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Hoher Bedarf Ein Jahr Hebammenzentrum in Osterholz

Das erste Hebammenzentrum Bremens arbeitet seit einem Jahr erfolgreich in Osterholz. Aber die Nachfrage ist nach wie vor größer als das Angebot.
18.09.2023, 05:00 Uhr
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Ein Jahr Hebammenzentrum in Osterholz
Von Christian Hasemann

Wer ein Kind erwartet oder bekommen hat, vertraut in Deutschland vor allem auf diesen Berufsstand: Hebammen. Doch der Fachkräftemangel trifft auch diese Berufsgruppe. Hebammen sind besonders in den Quartieren am Stadtrand rar. Das Hebammenzentrum an der Pawel-Adamowicz-Straße auf dem Ellener Hof soll die Versorgung mit Hebammen im Bremer Südosten verbessern, wo in den Vorjahren zahlreiche Schwangere ohne Hebammenbetreuung geblieben sind. Nun feiert das Zentrum seinen ersten Geburtstag.

Mit Geburtswehen, um mal im Sprachgebrauch zu bleiben, hatte das Hebammenzentrum nicht zu kämpfen. Vom Start weg wurde das erste Angebot dieser Art in Bremen, das im September 2022 seinen Betrieb aufnahm, von Familien und Frauen angenommen – so erzählt es Koordinatorin Ann-Katrin Maetze-Schmidt. Über 300 Frauen seien vom Beginn bis heute betreut worden. "Wir sind ehrlicherweise sehr stolz, denn wir haben ein großes Kursangebot etablieren können", sagt die Koordinatorin.

Alles rund um Schwangerschaft

Kurse zur Geburtsvorbereitung – auch am Wochenende –, Rückbildungsgymnastik, Yoga für Schwangere und Babyzeit: All das wird in den Räumen des Hebammenzentrums angeboten. Geburtshilfe bietet das Haus dagegen nicht an.

Maetze-Schmidt hat vor dem Gespräch gerade einen Babyzeit-Kurs geleitet. Inhalt: Babys im Alter von drei bis sieben Monaten beobachten, kennenlernen, spielen. "Da denke ich, was habe ich für einen schönen Beruf", sagt sie.

Vier Hebammen arbeiten im Hebammenzentrum Ost, dazu kommen noch externe Kursleiterinnen, Reinigungskräfte und eine Teamassistenz. Die Hebammen sind nicht am Hebammenzentrum angestellt, sondern arbeiten freiberuflich. Das Zentrum, dessen Träger die Hans-Wendt-Stiftung ist und über Zuwendungen aus dem Bremer Haushalt finanziert wird, selbst koordiniert die Arbeit der Hebammen, stellt Räume zur Verfügung und übernimmt einen Teil der Verwaltungsarbeit. So sollen die Hebammen entlastet werden und mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit bekommen. "Die Zufriedenheit hier ist sehr hoch und wir wünschen uns mehr Kolleginnen", wirbt Maetze-Schmidt für die Arbeit im Hebammenzentrum.

Hohe Nachfrage an Betreuung

Der Bedarf jedenfalls nach mehr Kolleginnen ist da. "Wir können leider nicht alle Menschen, die zu uns kommen betreuen und müssen leider immer noch vielen Frauen absagen", sagt Maetze-Schmidt.

"Viele Kolleginnen scheuen sich, deswegen ist die Akquise für mich sehr schwierig", sagt sie. Die Gründe: Eine Anstellung, beispielsweise an einer Klinik, verspricht für viele Hebammen offenbar mehr Sicherheit. Das liegt unter anderem auch an den hohen Beiträgen für die Berufshaftpflicht – teilweise liegen die Beiträge bei über 7000 Euro im Jahr –, die für den Sprung in die Selbstständigkeit für viele eine zu hohe Hürde ist. Zusätzlich habe es seit mehreren Jahren keine Erhöhung der Sätze gegeben, die die Krankenkassen für Hebammenleistungen zahlen, so Matze-Schmidt.

Osterholz ist ein bunter Stadtteil, also einer mit Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer und kultureller Hintergründe. "Wir sind sehr stolz darauf, dass wir Hebammenleistungen Menschen anbieten können, die diese vorher nicht kannten oder in Anspruch genommen haben", sagt Maetze-Schmidt. Das Team habe interkulturelle Fortbildungen gemacht, es gebe ein ausreichendes Budget für Dolmetscherinnen und Sprachmittlerinnen.

Platz für dringende Fälle

Für besondere Fälle sind sogenannte Netzwerksplätze eingerichtet worden. "Wir halten eine bestimmte Zahl an Betreuungsplätzen zurück für Frauen, bei denen der Bedarf sehr hoch ist." Das könnten zum Beispiel Frauen seien, die über Frauenärztinnen oder über soziale Einrichtungen des Stadtteils an das Hebammenzentrum vermittelt werden.

Maetze-Schmidt sieht noch viel Arbeit in der Versorgung von Familien und Schwangeren. "Ein selbstbestimmtes Gebären ist häufig nicht möglich, weil es nicht genügend Angebote wie Geburtshäuser gibt oder es zum Beispiel einen Aufnahmestopp in Kliniken gibt." Im Zweifelsfall müssen Schwangere nicht in ihrer Wunschklinik ihr Kind bekommen, sondern in einer anderen. "Die freie Wahl des Ortes ist da nicht mehr gegeben."

Für das kommende Jahr baut Maetze-Schmidt nicht nur auf neue Kolleginnen. "Wir hoffen, dass wir weitere Sprechzeiten anbieten können, und ich bin optimistisch, dass wir Erste-Hilfe-Kurse am Kind über das Gesundheitsressort anbieten können." Für die mittlere Zukunft hofft sie auf eine weitere finanzielle Verstetigung des Hebammenzentrums.

Das Gesundheitsressort bestätigt auf Anfrage, dass die beiden Bremer Hebammenzentren gut ausgelastet seien und die Arbeit im Team und in Netzwerken für einen gewissen Weitblick sorge. Als Beispiel nennt das Ressort die Netzwerksplätze für besondere Fälle. Die Finanzierung sei im Landeshaushalt hinterlegt und für die Folgejahre berücksichtigt.

Über das Bündnis für die natürlich Geburt beteilige sich das Ressort daran, die Arbeitsbedingungen von Hebammen zu verbessern. "Darüber hinaus werden die Ergebnisse der Fachtagung "Rund um die Geburt" von einer Arbeitsgruppe sukzessive umgesetzt", so eine Sprecherin. Das bundesweite Gesundheitsziel "Rund um die Geburt" beinhaltet beispielsweise die bessere Versorgung von Schwangeren und Familien und die Förderung natürlicher Geburten, also mit weniger klinischen Eingriffen.

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