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Gesundheit Von Penicillin bis Pockenimpfung: Meilensteine der Medizin

Eine verschimmelte Schale mit Bakterienkulturen, Ätherdampf aus einem Glaskolben und Chlorkalklösung gegen "Leichengift": Wie Errungenschaften der Medizin entdeckt wurden.
06.05.2023, 05:00 Uhr
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Von Penicillin bis Pockenimpfung: Meilensteine der Medizin
Von Sabine Doll
Inhaltsverzeichnis

Neugierde, Entdeckergeist, aber auch Zufälle und sogar Unachtsamkeit führten zu bahnbrechenden Errungenschaften in der Medizin. Auch vor lebensgefährlichen Selbstversuchen schreckten Forscher und Ärzte nicht zurück, um neue Behandlungen und Untersuchungsmethoden zu entwickeln. Nicht selten wurden sie von der damaligen Fachwelt zunächst verspottet. Wir haben einige der wichtigsten Meilensteine der Medizingeschichte zusammengestellt.

Operation ohne Schmerzen

Etwa 17 Millionen Narkosen im Jahr werden hierzulande laut der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Kliniken vorgenommen. Dazu kommen Tausende Narkosen bei ambulanten Eingriffen. Undenkbar aus heutiger Sicht, dass Operationen ohne das Ausschalten des Schmerzempfindens durchgeführt werden müssten. Als Geburtsdatum der modernen Anästhesie gilt der 16. Oktober 1846: Der 27-jährige US-amerikanische Zahnarzt William Morton verabreichte einem Patienten im Bostoner General Hospital, dem ein Tumor am Hals entfernt werden sollte, erstmals öffentlich und erfolgreich eine Äther-Narkose. Die Dämpfe wurden aus einem Glaskolben inhaliert. "Gentleman, this is no humbug" („Meine Herren, dies ist kein Unfug“) soll der Operateur John Collins im Anschluss gesagt haben. Die Chirurgen hatten Morton zunächst für einen Scharlatan gehalten. Der Zahnarzt hatte zuvor Tiere die Äther-Dämpfe einatmen lassen – und die Wirkung im Selbstversuch getestet. Der Saal in dem Bostoner Krankenhaus heißt heute Äther-Dom (Ether Dome) und ist ein historisches Denkmal. 

Retter der Mütter

Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis machte während seiner Zeit an der Wiener Klinik für Geburtshilfe Mitte der 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts eine "tödliche" Entdeckung: Frauen, die in einer von Nonnen betreuten Abteilung der Klinik ihre Kinder zur Welt brachten, starben deutlich seltener am Kindbettfieber mit Blutvergiftung als in Abteilungen, in denen Ärzte und Medizin-Studenten tätig waren. Semmelweis fand heraus: Ärzte und Studenten wuschen sich nach Autopsien oft nicht die Hände, bevor sie Schwangere und Mütter untersuchten – auf diese Weise übertrugen sie "Leichengift". Semmelweis forderte, dass Hände und medizinische Instrumente unter anderem mit Chlorkalk-Lösung desinfiziert werden, woraufhin die Sterblichkeit in seiner Abteilung drastisch sank. Dies brachte ihm die Bezeichnung "Retter der Mütter" ein, von seinen ärztlichen Kollegen wurde er allerdings vehement bekämpft. Dass Keime Infektionen auslösen, war damals noch keine gängige Lehrmeinung – erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts sollte Robert Koch für Gewissheit und eine Revolution in der Medizin sorgen.

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Blut ist nicht gleich Blut

Der 14. Juni ist jedes Jahr Weltblutspendetag. Dieses Datum wurde zu Ehren des österreichischen Pathologen und Hämatologen Karl Landsteiner, geboren am 14. Juni 1868, gewählt: Er entdeckte 1901 das AB0-Blutgruppensystem. "Eine bahnbrechende Entdeckung, denn zuvor waren Bluttransfusionen regelrecht Glückssache", schreibt das Deutsche Rote Kreuz. "Schon seit dem 17. Jahrhundert kamen die Patienten bei entsprechenden Versuchen häufig schwer zu schaden, teilweise sogar ums Leben." Wie kam Landsteiner zu seiner Entdeckung? An der Universität Wien zapfte er sich selbst und Mitarbeitern Blut ab und mischte die Proben untereinander. Unter dem Mikroskop stellte er schließlich fest, dass in manchen Fällen das vermischte Blut verklumpt. Der Grund: Das Blut der Spender hatte unterschiedliche Eigenschaften. Bestimmte Eiweißmoleküle an der Oberfläche der roten Blutkörperchen vertrugen sich nicht mit Antikörpern im fremden Blutserum. Daraus folgerte Landsteiner, dass es verschiedene Blutgruppen gibt. 1930 erhielt er den Medizin-Nobelpreis; zehn Jahre später entdeckte Landsteiner gemeinsam mit zwei anderen Wissenschaftlern auch den Rhesusfaktor.

Keime als Krankheitsauslöser

Im 19. Jahrhundert ging man davon aus, dass Seuchen und Epidemien von sogenannten Mismen verursacht wurden – von giftigen Dämpfen, die aus dem Erdreich aufsteigen. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Cholera, Diphtherie oder Wundinfektionen waren laut dem Robert Koch-Institut damals die Haupttodesursache weltweit, allein in Deutschland seien jedes Jahr Hunderttausende Menschen daran gestorben. "Der Arzt Robert Koch entdeckte, dass Krankheiten wie diese durch winzige Organismen, durch Bakterien, verursacht werden", schreibt das RKI mit. "Ihm und seinen Weggefährten ist es gelungen, Infektionserreger und Ansteckungswege gezielt zu identifizieren und so den Weg für Therapien und Präventionsmaßnahmen zu ebnen." Möglich machten dies neue wissenschaftliche Methoden, mit denen die Erreger nicht nur aufgespürt, sondern auch sichtbar gemacht werden konnten – durch die Anzucht von Bakterienkulturen, Mikrofotografie und Färbetechniken. Gegen Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts wies Koch die Erreger von Milzbrand, Tuberkulose, Cholera und Malaria nach. Bei der Cholera-Epidemie in Hamburg 1892 half Koch dabei, Hygienemaßnahmen durchzusetzen. 1891 war Koch zum Direktor des neu gegründeten Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten ernannt worden, dem heutigen Robert Koch-Institut. 1905 wurde der Bakteriologe mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Louis Pasteur gilt er als Wegbereiter der Mikrobiologie. 

Penicillin – das erste Antibiotikum

Eine verschimmelte Petrischale führte im September 1928 zu einer der bedeutendsten Entdeckung in der Medizin. Der schottische Bakteriologe Sir Alexander Fleming hatte die Schale mit den Bakterienkulturen (Staphylococcus aureus) vergessen und nach der Rückkehr aus den Ferien entdeckt. Das Erstaunliche: Die Bakterien, die schwere Infektionen auslösen können, waren dort verschwunden, wo sich der Schimmelpilz in der Schale ausgebreitet hatte. Fleming folgerte daraus, dass der Pilz eine bakterientötende Substanz absondert. Es gelingt ihm, diese zu extrahieren – und nennt sie Penicillin, nach der Bezeichnung des Pilzes Penicillium notatum. Das erste Antibiotikum ist erfunden. Allerdings blieben Flemings Veröffentlichungen zunächst unbeachtet, erst der Zweite Weltkrieg verhalf der "Wunderwaffe" zu ihrem Durchbruch. Soldaten, denen früher Gliedmaßen amputiert werden mussten oder die an Wundbrand starben, überlebten. Bakterielle Infektionskrankheiten wie Scharlach, Diphtherie oder Cholera konnten erfolgreich behandelt werden. 1945 wurde Fleming mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. 

Vorbeugen statt Heilen

Als Pionier auf dem Gebiet der Schutzimpfung gilt der britische Arzt Edward Jenner, der vor etwas mehr als 200 Jahren – am 26. Januar 1823 – starb. Die Pocken (Blattern) waren damals eine sehr weit verbreitete Krankheit mit einer Sterblichkeitsrate zwischen 20 und 40 Prozent. Wer überlebte, war oft durch Narben entstellt. Jenner beobachtete, dass etwa Melkerinnen, die mit Kühen Kontakt hatten, und an den Kuhpocken erkrankten, nur leichte Symptome entwickelten – und vor den lebensgefährlichen "Menschenpocken" geschützt waren. Zudem war bekannt, dass niemand die Pocken zweimal durchmachen musste. Am 14. Mai 1796 wagte Jenner ein Experiment: Der Arzt impfte den achtjährigen James Phipps mit Sekret aus Kuhpockenblasen von der Hand einer Magd. Sechs Wochen später infizierte er das Kind mit „echten“ Menschenpocken, die Impfungen erfolgten durch kleine Hautschnitte in den Oberarm. Der Junge blieb gesund – die erste Impfung hatte ihn immun gemacht. Jenner nannte seinen Impfstoff "Vaccine", abgeleitet von dem lateinischen Begriff für Kuh (vacca). Sein Impferfolg mit einer Testperson reichte der Royal Society nicht als Nachweis aus, weshalb der Arzt weiter experimentierte. "Die wissenschaftlichen Hintergründe der Immunisierung wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts deutlich, als man entdeckte, dass Bakterien genannte Kleinstlebewesen Infektionskrankheiten auslösen können", schreibt das Deutsche Patent- und Markenamt mit. Jenner soll gesagt haben: „Mit meiner Methode rotten wir die Pocken aus.“ 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken für ausgerottet.

Einer der bekanntesten Vertreter auf dem Gebiet der Impfung war zudem der deutsche Vakzin-Forscher, Immunologe und Serologe Emil von Behring. Er entwickelte unter anderem erste Impfstoffe gegen Tetanus und Diphterie. 1901 erhielt er den Nobelpreis für Medizin.

Das berühmteste Röntgenbild

Der 22. Dezember 1895 gilt als Geburtstag der Radiologie, wie das Deutsche Röntgen-Museum in Remscheid schreibt. An diesem Tag bat der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen seine Frau Anna Bertha in sein Labor: Dort entstand zwar nicht das erste, aber wohl spektakulärste und erstmals veröffentlichte und damit zeitlich dokumentierte Röntgenbild, wie es heißt. Die Aufnahme zeigte die Hand seiner Frau, mit dem Ehering an einem Finger. Dem historischen Dokument war ein Zufallsfund vorausgegangen: "Am Freitag, den 8. November 1895, arbeitete Röntgen noch spät in seinem Laboratorium an Kathodenstrahlen. Durch Zufall fand er hierbei eine neue Sorte von Strahlung, die in der Lage war, durch Materialien hindurchzutreten. Er selbst nannte sie X-Strahlen. Zu seinen Ehren wurden sie im Januar 1896 Röntgenstrahlen genannt." Am 10. Dezember 1901 wurde Röntgen der erste Nobelpreis für Physik verliehen.

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