieren – mittels orientierender Signale für die Netzhaut und/oder das Ohr. Ohne jegliches Zusatzgerät könnt man auf diese Weise gar Spielfilme schauen.

Der Puma ist auch 25 Jahre nach seinem Debüt noch immer eines jener Produkte, die die Menschen auf die computerisierte Welt einstimmten. Seine Lebenszeit ist gering. Nach vier Jahren stellt Ford ihn ein. Seit 2019 ist er zurück, mit Crossover-DNA.

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