Wer in dem verhüllten Eckhaus Am Hulsberg die Klinke niederdrückt, landet stante pede in 1001 Nacht, Sand an den Füßen, Sitzgelegenheiten auf dem Boden und der Baldachin eines Beduinenzeltes über den Köpfen: Das Kamayan ist seit 13 Jahren eine außergewöhnliche Location. Sie habe sich von einem Restaurant in Frankfurt inspirieren lassen, sagt Saskia Wirth, die von allen Chef genannt wird. Gemeinsam mit Coco in der Küche und Willem Pientka am Tresen hat sie den Laden aufgebaut.
Leider sind derzeit noch immer Bauarbeiten am Haus, deswegen streikt manchmal die Heizung – aber, hey, in der Wüste wird es nachts auch kalt, Wärmflaschen und Decken stehen für den Notfall bereit.
Kamayan ist philippinisch und heißt „mit den Händen essen“, was ein Teil des Konzepts widerspiegelt. „Unser Ziel ist es, den Gast in eine exotische Welt zu ziehen. Wir sind nicht wie der Stammitaliener, bei dem man einmal in der Woche essen geht“, erklärt sie. Gleichwohl gibt es Anhänger, die jeden Monat kommen, denn dann wechselt die Speisekarte. Damit ich alles probieren kann, haben Coco und Saskia einen Mix-Teller für zwei Personen zubereitet, nimmt man diesen mit einer Flasche Wein, Vorspeise und Dessert schlägt er mit 48,50 Euro zu Buche. Nur der Mix-all-Teller kostet für eine Person 15,50 Euro.
Zum Auftakt gibt es Gemüsepakoras: Zwiebel und Möhren-Stifte, die in einer würzigen Panade aus Kichererbsenmehl frittiert werden. Diese bekommt jeder Gast statt Brot und Dip. Die Speisen auf dem Mix-all-Teller haben sowohl Coco als auch Saskia gekocht. Im Prinzip sind es drei vegane und drei Eintöpfe mit Fleisch. Im Februar waren die Rezepturen der philippinischen, ghanaischen, marokkanischen und singhalesischen Küche entnommen. Zwei weitere, ein Gemüse- und ein Hühnchencurry, werden in der Karte als asiatisch bezeichnet. Bevor wir loslegen, erklärt Will, wie man im Kamayan ohne Besteck isst. „Papadam und Fladenbrot dienen als Löffel.“ Mit geübtem Griff teilen Saskia und Will das Fladenbrot und nehmen sich zu Essen, ich starte mit dem Papadam, zerbreche es und schaufle das Curry auf eine Hälfte. Das ist zwar einfacher, aber natürlich verwässert der Kreuzkümmel den individuellen Geschmack der Currys.
Diese bereitet Coco jeden Tag schon am Mittag mit frischem Gemüse zu, so können die Gewürze ihre Kraft besser entfalten. Das kommt besonders bei dem Spinatcurry mit Kichererbsen in würziger Kokossauce, nach einem philippinischen Rezept, zur Geltung. Selten habe ich einen Spinat so lecker und „spinatig“ geschmeckt. Wir drei sind uns schnell einig, dass das asiatische Gemüsecurry mit Chinakohl, Kohlrabi und Möhren in Reiswein-Soja-Soße und das singhalesische Hühnchencurry mit Paprika und Zucchini unsere Favoriten sind. Das Hühnchencurry mit grünen und roten Bohnen in Wasabi-Kokos-Soße lässt mich nach dem ersten Bissen ratlos zurück, da ist irgendetwas drin, was meine Geschmacksnerven nicht sortieren können. „Vielleicht ist es die Kombination von Wasabi und Sternanis“, vermutet Saskia. Kann sein, einzeln mag ich beides, in der Kombi ist es nicht meins. Dafür könnte ich mich in die marokkanische Rindfleischtajine mit Feigen, Tomaten, Auberginen und Mandeln in orientalischer Soße reinlegen. Ach ja, wer nicht auf dem Boden sitzen möchte, was mir gut gefiel, kann auch am Tisch platz nehmen.
Das sagen die Stammgäste: Saskia meint, dass das Kamayan eigentlich wenig Stammgäste habe, meint damit aber den wöchentlichen Besuch. Will erzählt, dass am ersten Tag nach dem Umbau ein Polizeiwagen vor der Tür hielt, eine Polizistin ausstieg und mit den Worten: „Endlich habt ihr wieder geöffnet – wehe es gibt kein Chai Latte Tiramisu“ einen Tisch buchte.