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Serie: Runter vom Sofa Longboard: Das Hollandrad unter den Rollbrettern

Beim Longboardfahren wird nicht nur die Muskulatur, sondern auch der Gleichgewichtssinn trainiert. Bei der Auswahl des Sportgerätes empfiehlt der Fachmann, nicht das günstigste Brett auszuwählen.
31.03.2021, 05:00 Uhr
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Longboard: Das Hollandrad unter den Rollbrettern
Von Rebecca Sawicki
Inhaltsverzeichnis

Ebenso wie Inlineskater haben die Longboardfahrer im vergangenen Frühjahr die Radwege erobert. Wie Surfer an Land gleiten sie auf ihren Brettern die asphaltierten Wege entlang. Manche von ihnen tanzen, andere springen und tricksen – und die meisten kurven einfach vor sich hin. Neu ist der Trend zwar nicht, dafür aber definitiv coronakonform.

Auf dem Longboard halten die Menschen Abstand zu anderen. Wie Radfahren, ist es eine Einzelsportart. Zwar können die Sportler auch in Gruppen eine Tour unternehmen, allerdings brauchen sie für ihre Bewegungen Platz, weshalb sie nicht zu dicht beieinander fahren können.

Die Ähnlichkeit zum Surfen ist kein Zufall: Die ersten Longboardfahrer waren Surfer, die sich Rollen unter ihre Bretter montierten. Bereits seit 1965 wurden Longboards in Kalifornien verkauft. Bald fand die Sportart auch in Europa immer mehr Anhänger. Es entwickelten sich einzelne Disziplinen, wie Downhill, Freeride oder Dancing.

Auch der Wahlbremer Pius Brückner ist vom Kitesurfen zum Longboard gekommen. „Ich stamme ursprünglich aus Rostock, da war Kiten natürlich immer möglich“, sagt er. Wegen seiner Umzüge und dem damit verbundenen Abstand zur Küste suchte er einen Ausgleich. Wie viele Menschen nutzt Brückner das Longboard zum Cruisen, also zum gemütlichen durch die Gegend fahren und für Touren. „Es ist zwar ganz anders als Surfen, fühlt sich aber trotzdem ähnlich an“, sagt er. Am Anfang habe er sich unsicher gefühlt. Gerade, weil Longboardfahren im öffentlichen Raum gelernt werden muss und deshalb auch alle Menschen potenzielle Fehler sehen.

„Man muss sich einfach überwinden“, sagt Brückner, auch wenn es ihm heute noch unangenehm sei, zu stürzen. Der Unterschied zum Skateboard: Longboardfahren ist leichter. „Das Skateboard ist das Sportgerät, das Longboard ist das Hollandrad“, sagt Jörg Fengler vom Titus-Skateshop Bremen. Während des ersten Lockdowns hat das Geschäft etliche Longboards an die Bremerinnen und Bremer verkauft. „Jetzt im Winter ebbt das natürlich ab, weil die Sportgeräte Kälte und Feuchtigkeit nicht so gut abkönnen“, sagt er. Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres rechnet er aber damit, dass die Nachfrage im Frühjahr wieder steigt. Und das seiner Meinung nach zu Recht, denn Longboarden sei nicht nur gut für den Gleichgewichtssinn, sondern auch für die Ausdauer und die Tiefenmuskulatur.

Wie sieht der Start aus?

„Wichtig ist ein guter Gleichgewichtssinn“, sagt Fengler. Darüber hinaus sei der Sport auf dem Brett nicht schwierig zu erlernen und definitiv leichter als Skateboarden. „Das Brett ist größer, die Rollen sind weicher, ich muss nicht so genau drauf stehen“, beschreibt Fengler. Die Lässigkeit, die mit dem Sportgerät in Verbindung gebracht wird, müsse aber natürlich geübt werden.

Fengler ist sich sicher: „Gerade weil der Sport so einfach ist, bleiben fast alle für immer dabei.“ Die Sportler müssen sich entscheiden, mit welchem Fuß sie vorne stehen wollen. Goofy und Regular nennen sich die beiden Optionen. „Es gibt auch Menschen, die die Beine während der Fahrt mal tauschen“, sagt Fengler. Ansonsten könne es für das Bein, das anschubst – oder pushed, wie es im Fachjargon genannt wird – schnell anstrengend werden. Es sei außerdem ganz normal, auch hinzufallen. Aus diesem Grund ist neben dem Longboard auch Schutzkleidung wichtig.

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Welche Ausrüstung wird gebraucht?

Da das Brett auch beim entspannten Ausfahren eine Geschwindigkeit von bis zu 20 Kilometern in der Stunde erreichen kann, empfiehlt Fengler, neben einem Helm auch Schoner zu tragen. Die Auswahl des Bretts sollten sich die Sportler außerdem gut überlegen: „Ein Longboard geht eigentlich nicht kaputt, deshalb hat man sein ganzes Leben etwas davon“, sagt der Fachmann.

Er warnt davor, sich von günstigen Preisen im Internet irreleiten zu lassen. „Gerade nach Weihnachten kommen häufig Kunden in unseren Laden, die die Rollen oder die Kugellager an ihren neuen Boards tauschen wollen“, sagt er. Diese Kunden seien dann überrascht, dass die Ersatzteile mehr kosteten als das ganze Brett. „Bei den günstigen Boards geht der Spaß schnell flöten“, sagt Fengler. So werde an allen Ecken gespart – die Kugellager, die Rollen, die Technik der Lenkung und sogar das Holz des Brettes seien meistens minderer Qualität.

Die Preisspanne starte bei 130 Euro. „Da hat man schon ein ordentliches Brett“, sagt er. Austauschen könne man bei diesen Brettern alles, sodass ein Longboard mit ein bisschen Pflege ein Leben lang halte.

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Welche Fehler sollten vermieden werden?

Gerade weil die Sportgeräte verhältnismäßig teuer sind, hält Fengler eine ordentliche Beratung für unumgänglich. Viele bestellten nämlich im Internet die falschen Größen oder machten sich falsche Vorstellungen davon, wie der Sport sei. „Die Menschen sollten sich definitiv mal auf ein Board stellen, bevor sie eins kaufen“, sagt er. Es gebe nämlich Menschen, die keinen Gleichgewichtssinn hätten oder sehr ängstlich seien, wenn sie einmal stürzten – beides sei bei dieser Sportart hinderlich. „Wehleidige Menschen und Leute ohne Gleichgewicht sollten besser mit dem Fahrrad fahren“, sagt der Fachmann.

Welche Strecken gibt es?

Vor allem ist es wichtig, dass die Strecke asphaltiert ist. Denn auf Sand oder Kies laufen die Rollen der Longboards nicht. „Sehr beliebt ist der Werdersee, aber auch die Radwege an der Weser entlang“, sagt Fengler. Wichtig zu wissen sei, dass die Longboards keine Straßenzulassung haben, weshalb sie nur auf Radwegen gefahren werden dürfen. „Das Gefahrenpotenzial ist auf der Straße hoch“, sagt Fengler. Dort gingen die meisten Bretter kaputt, weil die Sportler die Kontrolle verlieren, das Board auf die Straße rollt und Autos darüber fahren. Es passiere auch, dass die Sportler selbst stürzten und von dahinter fahrenden Autos erfasst würden. Brückner fährt mit seinem Brett am liebsten am Werdersee. Auch er betont, wie wichtig der richtige Belag und das passende Wetter sind.

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Welche Online-Angebote gibt es?

Gerade auf Youtube gibt es ein breites Angebot an Kanälen, die die besten Tipps und Tricks für das Longboardfahren verraten. Dort können sich Interessierte auch von Sportlern inspirieren lassen, die beispielsweise lange Serpentinen runterrasen und die Tour mit einer Gopro-Kamera filmen. Auch das Longboarddancing – also tanzen auf dem Brett – ist während der Pandemie beliebt geworden.

Wie der perfekte Einstieg gelingt und worauf Anfänger achten müssen, erklärt das Team von Longboarding Germany auf seinem Youtube Kanal. Dort werden nicht nur sportliche Fragen geklärt, sondern auch solche, die sich mit der Instandhaltung des Boards beschäftigen.

Wie geht es nach Corona weiter?

In Vereinen wird der Sport bisher noch nicht angeboten. Der Skateshop Titus hatte mal einen Anfängerkurs angeboten, zu dem vor allem kleinere Kinder gekommen sind. „Der Sport ist eigentlich nicht erklärungsbedürftig, deshalb haben wir das schnell wieder eingestellt“, sagt Fengler. Ihm seien auch keine festen Gruppen bekannt, die sich regelmäßig treffen und als organisierter Verein auftreten. „Longboard fahren ist eher ein Individualsport“, sagt er. Auch Pius Brückner fährt meistens allein: „Das stört mich gar nicht, ich kann dabei sehr gut den Kopf freibekommen.“ Wenn er doch mal Lust auf Gesellschaft habe, frage er bei seinen Freunden nach, ob ihn jemand begleiten wolle.

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