Fischfrikadelle, Kartoffelsalat und etwas Grünzeug. Eher nichts, was kulinarische Herzen sonderlich höher schlagen lässt. Aber für den Bremerhavener, der mir gerade gegenübersitzt, eine heilige Dreieinigkeit. „Legendär“ lautete das Versprechen, mit dem der Geschäftsführer des Lugger mich schon am Telefon beschwor, jetzt legt er voller Stolz nach: „Das ist ein altes Rezept von meiner Familie aus Bremerhaven. Vom Opa meines Vaters.“
Stefan Gräfe ist meine Lieblingsversion eines Gesprächspartners. Er trinkt mit, ist redselig und hat einige Anekdoten in petto. Die Geschichten, warum alle ihn „Kimbo“ nennen oder weshalb er mit CF Victoria Bremen 05 einen Fußballverein gegründet hatte, werden mich später zum Lachen bringen. Der Abschnitt, in dem er von seinem Einstieg in die Gastronomie erzählt, ist eher rührend: „Meine Mutter hat in Bremerhaven in einer Kneipe gearbeitet“, öffnet sich der 46-Jährige und erzählt, dass er sie dort häufiger gesehen habe als zu Hause. „Und wie sie da am Tresen stand und mit Gästen umgegangen ist, hat mich total geprägt. Seitdem wollte ich Gastgeber werden.“
Nach über zehn Jahren, in denen Gräfe in diversen Lokalen Erfahrungen sammelte, hat er sich Anfang diesen Jahres endlich den Traum einer eigenen Gastro erfüllt und zusammen mit zwei Freunden die Schlachthofkneipe übernommen. „Wir wollen eine moderne Seemannskneipe sein“, erklärt er die Philosophie, aus der auch der Name Lugger abgeleitet ist: „Das waren ja die Segel der alten Torfkähne, die durch Findorff gesegelt sind.“
Moderne Seemannskneipe trifft es gut. Wer die Karte studiert, wird hier keine vorsintflutliche Bockwurst-und-Toastscheibe- oder Schnitzel-mit-Paprikasauce-Hommage finden, sondern etwa Labskaus mit Entenbrust, Currywurst mit Koriander oder Graupenrisotto. Weil es aber eben auch eine Kneipe ist, dürfen Klassiker wie Schnitzel, Fischbrötchen oder unser jetziges Probierstück – Kimbo’s Fischfrikadelle (10,90 Euro) – natürlich nicht fehlen.
"Bei uns war das Kochen immer Mama, aber die Frikadelle hat immer Papa gemacht“, schwelgt Gräfe in alten Erinnerungen und erklärt, warum diese Fischfrikadelle eine zehn von zehn sei: „Sie ist nicht zu fest, nicht zu weich und die Balance der Gewürze ist gut.“ Meinerseits kann ich dem nur zustimmen, doch für die Superlative fehlt mir wohl die Würze der Nostalgie. Und wenn wir schon mal bei Würze sind: diese fehlt mir beim Kartoffelsalat leider um einiges. „Den haben wir schon mal besser gemacht“, zeigt sich auch Gräfe kritisch.
Probiert und empfohlen: Als Nächstes probieren wir das vegetarische Auberginenschnitzel (14,70 Euro). „Ich bin eigentlich nicht so ein Auberginenfan“, gesteht mein Gegenüber, „aber das hier mag ich“. Das hier sind zwei große, panierte und kross gebackene Auberginenscheiben, die zusammen mit hausgemachter Champignon-Rahmsauce, Bratkartoffeln, Beilagensalat und einem Joghurt-Dip angeboten werden.
„Sehr saftig und gut paniert“, zeigt er sich völlig zu Recht zufrieden. Und auch ich bin von der Schnitzel-Variante äußerst angetan, welche in Kombination mit der cremigen Champignonsauce im Nu verputzt ist. Das Highlight unseres Tellers stellen für mich aber die Bratkartoffeln dar. Kross, dank Einsatz einer kräftigen Portion Paprika rötlich gefärbt, äußerst würzig und zusammen mit dem Joghurt-Dip ein purer Genuss. Dieser Gang hat Spaß gemacht!
Für den Abschluss steht Flötzinger Biergulasch vom Wümmerind (15,60 Euro) auf dem Programm. Der Brauhausklassiker wird hier mit frittiertem Grünkohl und Kartoffelgratin angeboten. Während Ersteres sich als origineller Akzent erweist, der auch geschmacklich zu gefallen weiß, ist Letzteres leider weder das eine noch das andere – fad und etwas zu trocken. „Den Gratin hatte ich auch mal besser“, spricht Gräfe mir zu und teilt ebenso die Kritik, dass das Fleisch durchaus hätte zarter sein können. Wir beide sind uns ferner einig, dass die dunkelbraune Sauce, in der die Karotten- und Lauchstücke gut erkennbar sind, einen intensiven Geschmack hat. Allein die Krönung fehlt.