Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Vom Reichtum des Meeres

Es fasziniert, liefert Nahrung, kann aber auch Angst machen: Das Meer mit seiner Weite, seinen dunklen Tiefen und tosenden Gewalten hat von jeher eine große Anziehungskraft auf Menschen ausgeübt und die Fantasie beflügelt. Heute gilt dies nicht zuletzt für Wissenschaftler, die den Ozeanen und ihren Nebenmeeren, die 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, ihre Geheimnisse zu entlocken versuchen.
19.05.2017, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Vom Reichtum des Meeres
Von Jürgen Wendler

Es fasziniert, liefert Nahrung, kann aber auch Angst machen: Das Meer mit seiner Weite, seinen dunklen Tiefen und tosenden Gewalten hat von jeher eine große Anziehungskraft auf Menschen ausgeübt und die Fantasie beflügelt. Heute gilt dies nicht zuletzt für Wissenschaftler, die den Ozeanen und ihren Nebenmeeren, die 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, ihre Geheimnisse zu entlocken versuchen. Eine Reihe von ihnen arbeitet für Forschungseinrichtungen im Bundesland Bremen, darunter die Universität Bremen, die Jacobs University, die Hochschulen Bremen und Bremerhaven sowie Institute wie das Alfred-Wegener-Institut und das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie. Einblicke in ihre Forschungsthemen gibt die Ausstellung „100m² Meer – Eine Reise durch die Meere und Ozeane“, die am Dienstag, 23. Mai, um 18 Uhr im Bremer Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, eröffnet wird. Das Konzept ist unter der Leitung der Professoren Roland Lambrette und Detlef Rahe von der Hochschule für Künste Bremen entwickelt und umgesetzt worden.

Besucher begegnen einem verwinkelten Raum, den es zu entdecken gilt – ähnlich wie das Meer, das seine Geheimnisse erst nach und nach preisgibt. Die Bedeutung der Polargebiete für das Erdklima, kalte und heiße Quellen am Meeresgrund, Korallenriffe und Unterwasserfahrzeuge gehören ebenso zu den Themen wie das, was Menschen traditionell mit dem Meer verbinden: die Geschichten über Meeresungeheuer und das Leben auf Schiffen sowie die typischen Klanglandschaften, zu denen unter anderem das Möwengeschrei, Nebelhörner, Wind und Wellen beitragen. Studenten der Kulturwissenschaft an der Universität Bremen nutzen unter anderem Hörlogbücher, um einen Eindruck davon zu vermitteln.

Ohne Energie geht nichts – davon zeugen auch die in der Ausstellung angerissenen Themen, seien es die Gezeiten oder die an der Hochschule Bremerhaven entstandenen Überlegungen zu einem Wellenkraftwerk, die mithilfe eines interaktiven Modells veranschaulicht werden. Einfach ausgedrückt ist Energie die Fähigkeit, eine Arbeit zu verrichten, Veränderungen zu bewirken, Materie in eine andere Ordnung zu bringen. Wenn Physiker mit ihren Vorstellungen recht haben, zehrt das Universum von einem von Anfang an gegebenen Energievorrat. Energie kann demnach weder erzeugt noch vernichtet werden; sie ist immer da und wechselt lediglich die Form. So verwandelt sich beispielsweise im menschlichen Körper die in Nahrung enthaltene chemische Energie in Wärme, eine weitere Form von Energie. In Kraftwerken wiede­rum wird die Energie aus Energieträgern wie Kohle, Gas oder auch von Wellen genutzt, um elektrischen Strom zu gewinnen, ebenfalls eine Form von Energie.

Folgenreiche Energiezufuhr

Für das Leben auf der Erde ist die Energie, die in der Strahlung der Sonne steckt, von entscheidender Bedeutung. Der Wind entsteht nur deshalb, weil die Sonne nicht alle Bereiche des Planeten gleichmäßig erwärmt. Die Unterschiede führen zu Luftbewegungen; die Strahlungsenergie der Sonne verwandelt sich in die Bewegungsenergie der Winde. Die Meere sind der größte Wärmespeicher des Planeten, das heißt: Die meiste Energie, die mit der Sonnenstrahlung zur Erde gelangt, wird dort gespeichert. Von der Energiemenge im Meer und der Verteilung dieser Energie hängt ab, wie sich das Wetter und auf lange Sicht das Klima entwickeln. Forscher versuchen deshalb unter anderem herauszufinden, ob und wie sich die für den Energietransport wichtigen Meeresströmungen verändern.

Algen oder auch Seegräser nutzen die Sonnenenergie, um zu wachsen. Und davon profitiert auch der Mensch. Seegras ist früher für viele Zwecke verwendet worden und könnte auch in Zukunft wieder an Bedeutung gewinnen, wie das Beispiel eines von einer Studentin der Hochschule für Künste Bremen entwickelten Materials zeigt. Jahr für Jahr werden Zehntausende Tonnen Seegras der Art Zostera marina an deutsche Küsten gespült. Die pflanzlichen Überreste könnten zum Beispiel dazu beitragen, stabile Sitzflächen von Hockern zu gestalten. Dies käme auch der Umwelt zugute. Statt wertvolle Ressourcen zu verschwenden, würden biologische Abfälle verwertet. Weltweit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Seegrasarten. Nicht nur an den Stränden der Nord-, sondern auch an denen der Ostsee ist Seegras zu finden. Die Menschen früherer Zeiten nutzten es unter anderem als Füllstoff für Sofas und Matratzen. In den Niederlanden wurden Deiche im Mittelalter häufig aus gepresstem Seegras gebaut. Forscher haben bereits vor Jahren unterschiedliche Wege aufgezeigt, um den Rohstoff zu verwerten. Eine Möglichkeit besteht demnach darin, daraus Faserplatten herzustellen.

Im Mittelmeerraum gedeiht das Neptungras, eine Pflanzenart mit dem wissenschaftlichen Namen Posidonia oceanica. Überreste in Kugelform, die in großer Zahl an Stränden zu finden sind, werden als Neptunkugeln bezeichnet. Wie Wissenschaftler he­rausgefunden haben, eignet sich das Seegras besonders gut zum Dämmen von Gebäuden. So wurde ein Verfahren entwickelt, um aus den Neptunbällen Dämmwolle herzustellen. Die Seegrasfasern sind schwer entflammbar und schimmelresistent.

Wellen entstehen nicht nur durch den Wind an der Oberfläche des Meeres, sondern auch in dessen tieferen Bereichen. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von internen Wellen. Sie bewegen sich entlang von Grenzflächen, an denen Wasserschichten unterschiedlicher Dichte aufeinandertreffen. Solche Dichteunterschiede ergeben sich dadurch, dass Wassermassen unterschiedliche Temperaturen und einen unterschiedlichen Salzgehalt haben können. Ihre Energie erhalten interne Wellen unter anderem aus Gezeitenströmungen.

Projekte mit dem Ziel, Wellen zur Gewinnung elektrischer Energie zu nutzen, gibt es bereits seit vielen Jahren. An der Hochschule Bremerhaven haben Studenten ein Modell entwickelt, bei dem mithilfe von Wellenenergie in einer Kammer eine Luftströmung erzeugt wird. Diese treibt eine Turbine an. Deren mechanische Energie wird über einen Generator in elektrische umgewandelt. Dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, sich die Energie von Wellen zunutze zu machen, hat in den vergangenen Jahren unter anderem ein Ansatz gezeigt, der unter dem Namen Pelamis bekannt geworden ist. Dieser Ausdruck geht auf das Griechische zurück und steht für Seeschlange. Die Konstruktion besteht aus Stahlzylindern, die über Gelenke miteinander verbunden sind, und sieht tatsächlich so ähnlich aus wie eine riesige Schlange im Meer. Die Wellen haben zur Folge, dass das Gebilde an den Gelenken geknickt wird. Dort angebrachte hydraulische Generatoren nutzen das Auf und Nieder der Gelenke, um Strom zu erzeugen.

Auf den Spuren der Gezeiten

Im Gegensatz zu Wellenkraftwerken machen sich Gezeitenkraftwerke den Tidenhub zunutze, das heißt den Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wasserstand. Anders als die Wellenkraftwerke, die seit einiger Zeit an unterschiedlichen Orten erprobt werden, liefern sie zum Teil bereits seit einigen Jahrzehnten elektrischen Strom. Solche Gezeitenkraftwerke gibt es zum Beispiel in China, Frankreich und Kanada. Bei der Ausstellung im Haus der Wissenschaft zeigt das Institut für Wasserbau der Hochschule Bremen Gezeitenaufnahmen im Zeitraffer. Die an der Unterelbe entstandenen Aufnahmen vermitteln einen Eindruck von den Strömungen und Gegenströmungen in unterschiedlichen Bereichen des Flusses.

Tide ist ein anderer Begriff für Gezeiten. Laut Duden geht er auf das Mittelniederdeutsche zurück und bedeutet so viel wie Zeit. Die Entstehung der Gezeiten hängt mit der Anziehungskraft (Gravitation) zusammen, die Mond und Sonne wegen ihrer Massen auf die Erde und damit auf die Wassermassen ausüben. Der Mond spielt dabei die größere Rolle, weil er der Erde sehr viel näher ist als die Sonne. Die Stärke der Anziehungskraft hängt nicht nur von Massen, sondern auch von Abständen ab.

Die Erde braucht einen Tag, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Wenn bei der Drehung ein Teil der Erdoberfläche dem Mond unmittelbar zugewandt, der Abstand zum Trabanten also vergleichsweise gering ist, macht sich dessen Anziehungskraft besonders stark bemerkbar. Bildlich kann man es sich so vorstellen, dass das Wasser in Richtung Mond gezogen wird. Es entsteht ein Flutberg. Ein zweiter, etwas kleinerer Flutberg bildet sich zur gleichen Zeit auf der entgegengesetzten Seite der Erde. Dort ist die Anziehungskraft wegen des größeren Abstands besonders gering – mit der Folge, dass sich das Wasser vom Mond wegbewegen kann. Oft heißt es, die Fliehkraft, die aufgrund der Bewegung der Erde um den gemeinsamen Schwerpunkt mit dem Mond entstehe, spiele hierbei eine wichtige Rolle. Dies sei jedoch falsch, betonen Physiker. Die Fliehkraft sei überall auf der Erde gleich groß.

Wie groß der Tidenhub ist, hängt von den geografischen Verhältnissen ab, das heißt zum Beispiel von der Tiefe und Form der Meere sowie von den Landmassen, die die Bewegung des Wassers beeinflussen. In der Bay of Fundy an der kanadischen Atlantikküste wird ein extrem großer Tidenhub von zum Teil deutlich mehr als 15 Metern gemessen. In Europa gehört Saint-Malo in Frankreich zu den Orten mit sehr großem Tidenhub. Dort beträgt er ungefähr zwölf Meter. In der Unterweser, dem von Gezeiten geprägten Bereich zwischen dem Weserwehr und der Mündung in die Nordsee, gibt es gegenwärtig einen Tidenhub von mehr als vier Metern.

Info

Die Ausstellung „100m² Meer – Eine Reise durch die Meere und Ozeane“ im Bremer Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, wird am 23. Mai um 18 Uhr eröffnet und dauert bis zum 23. August. Der Eintritt ist frei. Das Haus der Wissenschaft ist montags bis freitags von 10 bis 19 und sonnabends von 10 bis 14 Uhr geöffnet.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)